Interview mit Global 2000 Geschäftsführerin Leonore Gewessler: 35 Jahre Global 2000

Wie haben sich in den letzten 35 Jahren die Umweltprobleme und die Arbeitsweise von GLOBAL 2000 geändert? Sind die Zeiten spektakulärer Aktionen vorbei?

GLOBAL 2000 ist 1982 als Initiative von sechs AktivistInnen gestartet und hat gleich mit großen Transparenten auf Kraftwerken von sich reden gemacht. Seit damals hat sich vieles geändert, Stichwort Digitalisierung. Die zunehmende Globalisierung macht die Lösung von Umweltproblemen noch komplexer, der Wille der Politik, aktiv zu werden, ist aber nicht im selben Ausmaß gestiegen. GLOBAL 2000 ist mit den Aufgaben gewachsen, und hat früh entschieden, den Protest mit dem Entwickeln von Lösungen für Politik und Wirtschaft zu begleiten. Vor drei Jahren prangte wieder auf einem Kraftwerk ein GLOBAL 2000 Transparent – und hat mit dazu beigetragen, dass in Österreich Kohlestrom ein Ablaufdatum hat. Aktivismus, in welcher Form auch immer, ist einfach Teil unserer DNA – und es braucht ihn in dieser Gemengelage vielleicht heute dringender denn je.

Was sind die größten Erfolge von GLOBAL 2000? 

In 35 Jahren konnten wir gemeinsam mit vielen UnterstützerInnen einiges in Österreich bewegen. Der Erfolg des Gentechnikvolksbegehrens 1997, die Aufdeckung des Pestizid-Skandals im Jahr 2002 und das Ende für die EU-Saatgutverordnung im Jahr 2014 sind drei von vielen Highlights, die für Umwelt und KonsumentInnen Positives bewirkt haben. Der Gesetzgeber und der Handel haben auch durch unsere Arbeit ihre Verantwortung wahrgenommen, damit Vielfalt in der Natur – und auf unseren Tellern – erhalten bleibt.

Haben Sie eine Erklärung, warum im ehemaligen Umweltmusterland Österreich beim Klimaschutz so wenig passiert? 

Österreich ruht sich beim Klimaschutz auf Lorbeeren der Vergangenheit aus. Es fehlten in den letzten Jahren jegliche mutige Initiativen. Wichtigen Förderprogrammen hat man sogar Geld gekürzt, wie z.B. der thermischen Sanierung. Wir müssen auch in Österreich bis 2050 weg von fossilen Energien, und Wirtschaft und Alltag auf saubere Erneuerbare umstellen. Vergangenheitstechnologien wie Öl, Kohle, Gas, Atom können da nicht mehr mit. Es geht also um ihr kurzfristiges Überleben, wenn die Ölindustrie uns weiter in der Abhängigkeit halten will. Politik wiederum funktioniert in immer kürzeren Zyklen. Leider verlieren im politischen Alltag zu viele AkteurInnen den Blick für die entscheidenden Fragen am Weg in eine öko-faire Zukunft. Da braucht es NGOs als mahnende Stimme.

Was wären umweltpolitisch die vordringlichsten Aufgaben der neuen Bundesregierung?

Beim Klimaschutz endlich mehr als heiße Luft, nämlich verbindliche Strategien und Maßnahmenpakete beschließen, die uns verlässlich Richtung Klimaneutralität 2050 bringen. Eine Landwirtschaftspolitik, die uns in Österreich und Europa weg von der Abhängigkeit von chemisch-synthetischen Spritzmitteln am Feld bringt. Und ganz generell: mehr Mut, um auch große Zukunftsfragen anzugehen. Dafür gibt es mit Sicherheit Unterstützung in der Bevölkerung.