Schwerpunkt

Klima & Energie

Standortfaktor Energiepreise

Die im Vergleich zu den USA hohen Energiepreise in Europa wecken in vielen Menschen Befürchtungen, dass diese Preisunterschiede Europas Industrie und damit das europäische Wohlstandsmodell bedrohen könnten. Hat doch die aktuelle Finanzkrise gezeigt, dass Länder wie Österreich, die entgegen dem internationalen Trend auf eine starke und diversifizierte Industrie gesetzt haben, viel besser durch die Krise gekommen sind als Länder wie die USA oder Großbritannien, die den Finanzsektor aufgebläht und gleichzeitig deindustrialisiert haben. Was ist also dran an diesen Befürchtungen? Führen die hohen Energiepreise tatsächlich zu einer Deindustrialisierung Europas?

Erdgaspreise

Tatsache ist, dass die Erdgaspreise in Europa lange Zeit etwa gleich hoch oder sogar etwas niedriger waren als die Erdgaspreise in den USA. Tatsache ist auch, dass die Preise für Erdgas in Europa derzeit viel höher als die der USA sind. Ursache dafür ist die verstärkte Förderung von Schiefergas in den USA. Schiefergas bezeichnet dabei eigentlich normales Erdgas, welches in wenig durchlässigem Schiefergestein lagert und daher bislang schwer förderbar war. Durch die verstärkte Verbreitung und die dadurch ausgelösten Kostensenkungen bei aus Umweltgründen heftig umstrittenen Fördertechnologien wie Fracking, hat die Förderung von Schiefergas in den USA rasant zugenommen. Der Anteil an unkonventionellem Erdgas an der gesamten US-amerikanischen Fördermenge liegt daher bereits bei 60 Prozent. Obwohl sich die Preisunterschiede zwischen US-amerikanischem und europäischem Erdgas abschwächen werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Gaspreise in Europa mittelfristig etwa doppelt so hoch wie die in den USA bleiben.

Auswirkungen

Um nachzuvollziehen, welche Auswirkungen die hohen Energiekosten auf den Industriestandort haben, ist der Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten eines Industrieunternehmens von großer Bedeutung. Bei energieintensiven Industrieunternehmen entfallen etwa  15 Prozent der Produktionskosten auf Kapitalkosten. 20 Prozent entfallen auf Personalkosten und 55 Prozent auf Vorleistungen ohne Energie. Die verbleibenden zehn Prozent sind der Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten. Dies bedeutet nichts anderes, als dass, wenn ein Land doppelt so hohe Energiekosten hat, dieses Land unter der Annahme gleicher Kapital- und Vorleistungskosten, nur dann zu gleichen Kosten produzieren kann, wenn die Personalkosten die Hälfte betragen oder wenn die Produktivität um zehn Prozent höher ist. Beides scheint schwer realisierbar. Allerdings bedeutet dieses Resultat auch, dass die Energiepreise nur ein Faktor unter vielen anderen Standortfaktoren sind. In diesem Zusammenhang darf auch nicht vernachlässigt werden, dass hohe Energiepreise auch einen Innovationsanreiz für Unternehmen darstellen können, erhöhen diese doch den Anreiz in die Erforschung und Entwicklung neuerer und effizienterer Technologien zu investieren, was mittelfristig den Wohlstand steigert. Auch wenn die Frage, ob der Kosteneffekt oder der Innovationseffekt überwiegt, in der Wissenschaft umstritten ist, ist unbestritten, dass hohe Energiepreise zumindest für einige sehr energieintensive Unternehmen ein Problem darstellen. Damit, dass hohe Energiekosten gerade die Ärmsten besonders stark treffen, beschäftigt sich Dorothea Herzele im Beitrag ab Seite 21. 

Paradoxerweise ist aber nicht nur die Förderung von Schiefergas aus Umweltgründen umstritten, auch die Unterschiede in den Energiepreisen zwischen den USA und Europa sind kein rein wirtschaftspolitisches, sondern auch ein umweltpolitisches Problem. Führen doch die niedrigen Preise für Erdgas dazu, dass in den USA weniger Kohle verbraucht wird.  Dies führt aber dazu, dass der Weltmarktpreis von Kohle sinkt, was wiederum einen steigenden Kohleverbrauch in Europa bewirkt.  

Versucht man die gleiche Menge an Strom mit Kohle und mit Gas zu erzeugen, so verursacht die Verbrennung der Kohle etwa doppelt so hohe Treibhausgasemissionen. Außerdem sind Gaskraftwerke viel geeigneter in einem Energiesystem mit einen hohem Anteil an Sonnen- und Windstrom. Denn die Erzeugung von Strom aus Windrädern oder Photovoltaikanlagen ist wetterabhängig und schwankt daher sehr stark. Gaskraftwerke können aber deutlich schneller hochgefahren werden als Kohlekraftwerke und sind daher besser in der Lage wetterbedingte Schwankungen in der Erzeugung von erneuerbarer Energie auszugleichen. 

Gute Energiepolitik

Was soll also getan werden? Wie kann eine Energiepolitik ausschauen, die Wohlstand und Arbeitsplätze sichert ohne die Umwelt zu schädigen? Eine solche nachhaltige Energiepolitik sollte sich dafür einsetzen, dass die Gaspreise in Europa sinken. Eine Möglichkeit dies zu tun ist, die Infrastruktur zum Transport von US-amerikanischem Gas nach Europa gezielt auszubauen. Von den solcherart niedrigeren Energiepreisen würde nicht nur die Industrie, sondern auch alle KonsumentInnen, aber eben auch das Klima profitieren. Dies sollte mit einem gezielten und kosteneffizienten Ausbau der erneuerbaren Energien verbunden werden. Die ökologische Wirkung der Investitionen in die erneuerbaren Energien hängt dabei entscheidend davon ab, wie schnell diese wettbewerbsfähig werden, also auch ohne Subventionen Strom zu gleichen Kosten wie konventionelle Kraftwerke produzieren können. Daher sollten insbesondere die Technologien gefördert werden, die das größte Potenzial aufweisen, langfristig wettbewerbsfähig zu werden. Ein solcher Ausbau der erneuerbaren Energien muss außerdem so erfolgen, dass er den maximalen Klimaschutzeffekt erzielt. Das bedeutet, dass insbesondere die Technologien gefördert werden sollten, die mit der gleichen Förderhöhe am meisten Treibhausgasemissionen einsparen können. 

Energieeffizienz

Der Schlüssel, um Wohlstandssicherung und den Schutz der Umwelt zu verbinden, liegt aber in der Förderung der Energieeffizienz. Denn durch den solcherart niedrigeren Energieverbrauch werden nicht nur die KonsumentInnen entlastet, auch die Abhängigkeit der Unternehmen von den Energiepreisen wird reduziert.  Darüber hinaus profitiert natürlich auch die Umwelt vom geringeren Energieverbrauch. Dazu kommt, dass Energieeffizienzmaßnahmen sogar positive beschäftigungspolitische Auswirkungen haben. Führen Energieeffizienzmaßnahmen doch dazu, dass KonsumentInnen mehr Geld für andere Güter und Dienstleistungen ausgeben können, was wiederum Arbeitsplätze schafft.  Darüber hinaus haben Energieeffizienzmaßnahmen einen weiteren Vorteil: sie rechnen sich meist bereits nach kurzer Zeit und kosten daher kein Steuergeld. Energieeffizienz ist daher der Dreh- und Angelpunkt guter Energiepolitik. 

Nachhaltige Energiepolitik

Energiepolitik, die auf den gezielten und kosteneffizienten Ausbau der erneuerbaren Energien, den Ausbau der Transportinfrastruktur für Erdgas und vor allem auf mehr Energieeffizienz setzt, ist eine sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Energiepolitik. Konkret bedeutet eine solche Politik eine für die Haushalte leistbare und sichere Energieversorgung. Dabei sichert so eine nachhaltige Energiepolitik gezielt Arbeitsplätze und hilft den Wohlstand auszubauen und trägt dazu bei, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Umwelt zu schützen.