Betrieb

Arbeit nach Corona – was bleibt von den Held*innen auf Zeit?

Innerhalb weniger Tage hat sich die Arbeitssituation vieler Arbeitnehmer*innen in Österreich stark verändert. Die Auswirkungen der angeordneten Schließungen ab dem 16.3.2020 treffen die überwiegende Zahl der Unternehmen hart. Die Zahl der Anträge auf Kurzarbeit und die Arbeitslosigkeit schnellten in nie zuvor da gewesener Geschwindigkeit nach oben. Lag die Zahl der Arbeitslosen Mitte März 2020 noch bei durchschnittlich 3 Prozent unter dem Wert des Vorjahres, erhöhte sich der Bestand der arbeitslos vorgemerkten Personen sprunghaft und täglich. Am 30. März 2020 stieg die Zahl der arbeitslosen Personen im Vergleich zum Vorjahresmonat um + 65,7 Prozent an (über 504.3300 Personen). Mehrere Studien zeigen, dass die Art wie sich die Arbeitssituation verändert hat, eng mit dem Einkommen und dem Bildungsstand der Beschäftigten verknüpft ist.

Beide Studien zeigen, dass einkommensschwache und bildungsferne Gruppen häufiger von Kurzarbeit betroffen sind. Auch Arbeitslosigkeit betrifft diese Gruppe am häufigsten. All jene also, die bereits zuvor über weniger Einkommen verfügten, wurden von der Krise am härtesten getroffen. Werden hierzu keine Gegenmaßnahmen getroffen, verfestigt und verstärkt sich die bestehende Ungleichheit. 

Laut dem AMS sind vor allem Personen mit Pflichtschulausbildung von der Arbeitslosigkeit betroffen: 44 Prozent der im April 2020 arbeitslos gemeldeten Personen gehören dieser Gruppe an. Wohingegen Personen mit akademischer Ausbildung nur 7 Prozent ausmachen. 

Arbeitslosigkeit betrifft beide Geschlechter in ähnlicher Weise, wobei je nach Bereich natürlich Unterschiede bestehen. Laut einer aktuellen Studie des WIFO unterscheiden sich die Zahlen beim Blick auf die formalen Bildungsabschlüsse der Betroffenen. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit von Männern betrifft eher den Bereich der Geringqualifizierten, wohingegen bei den Frauen eher die höher Qualifizierten betroffen sind. 

Kurzarbeit 

Während sich die eine Gruppe mit dem Arbeitsplatz zu Hause arrangieren muss, fürchten andere um ihre Jobs. Die von den Sozialpartnern vereinbarte Kurzarbeitsbeihilfe ermöglicht es den Unternehmen, die unter der Krise und den damit verbundenen wirtschaftlichen Einbrüchen leiden, die Arbeitnehmer*innen in Beschäftigung zu halten. Die Arbeitszeit wird für einen befristeten Zeitraum herabgesetzt und die Beschäftigten erhalten trotzdem zwischen 80 Prozent und 90 Prozent ihres Bruttoeinkommens. Der Arbeitgeber erhält vom AMS die Kosten für die Ausfallstunden gemäß festgelegter Pauschalsätze ersetzt. Die Mittel dafür wurden von der Regierung mehrmals aufgestockt.

Spitzenreiter ist hier der Handel, aus dem 23 Prozent der Kurzarbeitsanträge stammen. Aus dem Gastgewerbe und Beherbergung wurden 12 Prozent und aus der Bauwirtschaft 11 Prozent Kurzarbeitsanträge gemeldet (Stand 14.4.2020).

Zählt man die Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen zu den von Kurzarbeit betroffenen Arbeitsplätzen Ende April, so sehen sich über 1,7 Millionen Menschen mit einer der wohl härtesten Auswirkungen des Lockdowns konfrontiert.

Systemrelevante Arbeit ist mehr wert

Die vielen Lieferant*innen, Pfleger*innen, Verkäufer*innen und Erntehelfer*innen sind nur einige wenige jener Beschäftigten, die auch während der Corona-Krise „normal“ weiterarbeiteten, um die Versorgung zu sichern. In einer Zeit, in der ein Virus die Gesundheit und das Leben gefährden, arbeiten diese Menschen unter Gefährdung ihrer eigenen Gesundheit für uns alle. Zu Recht werden sie als „Held*innen des Alltags“ bezeichnet und mit tagtäglichem Applaus gewürdigt.

Die „neue Normalität“ unterscheidet sich freilich von der alten: Plexiglasscheiben, Nase-Mund-Masken und Handschuhe gehören in dieser Zeit zur Grundausrüstung der Beschäftigten im Handel. Das von der GPA-djp initiierte „Corona-Schutzpaket“ für die Beschäftigten im Handel wurde rasch umgesetzt. 

Beinahe alle großen Supermarktketten haben an ihre Beschäftigten Prämien ausbezahlt. Ein kleines Danke für deren Einsatz während des Ansturms in den Lebensmittelgeschäften der ersten Tage.  Die KV-Verhandlungen für den Handel beginnen im Herbst 2020 und auch dort sollte die Dankbarkeit finanziell spürbar sein. Wird sich die Dankbarkeit beim nächsten Gehaltszettel oder der nächsten Kollektiv-Vertragsverhandlung bemerkbar machen?

Rückschritt durch Einschnitt

Während der Corona-Krise sind viele der Arbeitnehmer*innen in diesem Bereich weiter zur Arbeit gegangen. In der 24 Stunde Pflege mussten sogar Arbeitnehmer*innen aus dem Ausland eingeflogen werden, um den Kollaps des Systems zu vermeiden. So verschiedenartig die Arbeitsbereiche im Gesundheits- und Sozialwesen sind, so verschieden sind auch die Beschäftigungssituationen während der Corona-Krise. Visier und Plexiglasscheiben sind naturgemäß nicht überall möglich. Die Versorgung mit Schutzausrüstung hat aber im Großen und Ganzen gut funktioniert, da in vielen Bereichen Hygiene auch vor Corona bereits ein wichtiges Thema war.

Eva Scherz, Chefverhandlerin der GPA-djp, ist zufrieden. Die Umsetzung der Maßnahmenhaben gut funktioniert und es hatte sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat auch in einer Krise gut läuft. 150 Einrichtungen aus 90 Organisationen arbeiten derzeit in Kurzarbeit. Dies betrifft vor allem den Bereich der Kinderbetreuung, die mobilen Dienste, Tagesbetreuungseinrichtungen sowie Fahrtendienste und den Therapiebereich. 

Da Tagesbetreuungseinrichtungen wegfallen, ist die Arbeit in Bereichen wie dem Wohnungslosen-, Kinder-, Jugend- und Flüchtlingsbereich sowie dem Behindertenbereich mehr geworden und muss rund um die Uhr stattfinden. Es zeigt sich, dass die Ehrenamtlichen und die Angehörigen in diesen Bereichen, die nun während der Krise nicht mitarbeiten konnten, vielfach fehlen, weswegen die Belastung bei den Pfleger*innen steigt.

Wohl gemerkt eine Berufsgruppe, deren Einstiegsgehalt laut dem aktuellen Kollektivvertrag (diplomierte Pfleger*innen (DGKP): brutto 2.393,50 Euro und für Pflegeassistent*innen brutto 2.078,80 Euro) nur geringfügig über der Armutsgrenze liegt (1-Personen-Haushalt 1.259 Euro; 1 Erwachsener + 1 Kind: 1.636 Euro). 24-Stunden-Pfleger*innen arbeiten auf selbstständiger Basis mit Gewerbeschein, für sie gilt kein Kollektivvertrag und somit auch kein Mindestgehalt. 

Als Dank für das Arbeiten an der vordersten Front konnte im Rahmen des KV-Abschlusses eine steuer- und sozialversicherungsfreie Sonderprämie in Höhe von 500 Euro vereinbart werden. Wichtig ist die Frage, betont Eva Scherz, wie viel diese Arbeit uns als Gesellschaft wert ist. „Momentan ist sie uns noch nicht genug wert“, so Scherz. Das unser Pflegesystem nur durch komplizierte bilaterale Verhandlungen und durchs Einfliegen von ausländischen Pflegekräften vor dem Kollaps gerettet werden kann, ist ein Zeichen für ein System, das einer dringenden Reform bedarf. Eine Studie des Sozialministeriums hat festgestellt, dass bis 2030 in diesem Bereich zusätzlich 31.400 Personen benötigt werden. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen – mehr Geld und eine kürzere Arbeitszeit – würde den Bereich für Arbeitnehmer*innen attraktivieren. Auch müsste eine konsequente Aufschulung der Pfleger*innen gemacht werden, da viele engagierte Heimhilfen an der Sprache (B2 für Pflegeassistenz) scheitern, erklärt Eva Scherz. Die Bedeutsamkeit des Bereichs für unser alltägliches Leben hat sich in dieser Corona-Krise deutlich gezeigt und sollte nicht vergessen werden!

Die Frage ist, wie lange dieses Gefühl der Dankbarkeit im gesellschaftspolitischen Diskurs erhalten bleibt. Verfliegt es so schnell, wie das allabendliche Klatschen verhallt? Lässt uns die „neue Normalität“ vergessen, auf wen wir uns in der Krise stützen konnten? Nicht nur die Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst werden zeigen, ob und wie sich die große Dankbarkeit in Zahlen messen lässt. Es geht dabei um nicht weniger als um die Verbesserung der Arbeitssituation für die vielen Personen, die unser System in Zeiten der Krise am Laufen halten.