Schwerpunkt

Problemstoff Plastik

Wie gefährlich ist Mikroplastik?

Plastik gehört seit etwa 1950 zum menschlichen Alltag. 8,3 Milliarden Tonnen wurden seit Erfindung der Kunststoffe in Umlauf gebracht. Aber wer hätte je gedacht, Plastik bis hin zu ganz winzig kleinen Plastikteilchen in der ganzen Umwelt zu finden. In den Meeren und Flüssen, auf Gletschern, selbst in Schneeflocken der Arktis wurden sie bereits nachgewiesen. Eine ganz aktuelle Untersuchung kommt zu einem, sehr überraschenden Ergebnis: In den Meeren findet sich weit mehr Mikroplastik als bisher angenommen. In den oberen Wasserschichten des zweitgrößten Ozeans fanden die Forscher*innen zwölf bis 21 Millionen Tonnen Mikroplastik. Sie untersuchten dabei nur drei der am häufigsten produzierten Kunststoffe was nur den einen Schluss zulässt: Es befindet sich noch viel, viel mehr an Mikroplastik in den Ozeanen. Welche Auswirkungen all diese Erkenntnisse auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben könnten, darüber gibt es noch kaum Studien. Viele der Forschungen konzentrieren sich darauf, erst einmal das Ausmaß der Plastik- und Mikroplastikflut zu erfassen. 

Was ist Mikroplastik und wie gelangt es in die Umwelt?

Meist werden als Mikroplastik winzige Kunststoffteilchen bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter sind. Dabei wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik unterschieden. Primäres Mikroplastik wird extra hergestellt und vor allem in Kosmetikartikeln, Zahnpasta, Duschgel oder in Reinigungsmitteln verwendet. Sekundäres Mikroplastik entsteht, wenn größere Kunststoffteile durch Sonne, Wasser oder Reibung zerfallen. So gelangt der Großteil des Mikroplastiks in die Umwelt. Aber auch das primäre Mikroplastik darf in seinen Umweltwirkungen nicht unterschätzt werden. Es gelangt vor allem über Reifenabtrieb, Waschen von synthetischer Kleidung oder über Kosmetikprodukte in die Umwelt. Hersteller müssen bislang nicht angeben, ob ihr Produkt Mikroplastik enthält. In Frankreich, Schweden und Großbritannien ist Mikroplastik in Kosmetika bereits verboten. 

Grafik_SP2.jpg

Wie gefährlich ist Mikroplastik für Menschen …

Die langfristigen Folgen sind derzeit nicht abschätzbar, denn die Datenlage dazu ist noch sehr dünn und der Forschungsbedarf groß. „Ob und inwieweit Mikroplastik negative gesundheitliche Effekte verursacht, hängt von verschiedenen Faktoren ab: von der Art der Aufnahme, der Größe der Partikel und den Chemikalien, die im Kunststoff enthalten sind oder an seiner Oberfläche haften“, sagte Dr. Sabine Cladrowa vom Umweltbundesamt in einer Aussendung der AK Niederösterreich von 2017. Mikroplastik kann über das Trinkwasser oder über Muscheln, kleine Meerestiere und Süsswasserfische aufgenommen werden. Sogar im Honig und im Salz wurden die mikroskopisch kleinen Plastikteile gefunden. Daher hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 50 Studien über Mikroplastik in Trinkwasser aus der Leitung und aus Flaschen ausgewertet und die gesundheitlichen Risiken für den Menschen untersucht. Das Ergebnis der WHO-Expert*innen stimmt vorerst zuversichtlich: Die derzeit gefundenen Mengen an Mikroplastik im Trinkwasser scheinen kein Gesundheitsrisiko darzustellen. Die WHO geht davon aus, dass Mikroplastikpartikel über 0,15 Millimeter vom menschlichen Körper wieder ausgeschieden und noch kleinere Partikel nur in geringen Mengen aufgenommen werden. Allerdings schließt die WHO nicht aus, dass sich Nanoplastikpartikel (Plastikteilchen unter 1/1000mm Durchmesser) weiträumiger im menschlichen Körper verteilen als die größeren Mikroplastikpartikel und im Gegensatz zu diesen zu einem gewissen Anteil im Körper ablagern. Untersuchungen des Umweltbundesamtes unterstützen diese Vermutung. Es konnte bereits Mikroplastik im menschlichen Stuhl nachweisen. Zudem fanden amerikanische Wissenschafter*innen in Gewebeproben von Lungen, Nieren, Milz und Leber Plastikrückstände, wobei auch der Kunststoffzusatz Bisphenol A nachgewiesen wurde. Inwiefern sich diese negativ auf unsere Gesundheit auswirken könnten, muss noch untersucht werden. Die WHO geht nach derzeitigem Wissensstand nicht von Gefahren für die menschliche Gesundheit aus, ist sich aber bewusst, dass noch viel zu wenig Studien dazu vorliegen. 

Ein Blick auf Studien zu Mikroplastik im Trinkwasser, die das Umweltbundesamt auswertete, zeigt, dass Leitungswasser aus Grundwasser am wenigsten bzw. gar nicht mit Mikroplastik belastet ist. Leitungswasser aus Oberflächengewässer weist auch nur geringe Konzentrationen auf. Am ehesten wird Mikroplastik in abgefülltem Trinkwasser gefunden – am häufigsten wurde der Stoff Polyethylenterephthalat (kurz PET) nachgewiesen, was wohl auf einen Abbau der Plastikflasche hinweist. 

… und für die Umwelt? 

Kläranlagen helfen dabei, Mikroplastik zu filtern, damit es nicht über den Abfluss in die Umwelt gelangt. Allerdings kommt Klärschlamm oftmals als Dünger auf die Felder. Untersuchungen zeigen, dass über Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen Rückstände von Medikamenten, Antibiotika, hormonell wirksamen Stoffen oder auch Mikroplastik in die Umwelt ausgebracht und deren Abbauprodukte und Mikroteilchen in der Umwelt (Boden, Wasser) verteilt werden. EU-weite Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich zwischen 63.000 und 430.000 t Mikroplastik über den Klärschlamm in den Boden gelangen. Auch über Mulchfolien, Silageballenfolie und Bindematerial beim Obst- und Weinbau sind Eintragspfade von Mikroplastik in den Boden relevant. Welche Auswirkungen dies auf die Umwelt hat, ist bislang noch nicht erforscht. Aber selbst über die Luft können wir Mikroplastik einatmen. Schon etwas beängstigend. Es scheint, als könnten wir Mikroplastik kaum noch ausweichen. 

Was wäre zu tun?

Die EU hat mit ihrem Plastikverbot bei Plastiksackerln, Strohhalmen etc. einen wichtigen ersten Schritt gesetzt um die Plastikflut einzudämmen. Da aber so große Plastikmengen in die Umwelt gelangen, werden diese Verbote nicht ausreichen. Daher werden im zweiten Kreislaufwirtschaftspaket weitere Maßnahmen vorgeschlagen (siehe Artikel ab Seite 18). Ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten, Waschmitteln etc. solle schon fast fertig verhandelt sein, den Lead dabei hat die Europäische Chemieagentur ECHA. Aber Europas Kosmetikindustrie, die mit 80 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr die größte der Welt ist, hält dagegen und dürfte dabei erfolgreich sein. Die ECHA schlägt derzeit Übergangsfristen bis zu 6 Jahren vor, bevor ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika kommt. Mehr als 3.755 Tonnen Mikrokunststoffe aus Kosmetika belasten die Umwelt jedes Jahr, so die neuesten offiziellen Schätzungen. Solange es kein Verbot gibt, können Konsument*innen auf Kosmetikartikel und Waschmittel mit einem Umweltgütesiegel, wie etwa dem Österreichischen Umweltzeichen, dem EU-Ecolabel oder dem Blauen Engel zurückgreifen. Diese enthalten garantiert kein festes Mikroplastik. Auch das Verbot von Klärschlamm als Dünger wäre sinnvoll, um den Eintrag in den Boden zu vermeiden. Und weltweit wäre ein internationales Abkommen zur Plastikreduktion eine gute Sache. Aber ob das politisch erreichbar ist? Die USA planen ihre Plastikproduktion um 30 Prozent zu steigern und auch im asiatischen Raum tut sich wenig in Richtung Plastikreduktion –  also wohl ein etwas auswegloses Unterfangen. Da ist es wohl sinnvoller auf europäische Lösungen zu setzen, um anderen Ländern zu zeigen, wie Plastikreduktion und damit auch weniger Mikroplastik in der Umwelt möglich ist.