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Klima & Energie

Energiearmut: leider keine Seltenheit

Für Menschen, die von Armut bedroht sind, ist es keine Selbstverständlichkeit, jeder Zeit über Energie zu verfügen. Sie  können sich  grundlegende Energiedienstleistungen nicht oder kaum leisten: Wohnräume werden nicht ausreichend warm gehalten oder elektrische Geräte nur eingeschränkt genützt. Vielen fehlt das Geld für ein Auto, das aber im ländlichen Raum oft die einzige Möglichkeit ist, um beruflich mobil zu sein. Denn Energie ist nicht nur Voraussetzung für die Befriedigung von Grundbedürfnissen, sondern auch für die Teilnahme am modernen Leben.

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Eine allgemein anerkannte Definition für Energiearmut gibt es in Österreich nicht. Ebenso fehlt es an validen statistischen Zahlen über Personen, die von Energiearmut betroffen sind. Es liegen lediglich Daten der Europäischen Statistikbehörde (Eurostat) über die Menschen vor, die sich nicht leisten können, ihren Wohnraum angemessen warm zu halten: 2011 waren 219.000 Menschen in Österreich davon betroffen. In Großbritannien wird dann von Energiearmut gesprochen, wenn ein Haushalt mehr als zehn Prozent seiner Haushaltsausgaben für Wärme aufwenden muss. Einen umfassenderen Ansatz schlägt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (Amtsblatt der Europäischen Union 2011/C 44/09) vor: „Energiearmut bedeutet die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, seine Wohnstätte angemessen und zu einem korrekten Preis zu heizen sowie über weitere grundlegende Energiedienstleistungen wie Beleuchtung, Verkehr oder Strom für Internet und sonstige Geräte zu einem angemessenen Preis zu verfügen.“ Die Referenzwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für angemessene Beheizung sind eine Temperatur von 21°C im Wohnraum und 18°C in den weiteren Räumen.

Im Dreieck gefangen

Abseits von statistischen Zahlen spielt sich Energiearmut im Dreieck zwischen hohem Energieverbrauch, hohen Energiekosten und geringem Einkommen ab. Keine anderen Kostenarten verlaufen so eindeutig zu Lasten einkommensschwacher Haushalte wie Energiekosten: Laut Konsumerhebung 2009/2010 der Statistik Austria gibt die unterste Einkommensgruppe mit einem verfügbaren Einkommen  von monatlich weniger als 1.634 Euro für Energie pro Monat 8,2 Prozent aus (gemessen an den Gesamt-Haushaltsausgaben), die oberste Einkommensgruppe (mehr als 3.681 Euro) nur 3,4 Prozent.

Der höhere Energieverbrauch einkommensschwacher Haushalte ist oft die Folge von veralteten, stromintensiven Haushaltsgeräten und nicht von fehlendem Wissen oder Willen mit Energie sparsam umzugehen. Meist wohnen diese Menschen in thermisch schlecht isolierten Gebäuden und heizen mit alten, ineffizienten Heizungen. Obwohl  kaum geheizt und Strom gespart wird, bleibt die Energierechnung hoch. Energieeffizienzmaßnahmen  wie Investitionen in die Verbesserung der thermischen Effizienz des Gebäudes sind zu teuer und scheitern oft am Willen des Hauseigentümers – vorgeschoben wird das so genannte „Nutzer-Investor-Dilemma“:  Der Vermieter trägt die Kosten der Sanierung des Gebäudes, aber der Mieter/die Mieterin profitiert von dem geringeren Energieverbrauch und geringeren Energiekosten. Auf den ersten Blick ein durchaus nachvollziehbares Argument, aber ganz so einfach ist es nicht: Der Investor profitiert langfristig durch die Wertsteigerung des thermisch sanierten Gebäudes und der Vermieter hat – gemäß § 18 Mietrechtsgesetz  – unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Mieten zu erhöhen, um so notwendige Baumaßnahmen zu finanzieren.  

Die Kombination von hohem Energieverbrauch, geringem verfügbaren Einkommen und steigenden Energiepreisen führt rasch zum ökonomischen Engpass. Gerade bei den privaten Haushalten steigen Energiepreise stärker an, weil Preissenkungen auf der Großhandelsebene nicht oder nur teilweise an sie weitergegeben werden: So ist der Strompreis an der Börse in den letzten fünf Jahren um rund 40 Prozent gefallen, gleichzeitig sind die Haushaltspreise bei einzelnen Anbietern um bis zu 20 Prozent gestiegen. Auch im Gasbereich sind die Großhandelspreise um zwei Prozent gesunken, die Haushaltspreise aber bis zu 34 Prozent gestiegen.  Der internationale Vergleich bestätigt diese Schieflage:  Die Daten der Europäischen Statistikbehörde (Eurostat) zeigen auf, dass Österreichs Privathaushalte im EU-Vergleich überdurchschnittlich hohe Strompreise (ohne Steuern und Abgaben) zahlen. Die Industriepreise hingegen liegen im unteren Mittelfeld. Bei Gas ist es ähnlich: Auch hier sind die Netto-Preise für Industriekunden vergleichsweise günstig, während die Gaspreise für private Haushalte zu den teuersten in Europa gehören.

Mit den ersten Schwierigkeiten, die Energierechnung zu bezahlen, beginnt sich meist die Energiearmutsspirale zu drehen: Hohe Nachzahlungen, Vorauszahlungen und höhere Teilzahlungsbeträge für Strom und Wärme stellen für viele unüberwindbare finanzielle Hürden dar. Wer über einen längeren Zeitraum die Energierechnungen nicht zahlt, dem droht schlussendlich die Abschaltung. Die immer höhere Zahl der Betroffenen und Forderungen von Konsumentenschutzorganisationen, wie der AK, nach Schutzmaßnahmen führten schließlich zu einer besseren rechtlichen Absicherung von EnergiekonsumentInnen im Allgemeinen und zu Schutzmaßnahmen für einkommensschwache Haushalte im Besonderen. 2009 forderte die EU-Kommission im Rahmen des dritten EU-Energiebinnenmarktpakets erstmals die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen gegen Energiearmut zu ergreifen und für schutzbedürftige KundInnen („vulnerable customer“)  eine ausreichende Energieversorgung zu gewährleisten. 

Österreich hat diese Vorgaben im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) und im Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) umgesetzt.  Kernstück dieser Schutznormen ist das Recht auf Grundversorgung: HaushaltskundInnen, die sich gegenüber einem Strom- oder Gaslieferanten auf die Grundversorgung berufen, müssen mit Energie beliefert werden,  wobei der Tarif  nicht höher sein darf als jener, zu dem die meisten der HaushaltskundInnen dieses Lieferanten beliefert werden. Auch ist das Vorliegen von Altschulden kein Ablehnungsgrund. Sicherheitsleistungen sind nur in Höhe eines monatlichen Teilzahlungsbetrages erlaubt. Geraten KundInnen in der Grundversorgung in Zahlungsverzug, dann kann die drohende Abschaltung verhindert werden, indem sich die KundInnen einen Vorauszahlungszähler (Prepayment) installieren lassen. 

Aber die Schutzmaßnahmen scheinen nicht ausreichend zu wirken. Denn, so Christina Veigl-Guthann auf der Fachtagung „Armutsfalle Energie?“, es befinden sich derzeit österreichweit nur neun Haushalte in der Grundversorgung. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte einerseits fehlendes Wissen sein, andererseits sind diese Menschen oft  mit ihrem schwierigen Alltag überfordert. Umso wichtiger ist es, sie aktiv zu unterstützen: Ab 2015 sind alle größeren Energielieferanten gesetzlich dazu verpflichtet, eine Beratungsstelle für HaushaltskundInnen einzurichten, die auch gezielte Beratung zu Energiearmutsthemen anzubieten hat. Wien Energie hat bereits seit zwei Jahren eine Ombudsstelle für soziale Härtefälle eingerichtet. 

Benachteiligte Fern- und NahwärmekundInnen

Hingegen entzieht sich ein weiterer, wichtiger Bereich der Energieversorgung, nämlich jener mit Fern-/Nahwärme, gänzlich den besonderen Schutzbestimmungen im Energiebereich. Fern-/NahwärmekundInnen haben derzeit kein Recht auf die Grundversorgung mit Wärme. Kommt es zu Altschulden oder Zahlungsverzügen droht die Abschaltung, ohne Wenn und Aber. Während im regulierten Strom- und Gasbereich alle HaushaltskundInnen vor der Abschaltung drei Mal gemahnt werden müssen, wobei die dritte Mahnung in Form eines eingeschriebenen Briefes zu erfolgen hat (so genannte ◊qualifizierte Mahnung“), gibt es dafür im Fern-/Nahwärmebereich keine besonderen Bestimmungen. Dabei wäre dies gerade in diesem Bereich, wo den Versorgern eine de facto Monopolstellung zukommt,  besonders wichtig. Ist die Entscheidung für eine Wärmeversorgung über ein Fern-/Nahwärmenetz gefallen, gibt es danach keine technisch-wirtschaftliche Alternative die  Heizungsform zu wechseln. Vor allem im urbanen Bereich wird diese wesentliche Entscheidung in der Regel nicht von den WohnungsnutzerInnen getroffen, sondern  vom Bauträger. Die  WohnungsnutzerInnen müssen aber die Kosten tragen. Wird der Fern-/Nahwärmeanschluss wegen Zahlungsverzug abgeschaltet, greifen die meisten Betroffenen zum teuren Heizen mit Strom – das Schuldenkarussell beginnt sich zu drehen. Die Zahl jener, die potenziell davon betroffen sein könnten, ist groß: Denn 22 Prozent aller Wohnungen in Österreich werden mit Nah- /Fernwärme beheizt. Bei Gebäuden mit 20 und mehr Wohnungen liegt dieser Anteil sogar bei 48 Prozent. 

Handlungsbedarf

Erstmals wurde mit dem Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung (2013 bis 2018) in Aussicht gestellt, eine Verbesserung der Rechte der KonsumentInnen im Bereich der Nah-/Fernwärme in Analogie zu Strom und Gas zu überprüfen. Ein Schritt, der dringend erforderlich ist, denn für Fern-/NahwärmekundInnen bestehen keine besonderen energierechtlichen Regelungen  – wie Informationsverpflichtungen, Transparenzvorschriften oder hinsichtlich der Anrufung einer unabhängigen Schlichtungsstelle im Falle von Rechnungsstreitigkeiten. Von den fehlenden Schutzbestimmungen sind einkommensschwache  Haushalt natürlich besonders stark betroffen. Noch deutlicher kann sich der dringende Handlungsbedarf in diesem Bereich wohl nicht zeigen.