Schwerpunkt

Fleischkonsum

Klimawandel auf dem Teller

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ÖsterreicherInnen sind wahre Fleischtiger. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern häufen wir uns überdurchschnittlich viel Fleisch auf unsere Teller: Laut Statistik Austria nämlich nicht weniger als 39 kg Schwein, je 12 kg Rindfleisch und Geflügel und etwa zwei Kilogramm sonstiges Fleisch im Jahr. Das lässt nicht nur das Gesundheitssystem schlucken, das mit den Folgen des zu hohen Fleischverzehrs zu kämpfen hat. Unser Fleischkonsum ist im wahrsten Sinne des Wortes auch schwere Kost für Mutter Erde. 

Rund ein Viertel unseres ökologischen Fußabdruckes – das heißt der Fläche unseres Planeten, die wir zur Befriedigung unserer Bedürfnisse verbrauchen – ist auf unsere Ernährung zurückzuführen (siehe Grafik). Den Großteil davon – nämlich rund 80 Prozent – macht dabei der Konsum von tierischen Produkten wie Eier, Milch und Fleisch aus. Sowohl was den Flächenverbrauch als auch was die Treibhausgasemissionen betrifft, sind Schnitzel & Co. wahre Schwergewichte. 

So beansprucht die Erzeugung eines Kilogramms Rindfleisch in Deutschland etwa 27 m² an Fläche, ein Kilogramm Schweinefleisch knappe 9 m² und ein Kilogramm Geflügel schlägt auch noch mit 8 m² zu Buche. Im Gegenzug dazu sind pflanzliche Produkte flächenmäßige Platzsparer: Für ein Kilogramm Erdäpfel benötigt man gerade einmal 0,25 m². Ähnliche Werte können auch für Österreich angenommen werden. 

Vor allem die Produktion der Futtermittel nimmt enorme Flächen in Anspruch. Global betrachtet wird ein Drittel der gesamten Landoberfläche der Erde von der Tierhaltung beansprucht – Tendenz steigend. Schon lange können Industriestaaten ihren Ressourcenbedarf nicht mehr mit der eigenen landwirtschaftlichen Fläche decken, sondern nehmen Flächen außerhalb ihrer Grenzen in Anspruch. Die EU beispielsweise ◊importiert“ durch eingeführte Agrarrohstoffe umgerechnet 30 Millionen Hektar Agrarland. Das entspricht in etwa der Fläche von Ungarn, Portugal, Belgien und den Niederlanden zusammen. Fast die Hälfte dieser Agrarfläche entfällt auf Sojaprodukte aus Ländern wie Brasilien, Argentinien und Paraguay. In diesen Ländern gehen durch die rücksichtslose Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen jährlich riesige Gebiete an wertvollen Regenwäldern oder waldreichen Savannen wie der Cerrado für immer verloren. Dadurch wird der Klimawandel vorangetrieben und werden zusätzlich einige der artenreichsten Lebensräume der Welt, Heimat von so seltenen Arten wie Jaguar, Ara oder Riesenotter, zerstört. 

Doch die dramatischen Konsequenzen sind nicht nur ökologischer Natur: Nicht selten wird in den betroffenen Regionen die lokale Bevölkerung von dem Boden verdrängt, der sie ernährt und ihr als Einkommensgrundlage dient. Eine Studie des WWF Deutschland zeigt auf, dass ein Deutscher im Jahr umgerechnet 2.900 m² Fläche für seinen Jahresbedarf an Agrarprodukten beansprucht. Expert­Innen gehen davon aus, dass die wachsende Weltbevölkerung schon bald mit weniger als 2.000 m² Landwirtschaftsfläche pro Kopf auskommen muss – geht man von einer global gerechten Verteilung aus. 

Klimawandel auf dem Teller

Doch damit nicht genug: Ähnlich dramatische Berechnungen lassen sich für die Treibhausgasbilanz unserer fleischbetonten Ernährung aufstellen. Der Konsum von Fleisch, insbesondere von Rindfleisch, vergrößert den Klimafußabdruck der eigenen Ernährung massiv. Verantwortlich dafür sind die entlang der Prozesskette frei werdenden Emissionen – die so genannten direkten Emissionen. Dazu gehören unter anderem Treibhausgase aus dem Energieeinsatz, Lachgas-Emissionen durch anorganische und organische Stickstoffdüngung und Methan-Emissionen durch die Verdauung der Wiederkäuer. Die beiden letzteren sind wahre Klimawandel-Booster: Methan wirkt beispielsweise 21-mal stärker auf die Klimaveränderung als CO2 und Lachgas sogar 310-mal stärker. 

Hinzu kommen all die Emissionen, die durch Transport, Verarbeitung des Fleisches sowie die Verpackung und Kühlung entstehen. Einen oft unterschätzten Anteil hat auch der Transport der Produkte vom Verkaufsort bis in die eigene Küche. Besonders, wenn für wenige Kilogramm Lebensmittel 1.500 Kilogramm Auto bewegt werden. Alles zusammengerechnet, setzen Menschen in Europa allein durch die Ernährung stolze zwei Tonnen CO2-Äquivalente Treibhausgase pro Jahr frei. Um das in Relation zu setzen: Insgesamt – also für alle Bereiche unseres Lebens samt Mobilität, Wohnen und Konsum anderer Güter – benötigt ein Österreicher pro Jahr ca. zehn Tonnen CO2-Äquivalente.

Oder, um in Bildern zu sprechen: Die Emissionen unseres durchschnittlichen Jahresfleischkonsums kann man mit den Emissionen einer 1.900 km langen Autofahrt vergleichen. Das entspricht ungefähr einer Strecke von Wien nach Moskau. Und dabei sind hier bis jetzt nur die direkten Treibhausgasemissionen eingerechnet. 

Je mehr Nahrungsmittel benötigt werden, desto mehr Ackerland wird gebraucht. Wie bereits dargelegt, werden dafür nicht selten Regenwälder oder andere artenreiche Lebensräume zerstört. Die Emissionen, die durch diese Landnutzungsänderung ausgestoßen werden, erhöhen die Klimabelastung um ein Vielfaches, weil der in der Biomasse gebundene Kohlenstoff als CO2 in die Atmosphäre entweicht. Expertenmeinungen zufolge machen die Emissionen, die durch Landkonversionen entstehen, immerhin zehn bis zwölf Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen aus. Sehr kleine Änderungen in unseren Ernährungsgewohnheiten, etwa die Zunahme des Fleischkonsums um ein paar Kilo mehr pro Kopf und Jahr, kann so dazu führen, dass am anderen Ende der Welt Wald gerodet und neue landwirtschaftliche Flächen erschlossen werden müssen.

Heißt das nun, dass wir uns vom Schnitzel verabschieden müssen und uns künftig von Karotten und Erbsen ernähren sollen? Diktierter Vegetarismus? Die Antwort: Nein. Es geht nicht darum, dem Fleisch völlig den Rücken zuzukehren, sondern es weniger und bewusster zu konsumieren. Immerhin essen wir heutzutage ungefähr viermal so viel Fleisch wie noch 1850 oder doppelt so viel wie vor 100 Jahren. Heute kaum mehr zu glauben: Noch vor 160 Jahren lag der Verzehr von Fleisch und Hülsenfrüchten gleichauf. Mittlerweile essen wir ungefähr 150-mal mehr Fleisch als Bohnen, Linsen & Co. 

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Qualität statt Quantität

Deswegen ist die Devise Qualität statt Quantität: Einmal weniger zum Steak greifen und sich dafür das Biorind aus der Region gönnen statt Massenware aus Argentinien. Das gilt auch für Schweinernes: ein Kilogramm Demeter-Schwein schlägt klimabilanzmäßig nur noch mit 1,5kg CO2-Äquivalenten zu Buche – das entspricht etwa der Hälfte eines konventionellen Produkts. 

Studien zeigen, dass bereits ein fleischloser Tag pro Woche massive Auswirkungen hätte. Um wieder den Vergleich mit dem Auto zu strapazieren: Eine vierköpfige Familie müsste auf insgesamt 3.600 km Autofahrt verzichten, wollte sie den gleichen Klimaeffekt erzielen, wie ihn ein fleischfreier Wochentag hätte. 

Und nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere Gesundheit wird es uns letztendlich danken. So rät das Bundesministerium für Gesundheit in seiner Ernährungsempfehlung zu 300 bis 
450 Gramm fettarmem Fleisch oder Wurst pro Woche. Nimmt man den durchschnittlichen Fleischverzehr in Österreich als Basis, essen wir fast das Dreifache der empfohlenen Menge. Eine Reduktion wäre also für die Umwelt ein Vorteil und für den Menschen gesund.

Gesunde 
Ressourcenschonung

Neben der Rückkehr zum Schnitzel als Sonntagsessen bringt eine andere Verhaltensänderung auch enormes Potenzial bezüglich Ressourcenschonung: Weniger Lebensmittel wegwerfen! Die Fakten dazu sprechen für sich selbst: Die Lebensmittelverschwendung trägt weltweit dreimal so viel zum Klimawandel bei wie der Luftverkehr. Laut Zahlen der Welternährungsorganisation aus 2011 geht etwa ein Drittel der Lebensmittelproduktion ◊verloren“. Und obwohl Fleisch relativ gesehen weniger weggeworfen wird als beispielsweise Obst, Gemüse oder Backwaren, ist es hier aufgrund der Ressourcenintensität besonders ◊verschwendet“. Werfen wir ein Steak (200g) weg, verschwenden wir eine Ackerfläche, auf der 27 kg Kartoffeln hätten angebaut werden können – ganz zu schweigen von Energie, Land, Wasser und Futtermitteln, die umsonst eingesetzt wurden. 

Ein bisschen weniger und ein 
bisschen bewusster – vielleicht einmal mehr zu Gemüse und Obst greifen – damit wäre schon viel erreicht. Eine gesunde, fleischarme Ernährung ist gut fürs Wohlbefinden und das Klima. Von den fünf Portionen, die als Ernährungsempfehlung gelten, sind die meisten von uns – wenn wir ehrlich sind – doch noch ein bisschen entfernt. Wer die Umwelt schonen will, setzt am besten auf regional-saisonal-biologische Erzeugnisse, egal ob bei Fleisch, Obst oder Gemüse. Biologische Landwirtschaft reduziert die Treibhausgasemissionen, mit weniger Fleischkonsum kann man überdies die Klimabelastung schnell verringern. Das stärkt die heimische Regionalwirtschaft, erhält und schafft Arbeitsplätze.