Interview mit AK-Präsidentin Renate Anderl: Sozial gerechte Umwelt- und Verkehrspolitik

Bis Ende des Jahres muss der konkrete Fahrplan vorliegen, wie Österreich die EU-Klimaziele erreichen will. Was sind dabei die wichtigsten Anliegen der ArbeitnehmerInnen?

Bis 2050 sollte das Wirtschaftssystem so umgestaltet werden, dass wir ohne Kohle, Erdöl und Erdgas auskommen. Schon heute ist klar, dass das massive Veränderungen nach sich ziehen wird, die jede und jeden von uns betreffen werden. Ein dermaßen tiefgreifender Prozess kann nur gelingen, wenn der soziale Ausgleich in den Mittelpunkt gerückt wird. Wir müssen auf eine faire Verteilung der Kosten und Belastungen achten. Und wir müssen auf die Kolleginnen und Kollegen schauen, die in Branchen arbeiten, die von diesen Veränderungen besonders betroffen sind.

Immer wieder hören wir, dass öffentliche Dienstleistungen liberalisiert werden sollen, etwa Wasserversorgung oder öffentlicher Verkehr. Wie stehen Sie zu diesen Vorstößen?

Die sogenannte Daseinsvorsorge, also jene öffentlichen Dienstleistungen, die für unser tägliches Leben besonders wichtig sind, sollte allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung stehen. In Österreich sind wir da hervorragend aufgestellt. Bei der Wasserversorgung schneiden wir im EU-Vergleich sehr gut ab, und die Menschen sind damit sehr zufrieden. Ähnliches gilt für den öffentlichen Verkehr. Damit das so bleibt, setzen wir uns als AK ganz massiv dafür ein, dass die Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand bleibt. Denn wir wissen, wohin Liberalisierung und Privatisierung führen: zu schlechteren Arbeitsbedingungen, schlechterer Versorgung und höheren Preisen für die Menschen. Deshalb ist es uns auch so wichtig, dass die Daseinsvorsorge aus den Freihandelsabkommen der EU ausgenommen wird. 

Auf Drängen der Wirtschaft wurde ein Gesetzespaket beschlossen, das Infrastrukturprojekte beschleunigen soll. Ist der eingeschlagene Weg der richtige?

Wer tragfähige Lösungen will, muss mit allen Betroffenen reden, und das hat die Regierung verabsäumt. Natürlich ist es ein Problem, wenn Verfahren zu wichtigen Infrastrukturprojekten sehr lange dauern. Aber woran das liegt, ist keineswegs so klar, wie die Bundesregierung behauptet. Das jetzige Standortgesetz ist jedenfalls eine Sackgasse, es zielt einseitig auf die Interessen von Industrie und Wirtschaft ab. Was wir brauchen, sind moderne Infrastrukturgesetze, die auch auf ArbeitnehmerInnen Rücksicht nehmen und die Bürgerinnen und Bürger fair einbinden und mehr Personal in den Behörden. Das wären die Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Infrastrukturplanung.

Die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene ist eine langjährige verkehrspolitische Forderung. Wie kann das erreicht werden?

Der Schwerverkehr auf der Straße ist mit vielen Problemen verbunden. Er verursacht einen großen Teil der CO2-Emissionen und belastet die Bevölkerung mit Schadstoffen und Lärm. Aber er ist auch ein Sektor, in dem die Beschäftigten massiv dem Lohn- und Sozialdumping unterworfen sind. Deshalb muss die Verlagerung auf die Schiene eine echte Chance bekommen. Das geht nur mit fairen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen für alle BerufslenkerInnen. Außerdem brauchen wir die flächendeckende Lkw-Maut in Österreich und eine gezielte Förderung der Bahn. Klima- und Umweltfragen, sind immer auch soziale Fragen und müssen daher gesamtgesellschaftlich angegangen werden.