Leben

Konsum – alles neu oder weiter wie gehabt? 

Insbesondere der Lockdown schränkte kurzzeitig die Kaufmöglichkeiten im Geschäft abseits von Gütern des täglichen Bedarfs komplett ein. Es folgte ein allgemeiner Kaufrückgang: Mehr Geld im Vergleich zum Vorjahr wurde nur in den Bereichen Gartengestaltung, Gesundheit und Lebensmittel ausgegeben, in allen anderen Bereichen überwog die Zurückhaltung – besonders bei Urlaub, Kultur und Gastronomie. Die weiterhin bestehende Ansteckungsgefahr führte zu Änderungen von Kauf-mustern – der Online-Handel erlebte einen Boom.

Veränderte Lebensumstände…

Durch die angespannte wirtschaftliche Situation verloren viele Menschen ihren Arbeitsplatz oder waren bzw. sind noch in Kurzarbeit. Das hat Auswirkungen auf die Finanzen: Konsumkredite und Kontoüberziehungen sind gestiegen, viele Menschen müssen bei ihren Haushaltsausgaben zu-rückstecken oder bemerken Geldeinbußen durch die Krise. Im Bereich der Mobilität änderte sich einiges – es wurden mehr Fahrräder verkauft, Kurzarbeit und Homeoffice führten zu einem vorübergehend starken Rückgang des Autoverkehrs und durch die Reisebeschränkungen ist auch der Flugverkehr auf ein Minimum gesunken.

…führten zur Reflexion

Diese erzwungenen Umstände haben Konsument*innen zum Nachdenken über ihr eigenes Konsumverhalten gebracht: Viele Österreicher*innen wollen künftig stärker auf Regionalität und/oder österreichische Herkunft achten, gerade bei Lebensmitteln ist dies erkennbar, auch beim Online-Shopping 
wird verstärkt darauf geachtet. Weiters wollen Konsument*innen künftig auf Nachhaltigkeit und Langlebigkeit bei Produkten schauen. Auf Prestige- und Luxusmarken kann hingegen die überwiegende Mehrheit verzichten. Der Urlaub wird – sofern nicht gänzlich darauf verzichtet wird (immerhin 37 Prozent) – regionaler verbracht. Gründe dafür liegen nur zum Teil in Ansteckungsrisiken und Reiseeinschränkungen, die Landschaft oder Unterstützung für heimische Betriebe sind ebenso Faktoren für die Destinationswahl. 

Eine längerfristige Konsumreduktion auch im Hinblick auf den Klimaschutz kann sich die Hälfte der Befragten laut einer Studie der BOKU vorstellen. Zirka 80 Prozent empfanden die erzwungene Konsumreduktion dabei als wiedergewonnene Freiheit und Entlastung. Aus gesellschaftlicher Perspektive hat der große Einschnitt daher auch seine positiven Seiten. In den letzten Jahren ist verstärkt ein Überdruss am Konsumüberangebot erkennbar, viele leiden unter dem sozialen Druck, der durch Konsum und ständig neue Angebote ausgelöst wird. Positive ökologische Effekte durch Konsumreduktion zeigte schon eine 2019 veröffentlichte Studie des European Environmental Bureau auf: Eine um ein Jahr längere Nutzungsdauer von Haushaltsgeräten innerhalb der EU bis 2030 würde einem verringerten CO2 Ausstoß von umgerechnet jährlich zwei 
Millionen Autos entsprechen. Die Reduktion von Auto- und Flugverkehr wirken natürlich ebenso positiv auf die CO2 Bilanz. Der massive Schub im Bereich der Digitalisierung und dessen Auswirkungen müssen noch untersucht werden – fraglich ist z.B., welche Rebound-Effekte durch vermehrtes Streaming oder Paketzustellung entstanden sind.

Die Minimalismus-Bewegung, die auf weniger Besitz von Dingen setzt, ist in einigen Teilen der Gesellschaft populär, dieser Trend ist aber von einem mehrheitsfähigen Lebensstil weit entfernt. Es ist jedoch erkennbar, dass das Ausmaß unserer derzeitigen Konsumweise weder gesellschaftlich noch ökologisch optimal ist. 

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Langfristiger Trend? Was die Politik tun kann und muss

Im Sinne des „guten Lebens für alle“ braucht es eine sozial-ökologische Transformation, wozu auch eine veränderte Konsumweise gehört. Die aktuellen Einschnitte im Lebensalltag der Menschen bieten Gelegenheit dafür, diese zu verändern. Die oben angeführten Umfragen zeigen eine prinzipielle Bereitschaft der Konsument*innen dafür. Die Verantwortung darf jedoch nicht den Konsument*innen alleine überlassen werden. Erstens kann es zu unerwarteten Rebound-Effekten kommen, zweitens zeigen soziologische Studien, dass neue Wertvorstellungen alleine nicht unbedingt zu einem anderen Handlungsmuster führen. 

Handeln ist immer eingebettet in gesellschaftliche Strukturen und zeichnet sich durch eingeübte und ritualisierte Handlungsabläufe im Alltag aus, die Änderungen gegenüber sehr resistent sind. Nur durch Veränderung der Rahmenbedingungen und unterstützende Maßnahmen wird daher die Chance bestehen, langfristige Transformation einzuleiten und zu erhalten. Diese Bedingungen muss die Politik schaffen, auf kommunaler, nationaler und europäischer Ebene. Einen Rahmen dafür bieten u.a. der Grüne Deal und das neue Paket zur Kreislaufwirtschaft. Daher ist es wichtig, diese Strategien nicht aufgrund der COVID-19 Krise hintanzustellen, sondern diese gerade deswegen umso ambitionierter umzusetzen. Die Konsument*innen wären dazu bereit.