Politik

Klimaabkommen von Paris: Mehr Licht als Schatten

Zunächst sei die Ausgangssituation kurz zusammengefasst: Das Kyoto-Protokoll aus 1997 legte für die Verringerung des Ausstoßes an Treibhausgasen Ziele fest, die die Industriestaaten im Zeitraum 2008 bis 2012 erreichen sollten. Die Entwicklungsländer hatten zwar gewisse allgemein formulierte Verpflichtungen, aber keine mengenmäßigen Emissionsbeschränkungen. Im Jahr 2009 wurde daher versucht, bei der Klimakonferenz in Kopenhagen ein Nachfolge-Abkommen für das Kyoto-Protokoll zu beschließen. Dieses sollte sicherstellen, dass nach Ablauf der ersten Phase des Kyoto-Protokolls, also ab 2013, eine zweite Periode mit Verpflichtungen anschließt, die die Entwicklungsländer mit einbeziehen.

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Doch dieses Vorhaben scheiterte – zu unterschiedlich waren die Interessen der verschiedenen Fraktionen von Staaten. Der Minimalkompromiss bestand darin, eine unverbindliche Erklärung zu verabschieden, die bloß festhielt, dass die globale Erwärmung zwei Grad Celsius nicht überschreiten solle. Es wurde kein weiterer Versuch gemacht, für die Zeit ab 2013 bindende Klimaziele festzulegen. Stattdessen einigten sich die Vertragsstaaten darauf, bis 2015 einen neuen Vertrag auszuarbeiten, der 2020 in Kraft treten sollte. Damit wurde der Ausarbeitung des Textes viel Zeit gegeben – vermutlich ein Schritt, der wesentlich zum letztendlichen Erfolg der Konferenz in Paris beitrug. 

Wer im Pariser Abkommen klare Verpflichtungen der Vertragsstaaten zur weiteren Verringerung der Emissionen sucht, wird freilich nicht fündig. Die Vertragsstaaten legen selbst fest, welche Ziele im Klimaschutz sie auf sich nehmen, ohne damit nach internationalem Recht eine Verpflichtung gegenüber anderen Staaten einzugehen. Das Abkommen von Paris gibt den Rahmen vor, wie diese Beiträge zum Klimaschutz mit der Zeit weiterentwickelt werden. Zutreffend nannte etwa die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks Paris „nicht das Ende, sondern den Anfang eines langen Weges“.

Neue Wege – neue Ziele  

Der wesentlichste Unterschied zum Kyoto-Protokoll aus 1997 besteht darin, dass alle Staaten – nicht nur die Industrie-länder – Reduktionsmaßnahmen übernehmen. Das war auch dringend notwendig, denn die Entwicklungsländer haben als Emittenten von Treibhausgasen enorm an Bedeutung gewonnen: Während 1990, im Bezugsjahr der Klimarahmenkonvention, ihr Anteil an den weltweiten Emissionen etwa 32 Prozent betrug, lag er 2014 bei etwa 63 Prozent. 

Im Gegensatz zu den Zielen des Kyoto-Protokolls sind die Beiträge der Staaten zum Klimaschutz aber nicht vertraglich bindend. Doch dies ist nicht besonders dramatisch. Denn die Sanktionsmechanismen des Kyoto-Protokolls waren schwach, und Staaten, die sich nicht mehr an die Ziele halten wollten, konnten einfach aussteigen – wie das Beispiel Kanadas zeigte. Die USA haben es gleich gar nicht ratifiziert.

Stattdessen wurde im Vorfeld der Pariser Konferenz ein anderer Weg eingeschlagen: Die Vertragsstaaten hinterlegten im Laufe des vergangenen Jahres beim Sekretariat der Klimarahmenkonvention Dokumente, die ihre Absichten bei der Verringerung der Treibhausgasemissionen und beim Klimaschutz darlegen. Diese werden als INDC bezeichnet, „Intended Nationally Determined Contributions“, also etwa „beabsichtigte, national festgelegte Beiträge“ zum Klimaschutz. Praktisch alle Länder der Welt haben mittlerweile kundgetan, welche Beträge zum Klimaschutz sie leisten werden: 189 INDC liegen bislang vor, also von fast allen 197 Staaten, die die Klimarahmenkonvention ratifiziert haben.

So legte etwa China, der Staat mit den mittlerweile höchsten Treibhausgasemissionen der Welt, INDC vor, nach denen die jährlichen CO2-Emissionen ab 2030 nicht mehr wachsen sollen, und die weiters einen Rückgang der CO2-Emissionen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung um 60 bis 65 Prozent gegenüber 2005 und einen Anteil der erneuerbaren Energieträger am Primärenergieaufkommen von etwa 20 Prozent vorsehen. Die EU sagte im Namen aller 28 Mitgliedstaaten zu, dass 2030 die jährlichen Emissionen um mindestens 40 Prozent geringer sein sollen als 1990. 

Diese Beiträge der Vertragsstaaten stellen die ersten Bausteine dar, mit denen das Ziel des Abkommens von Paris erreicht werden soll: die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius, wenn möglich auf nicht mehr als 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Diese Werte konkretisieren, was bereits 1992 als Ziel der Klimarahmenkonvention festgelegt wurde: „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird.“

Mehr Dynamik als im Kyoto-Protokoll    

Abgesehen davon, dass nun alle Staaten – nicht nur die Industriestaaten – darzulegen haben, in welchem Ausmaß sie ihre Treibhausgasemissionen verringern werden, sind sie nach dem Pariser Abkommen auch verpflichtet, die Beiträge alle fünf Jahre weiter zu entwickeln. Dabei sollen die Maßnahmen jedes Mal noch strenger werden. Die Dynamik, die der Prozess damit bekommt, steht in krassem Gegensatz zu der Festlegung des Kyoto-Protokolls, das nach dem Ablauf seiner Zielperiode (2008 bis 2012) keine weiteren Schritte vorsah.

Der Prozess, der mit dem Pariser Abkommen geschaffen wurde, hat also einige positive Aspekte: es nehmen alle Staaten daran teil, sie haben Beiträge zur Reduktion der Treibhausgasemission zu leisten, und diese Beiträge werden sukzessive ambitionierter.

Betrachtet man aber die vorgelegten Beiträge in Summe, so wird klar, dass sie nicht genügen. Sie reichen nicht aus, um die Emissionen so weit zu reduzieren, dass eine Beschränkung der globalen Erwärmung auf zwei Grad Celsius gelingt. Die Wissenschaft spricht hier eine deutliche Sprache.

Kumulierte Emissionen entscheidend

Im fünften Sachstandsbericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen) wird die Bedeutung kumulierter (also über die Zeit aufaddierter) Emissionen betont. So wird etwa festgehalten, dass die kumulierten CO2-Emissionen aus allen menschlichen Tätigkeiten (die so genannten anthropogenen Emissionen) 3.650 Milliarden Tonnen CO2 nicht übersteigen dürfen, wenn das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden soll. Der Großteil dieser Menge ist freilich bereits emittiert worden. Beim derzeitigen Niveau der weltweiten Emissionen wird dieses Limit in etwa zwanzig Jahren erreicht. Danach dürften weltweit überhaupt keine Treibhausgase aus menschlichen Tätigkeiten emittiert werden, wenn das Ziel halten soll.

Die Analyse der vorliegenden Beiträge der Staaten führt zum ernüchternden Ergebnis, dass sie in der derzeitigen Form für dieses Limit und damit für eine Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels nicht ausreichen. Die Tatsache, dass die Vertragsstaaten sich mit dem Pariser Abkommen zu einem langfristigen, dynamischen Prozess verpflichtet haben, lässt Hoffnung aufkommen. Dass auf den ersten zwölf Plätzen der Fortune-500-Liste der weltweit größten Unternehmen sieben Ölkonzerne und zwei Autokonzerne rangieren, wie Heinz Högelsberger kürzlich in einem Blogbeitrag für „Arbeit & Wirtschaft“ aufzeigte, lässt diese Hoffnung wieder schwinden.

In diesem Sinn stellt das Abkommen von Paris einen Rahmen dar, der langfristig zu einer weltweiten, ambitionierten Klimaschutzpolitik beitragen kann. Die vorliegenden Beiträge der Staaten sind ein erster Schritt. Um das Ziel zu erreichen, die Klimaerwärmung unter der Marke von zwei Grad Celsius zu halten, müssen diese Beiträge aber viel weiter gehen.