AK-Studie: Wer bestimmt das Umweltrecht? Privat statt Staat?

Im demokratischen Rechtsstaat erlässt das Parlament die Gesetze, die Verwaltung vollzieht sie – soweit die verfassungsgesetzlichen Vorgaben in Österreich. Das klassische Verwaltungsmodell verändert sich aber beständig; derzeit hin zu einem post-demokratischen Modell von Rechtssetzung und -vollziehung durch private Akteure im Europäischen Verwaltungsverbund. In den 1990er Jahren wurden Verwaltungseinheiten in private Aktiengesellschaften oder GmbHs umgewandelt. Anlass war oft der Beitritt Österreichs zur EU. 

Rechtsprivatisierung

Der Staat hat sich in private Organisationsformen gekleidet. Die intensive Phase der Organisationsprivatisierungen ist vorbei. Das seit mehr als zehn Jahren nun verstärkt auftretende Phänomen der „Erzeugung allgemein verbindlicher Verhaltensregeln durch Private“ könnte man als Rechtsprivatisierung bezeichnen. Der Private macht die Regeln, der Staat erklärt sie für verbindlich. Das AK-Projekt „Privatisierung der Rechtsetzung“, das unter Federführung der Abteilung Betriebswirtschaft von mehreren Abteilungen in der AK interdisziplinär für mehrere Themenbereiche (Corporate Governance, Datenschutzrecht, Normung, Regulierung und Umweltrecht) verfolgt worden ist, will für dieses Thema sensibilisieren. Für das Umweltrecht, das sich in vielfältiger Weise an Unternehmen richtet und damit ihre Rahmenbedingungen gestaltet, ist das Zusammenspiel zwischen staatlichen und privaten Akteuren von besonderer Bedeutung. Die Ausweitung der Rechtssetzung Privater lässt sich im Bereich des Umweltrechts in vielfältiger Weise beob­achten. Dabei kommt der EU für die rechtliche Verlagerung von Entscheidungskompetenz auf Private besondere Bedeutung zu. Der Einfluss Privater auf europäische und staatliche Rechtssetzung erfolgt im Rahmen komplexer Prozesse des Zusammenwirkens unterschiedlicher europäischer, innerstaatlicher und privater (trans)nationaler Akteure. Diese Tendenzen zeigen sich auch in der 2011 in Kraft getretenen Industrieemissionsrichtlinie (IE-RL), die sich der „integrierte[n] Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung infolge industrieller Tätigkeiten“ widmet. 

Zentraler Bestandteil der IE-RL ist die Erstellung von „Besten Verfügbaren Techniken“ (BVT) in Form von Merkblättern und Schlussfolgerungen, die rechtliche Vorgaben für Anlagengenehmigungsverfahren schaffen. Hinterfragt man den Prozess der Erstellung dieser BVT auf seine demokratische Legitimation, so zeigt sich, dass die Involvierung des EU-Parlaments bei der rechtlichen Formalisierung der Schlussfolgerungen gering ausfällt. Die Schlussfolgerungen basieren auf Merkblättern, die in einem intransparenten Rahmen – eingebettet in eine Einrichtung der Wissenschaftsverwaltung der EU-Kommission – in „Technischen Working Groups“ (TWG) erarbeitet werden. Industrievertreter sollen daran teilnehmen, ihr konkreter Einfluss bleibt aber verdeckt.

„Selbstkontrolle“?

Was die innerstaatliche Umsetzung der IE-RL in Österreich betrifft, sehen die AutorInnen kritisch, wo der österreichische Gesetzgeber – anstelle von klassischer behördlicher Kontrolle von umweltgefährlichen Anlagen – auf die Selbstkontrolle durch den Anlageninhaber setzt.