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Kennzeichnung von Chemikalien

Die REACH-Verordnung der EU (Nr. 1907/2006) hat vor allem die Beurteilung der gefährlichen Eigenschaften von Chemikalien auf neue Beine gestellt. Sie führte die Pflicht zur Registrierung aller Chemikalien ein, die in Mengen von mehr als einer Tonne pro Jahr in der EU auf den Markt gebracht werden. Für die Registrierung muss der Hersteller eines Stoffes die gefährlichen Eigenschaften des Stoffes ermitteln. Weiters enthält REACH auch Bestimmungen über Zulassungs- und Beschränkungsverfahren für besonders gefährliche Chemikalien. Viele der Regelungen der REACH-Verordnung sind an Mengenschwellen gebunden; die Bestimmungen beziehen sich vor allem auf die Eigenschaften von Reinstoffen.

Abgesehen davon müssen alle Chemikalien gekennzeichnet sein. Das gilt unabhängig davon, ob sie als Reinstoffe oder in Form von Gemischen vorliegen, und unabhängig von Mengenschwellen. Voraussetzung für die Kennzeichnung ist die Einstufung der Chemikalien bezüglich verschiedener Gefährlichkeitsmerkmale. Diese Einstufungs- und Kennzeichnungspflicht trifft nicht nur die Hersteller der Reinstoffe, sondern auch alle, die aus solchen Reinstoffen chemische Produkte herstellen. Derartige Produkte wurden früher als „Zubereitungen“ bezeichnet, heute spricht man von „Gemischen“. 

CLP-Verordnung

Seit 2009 gilt in diesem Bereich in der EU die Verordnung Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, die nach den englischen Begriffen („Classification, Labelling and Packaging“) gemeinhin als CLP-Verordnung bekannt ist. Sie stellt die europäische Umsetzung des GHS der UNO dar (siehe Kasten auf S. 23). Die letzte Übergangsfrist für das bisherige Recht lief mit 31. Mai dieses Jahres aus. Als EU-Verordnung gilt die CLP-Verordnung übrigens – ebenso wie die REACH-Verordnung – direkt in allen Mitgliedstaaten, während die früher bestehenden chemikalienrechtlichen Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden mussten. Aus diesem Grund ist mit der Neufassung des EU-Chemikalienrechts auch ein großer Teil des österreichischen Chemikaliengesetzes und seiner Verordnungen entfallen.

Während die REACH-Verordnung eine grundlegende Neuordnung des Verkehrs mit Chemikalien brachte, stellt die CLP-Verordnung gegenüber dem bisherigen Recht keine so große, grundsätzliche Veränderung dar. Aber eine Änderung, die sie bringt, ist besonders augenfällig: die Symbole, mit denen gefährliche Chemikalien gekennzeichnet werden müssen, wurden geändert, ein Schritt, der schon beim Kauf eines Spülmittels oder eines Lackes ins Auge springt. Während früher mit Symbolen in orangen Quadraten vor den Gefahren gewarnt wurde, sind die Quadrate nun weiß mit rotem Rand und stehen auf der Spitze.

Eine weitere Neuerung gibt es bei den Standardsätzen über Gefahren und über Schutzmaßnahmen. Während diese bislang als R- und S-Sätze bekannt waren, werden sie nun als Gefahrenhinweise (H-Sätze) und als Sicherheitshinweise (P-Sätze) bezeichnet.

Nicht so augenfällig, aber nicht weniger wichtig ist die Veränderung bei der Klassifikation von Gefahren. Gemäß der CLP-Verordnung werden die physikalischen Gefahren in sechzehn sogenannte „Gefahrenklassen“ eingeteilt, die Gefahren für die menschliche Gesundheit in zehn und die Gefahren für die Umwelt in zwei. Die meisten Gefahrenklassen wiederum sind in mehrere „Gefahrenkategorien“ unterteilt – in erster Linie nach der Schwere der Wirkung. Für jede Gefahrenkategorie in jeder Klasse ist festgelegt, mit welchem Symbol („GHS-Piktogramm“), mit welchem Gefahrwort („Gefahr“: Signalwort für die schwerwiegenden Gefahrenkategorien; „Achtung“: Signalwort für die weniger schwerwiegenden Gefahrenkategorien) und mit welchen Gefahren- und Sicherheitshinweisen die Stoffe bzw. Gemische zu kennzeichnen sind.

Gefahrenklassen

Die Gefahrenklassen und -kategorien wurden so gewählt, dass das neue Einstufungs- und Kennzeichnungssystem inhaltlich weitgehend mit dem alten EU-System übereinstimmt. Dadurch sollen Aufwand und Auswirkungen der Systemumstellung möglichst begrenzt werden. 

Stoffe oder Gemische, von denen physikalische Gefahren ausgehen, sind: explosive Stoffe oder Gemische; entzündbare Gase; entzündbare Aerosole; oxidierende Gase; Gase unter Druck; entzündbare Flüssigkeiten; entzündbare Feststoffe; selbstzersetzliche Stoffe und Gemische; pyrophore Flüssigkeiten (selbstentzündliche Flüssigkeiten); pyrophore Feststoffe (selbstentzündliche Feststoffe); selbsterhitzungsfähige Stoffe und Gemische; Stoffe und Gemische, die in Berührung mit Wasser entzündbare Gase entwickeln; oxidierende Flüssigkeiten; oxidierende Feststoffe; organische Peroxide; gegenüber Metallen korrosive Stoffe oder Gemische. 

Bei dieser Gruppe geht es also in erster Linie um Gefahren durch Brand oder Explosion. Die meisten Gefahrenklassen bestanden schon bisher. Aber in vielen Fällen ist es nicht möglich, die bisherigen Kategorien einfach auf die neuen Gefahrenkategorien zu übertragen. Beispielsweise sind brennbare Flüssigkeiten, die zuvor als R11 (leichtentzündlich) eingestuft waren, abhängig von ihrem Siedepunkt, in die Kategorie 1 oder in die Kategorie 2 der entzündbaren Flüssigkeiten einzustufen. Keine Entsprechung hatten übrigens bisher die Gefahrenklassen „Gase unter Druck“ und „Korrosiv gegenüber Metallen“.

Gesundheitsgefahren 

Die Gefahren für die menschliche Gesundheit werden in folgende Klassen eingeteilt: akute Toxizität (weiter unterschieden nach oraler, dermaler oder inhalativer Toxizität); Ätz- oder Reizwirkung auf die Haut; schwere Augenschädigung oder Augenreizung; Sensibilisierung der Atemwege oder der Haut; Keimzellmutagenität; Karzinogenität (krebserzeugend); Reproduktionstoxizität; spezifische Zielorgan-Toxizität bei einmaliger Exposition; spezifische Zielorgan-Toxizität bei wiederholter Exposition; Aspirationsgefahr.

Auch bei den Gesundheitsgefahren ist in einigen Fällen die Einstufung nach CLP nicht unmittelbar aus der früheren Einstufung ableitbar. Weiters ist anzumerken, dass die Kategorien der krebserzeugenden, der mutagenen und der reproduktionstoxischen Stoffe umbenannt werden, nämlich von den bisherigen Kategorien „1“, „2“ und „3“ zu „1A“, „1B“ und „2“. Neu sind die Gefahrenklassen der spezifischen Zielorgan-Toxizität. Dabei geht es um Schäden, die Chemikalien an bestimmten Organen verursachen. Ein Beispiel ist die Schädigung des Gehörs durch Methanol. 

Die Gefahren für die Umwelt schließlich werden in folgenden zwei Gefahrenklassen erfasst: Gewässergefährdend  sowie die Ozonschicht schädigend.

Zu jeder der genannten Gefahrenklassen enthält die CLP-Verordnung nicht nur genaue Bestimmungen, unter welchen Umständen Stoffe und Gemische zu dieser Gefahrenklasse zählen und darin wiederum, zu welcher Gefahrenkategorie. Es wird auch festgelegt, unter welchen Umständen bestimmte Kennzeichnungen unterbleiben können, weil schon eine andere, schwerer wiegendere Gefahr zur Kennzeichnung führt. Weiters wird detailliert festgelegt, wie aus der Einstufung der Einzelstoffe die Einstufung eines Gemisches abzuleiten ist.

Das bislang geltende Konzept der auf EU-Ebene harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen („Legaleinstufung“) wird von CLP fortgeführt. Für etwa 4.000 Stoffe enthält Anhang VI EU-weit verbindliche Vorgaben der Einstufung, freilich nur in Bezug auf die ausdrücklich angegebenen Gefahren. Bezüglich der nicht in Anhang VI genannten Gefahren sind weiterhin die Hersteller für die korrekte Einstufung verantwortlich. Sie haben die Einstufung und Kennzeichnung ihrer Stoffe an die ECHA zu melden, die diese Daten gesammelt in Form des „C&L-Verzeichnisses“ der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Diskrepanzen bei der Einstufung zwischen verschiedenen Herstellern sollen mit der Zeit angeglichen werden. So soll langfristig eine weitgehend einheitliche Einstufung und Kennzeichnung erreicht werden, die sowohl den Herstellern als auch den AnwenderInnen der Chemikalien nützt.