Editorial: Industrie – Chance

Auf nationaler und europäischer Ebene erlebt die Industrie eine Renaissance – zumindest auf dem Papier. Es wird von einer „neuen Industriepolitik“ gesprochen, gleichzeitig werden jedoch Energiekosten und strenge Umweltauflagen nach wie vor als Gefahren für den Standort identifiziert. Länder wie Österreich, mit einem noch immer beachtlichen Industrieanteil, haben die jüngste Wirtschaftskrise besser überstanden als andere. Windige Finanzprodukte haben an Glanz verloren. Man besinnt sich wieder darauf, dass die realwirtschaftliche Produktion eine bedeutende Rolle für den Wohlstand und die Stabilität einer Volkswirtschaft spielt und für hochwertige Arbeitsplätze sorgt. Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung und industrielle Produktion sind nicht unvereinbar, das zeigt auch ein Blick in die jüngere Geschichte. Die Erfahrungen mit durch die Industrie verursachten Umweltbelastungen haben zu strengeren Regeln, aber auch wichtigen Innovationen geführt, die sowohl Arbeitsplätze sicherer und gesünder, Flüsse und Luft sauberer als auch die Produktion effizienter und ressourcensparender gemacht haben. Auch für Österreichs Industrie können Umwelt- und Klimaschutz erneut zum Wachstumsmotor werden, wenn dabei wesentliche Pfeiler unseres Wirtschaftssystems nicht unter die Räder kommen. Dazu gehört in jedem Fall eine funktionierende Sozialpartnerschaft, die auch den ArbeitnehmerInnen einen fairen Anteil an der Wirtschaftsentwicklung garantiert und dafür sorgt, dass eine hohe Kaufkraft im Inland die Binnennachfrage belebt. Dazu gehört aber auch, einen weiteren Ausverkauf industrieller Schlüsselunternehmen oder zentraler öffentlicher Unternehmen als verlässlicher Auftraggeber der Industrie zu verhindern. Die Industrie hat auch in hochentwickelten Staaten wie Österreich Zukunft, wenn sie auf nachhaltiges, qualitatives Wachstum und hochwertige Arbeitsplätze setzt. Das Innovationspotenzial der Industrie ist für eine nachhaltige Gesellschaft unverzichtbar, aber nicht hinreichend für ein notwendiges neues globales Entwicklungsmodell.