Schwerpunkt

Agrarpolitik quo vadis?

Umweltschutz als Alltag in der Landwirtschaft

Die Landwirtschaftsvertretung in Österreich zeichnet gerne ein idyllisches Bild: Gesunde Lebensmittel, Landschaftspflege und Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen stechen dabei als positive Leistungen hervor. Zu Recht? Österreich hat in der EU bei der umweltfreundlichen Landwirtschaft die Nase vorne: Rund 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden biologisch bewirtschaftet, fast 80 Prozent der Betriebe beteiligen sich am Agrarumweltprogamm (ÖPUL). Aber die großen Themen wie Klimaschutz und Biodiversität werden nur ansatzweise gelöst (zu diesen Themen siehe auch Schwerpunkt-Artikel ab Seite 10 bis Seite 14). Darüber hinaus gibt es regionale Probleme mit der Luft und dem Grundwasserschutz. 

Ungesunde Landluft …

Wenn die Landwirtschaft unsere Lebensmittel produziert, belastet sie dabei auch mancherorts unsere Luft zum Atmen. Warum? Die Exkremente von Schweinen, Kühen und Geflügel, sowie ihre Lagerung und Ausbringung auf Felder, enthalten das stickstoffhaltige Gas Ammoniak (NH3). Dieses entweicht in die Luft und ist gleichzeitig die Vorläufersubstanz für sekundären Feinstaub (PM2,5) und Ozon (O3). Laut  nationalem Luftreinhalteplan stammen ein Drittel der Feinstaubbelastung (PM2,5) in Wien, Linz und Salzburg und sogar die Hälfte der PM2,5-Immission im ländlichen Ostösterreich von sekundärem Feinstaub aus Ammoniumnitratpartikeln. Bei der Stickstoffdüngung und Lagerung von Wirtschaftsdünger fällt in geringerem Maße auch Lachgas (N2O) an. Dieses Gas zerstört unsere Ozonschicht und ist äußerst klimaschädigend (300-fache Wirkung von CO2). Durch das Entweichen in die Umgebungsluft werden aber auch sensible Ökosysteme ungewollt „gedüngt“. Dies verursacht Versauerung und Überanreicherung von Böden und Gewässern. 

… verursacht auch Klimaprobleme

Eine intensive Landwirtschaft mit Massentierhaltung und immer höheren Erträgen führt auch zu Klimaproblemen. Im Magen der Kuh entsteht durch mikrobiologische Prozesse das klimatreibende Gas Methan CH4), das um den Faktor 25 schädlicher als CO2 ist. Insgesamt verursacht die Landwirtschaft in Österreich 94 Prozent aller Ammoniakemissionen und belastet die rot-weiß-rote Klimabilanz durch Methan (und Lachgas mit 10 Prozent aller CO2-Emissionen. Durch vorgelagerte Prozesse (z.B. Import von Mineraldünger und Futtermitteln) müsste diese Bilanz in Wirklichkeit noch höher ausfallen.

Die Wissenschaft hat die Landwirtschaft und ihre Bedeutung für eine ungesunde Luft längst entdeckt. Das internationale Institut für angewandte Systemanalysen (IIASA)  hat für die EU-Kommission eine Kosten-Nutzen-Analyse angestellt. Demnach kostet die Halbierung der durch Luftverschmutzung bedingten Gesundheitskosten im Jahr 2030 in allen EU-Staaten zusätzlich jährlich 960 Millionen Euro. Davon müsste die Landwirtschaft 40 Prozent tragen, die aktuell zu wenig  für eine gesündere Luft beiträgt. Dank dieser Ausgaben erhöht sich die Lebenserwartung, fallen geringere Gesundheitskosten, weniger Krankenstand und Ernteausfälle etc. an. Der Nutzen ist um 14 mal größer als die Kosten. Bemerkenswert das Ergebnis für Österreich: Die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Feinstaub PM2,5 würde sich demnach von 5.267 im Jahr 2005 auf 2.647 im Jahr 2030 verringern. Ebenso würde sich die luftverschmutzungsbedingte Lebenserwartung von 7,2 auf 3,6 Monate verbessern.

EU-Vorschriften fordern von Österreich seit langem verminderte Emissionen bei Ammoniak und konkrete Maßnahmen in der Landwirtschaft. Im Kern bedeutet dies eine emissionsarme Ausbringung von Wirtschaftsdünger, möglichst gasdichte Abdeckung von Gülle, proteinreduzierte Futtermittel, Viehhaltungssysteme mit mehr Beweidung sowie eine der Bodenqualität angepasste Düngung. Bis heute aber kann und will Österreich diese Auflagen nicht erfüllen. Grund ist eine Agrarlobby und ihr nahestehende Landwirtschaftsminister*innen, die Österreich sehenden Auges in ein EU-Vertragsverletzungsverfahren treiben. Ihre fadenscheinige Ausrede  ist das Tierwohl: Die Umstellung von Anbindehaltung auf Laufstallhaltung führe zu mehr Ammoniakemissionen. Übersehen wird dabei, dass rund 60 Prozent aller Emissionen außerhalb des Stalls anfallen. Die Schweiz mit einer kleinteiligen Landwirtschaft wie Österreich hat die notwendigen Maßnahmen längst umgesetzt und die Ammoniakemmissionen erfolgreich reduziert .

Umweltprobleme beim Wasser

In Regionen mit intensiver Landwirtschaft (Nieder- und Oberösterreich, Burgenland, Kärnten) haben Wasserversorger und Hausbrunnen Probleme, die  Grenzwerte für das Grundwasser bei Stickstoff (50 Milligramm pro Liter) und Pestiziden (0,1 Mikrogramm pro Liter) einzuhalten. Da unser Trinkwasser zu 100 Prozent aus dem Grundwasser und Quellen kommt, bedeutet das für die Wasserversorger, dass sie entweder ihre Brunnen tiefer bohren, Grundwasser mischen oder auch aufbereiten müssen, um uns mit gesundem Trinkwasser zu versorgen. Schon jetzt es gibt Ausnahmen mit höheren Nitrat- und Pestizidwerten. Insgesamt wurden in den Jahren 2014 bis 2018 in 118  Gemeinden in Ober- und Niederösterreich eine Ausnahme gewährt: 50 Ausnahmen für Nitrat und 68 Ausnahmen für Pestizide. Vor allem für Kleinkinder ist das ein Problem: Sie sollten laut Weltgesundheitsorganisation WHO viel weniger Nitrat, nämlich maximal 10 mg/l Nitrat aufnehmen. 

Selbst, wenn  Nitrat und Pestizide nicht mehr in den Boden eingebracht werden, kann es je nach Boden, Regenmenge und Grundwassererneuerungsraten Jahre dauern, bis sich die Stickstoff- und Pestizidwerte im Grundwasser verbessern.  Daher müsste in den belasteten Gebieten weniger gedüngt und weniger Pestizide eingesetzt werden.

Mit Agrarumweltförderungen wird seit Jahren versucht, die Problemgebiete in den Griff zu bekommen. Die Landwirt*innen düngen weniger, setzen weniger Pestizide ein und bekommen dafür eine Agrarumweltförderung ausbezahlt. Dabei sind die Erfolge bislang nur mäßig. Abhilfe dürfte nun ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2019 bringen. Es schreibt fest, dass der Nitratgehalt im Grundwasser von maximal 50 Milligramm pro Liter mg/l Nitrat über gesetzliche Maßnahmen einzuhalten ist.  Die bislang typisch österreichische Praxis, zu versuchen über Agrarumweltförderungen diesen Grenzwert zu erreichen, ist zukünftig nicht mehr möglich. Vielmehr ist zukünftig durch gesetzliche Maßnahmen im Nitrat-Aktionsprogramm sicherzustellen, dass der Grenzwert  eingehalten wird. Über Agrarumweltförderungen darf zukünftig eigentlich nur mehr die Einhaltung dieser 50 Milligramm pro Liter gefördert werden, wie dies das Land Steiermark seit einigen Jahren macht. Dies ist besonders auch für Konsument*innen, die einen Hausbrunnen für ihr Trinkwasser nutzen eine frohe Botschaft. Daten der AK Oberösterreich zeigen seit Jahren, dass bis zu 20 Prozent der Hausbrunnen in intensiv landwirtschaftlichen Gebieten die Nitrat- und Pestizidgrenzwerte überschreiten.

Aktives Handeln gefragt

Die gesetzlichen Grenzwerte bei Luft- und Wasserqualität einzuhalten, sind neben Klimaschutz und dem Erhalt der biologischen Vielfalt, die umweltpolitischen Herausforderungen für die kommenden Jahre. Von Seiten der österreichischen Landwirtschaftspolitik wird seit dem EU-Beitritt eine klare  Strategie angewendet: Gesetzliche Umweltauflagen  in der Landwirtschaft eher niedrig zu  halten und Umweltleistungen in der Landwirtschaft über das Agrarumweltprogramm ÖPUL abzugelten. So werden jährlich rund 440 Mio. Euro für Agrarumweltleistungen und Klimaschutz in der Landwirtschaft aufgewendet. Die Finanzmittel stammen zur Hälfte aus dem EU-Topf, die andere Hälfte wird national kofinanziert. Weit mehr an Fördergeldern wird für Direktzahlungen ohne konkrete Umweltleistung ausgegeben. Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen setzen sich  dafür ein, die Steuergelder nur mehr für eine umweltfreundliche Landwirtschaft zu verwenden. Allerdings werden die derzeitigen Vorschläge für eine insgesamt umwelt- und klimafreundlichere Agrarförderpolitik seitens der EU-Kommission von einem Großteil den Mitgliedstaaten und konservativen Kräften im Europäischen Parlament abgelehnt. Umso wichtiger ist es, auf nationaler Ebene Maßnahmen zu setzen, damit die Umwelt nicht unter die Räder kommt. Wir setzen uns für strengere gesetzliche Auflagen und ein besseres Umweltprogramm ein. Denn die Umwelt lässt sich nicht überlisten.