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Grünes Reisen

Ist klimafreundliches Fliegen eine Illusion?

Unser gesamtes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem basiert auf globalem Austausch. Eine Welt ohne Flugreisen scheint unvorstellbar. Fliegen bedeutet aber CO2-Emissionen. Ein Flugzeug produziert mehr Kohlendioxid pro zurückgelegtem Kilometer und Person als jedes andere Verkehrsmittel und ist das mit Abstand klimaschädlichste Transportmittel. Die Flugindustrie ist dennoch eine der am schnellsten wachsenden klimaschädlichen Emissionsquellen. 

Angesichts der verheerenden Folgen des Klimawandels stellt sich die Frage, wie realistisch klimaneutrale Technologien in der Luftfahrt in den kommenden Jahren sind. Und was aber tun, wenn klimafreundliches Fliegen in den nächsten Jahrzehnten nicht möglich ist? Wäre es nicht längst an der Zeit sich ernsthaft mit umweltfreundlichen Alternativen zum Fliegen auseinanderzusetzen? Müssten nicht bereits jetzt Entscheidungen getroffen werden, um die Auswirkungen auf diesen Wirtschaftsfaktor und die damit verbundenen Arbeitsplätze abzufedern? Noch scheinen diese Fragen keine große Rolle zu spielen.

Die Luftfahrt boomt

Im Luftfahrtsektor herrscht eine beinahe unglaubliche Wachstumseuphorie. Fliegen wird immer beliebter. Günstige Ticketpreise und wachsender Wohlstand in den bevölkerungsreichen Staaten tragen dazu bei, dass Reisen mit dem Flugzeug für immer mehr Menschen leistbar wird. Im vergangenen Jahr haben Fluggesellschaften so viele Passagiere wie nie zuvor befördert. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) berichtet von 4,3 Milliarden Fluggästen. Prognosen zufolge wird sich das Volumen der Luftfahrt in den nächsten zwei Jahrzehnten verdoppeln. 

Dieses Wachstum blieb nicht ohne Folgen für die Umwelt. Die Weltorganisation für Metereologie der Vereinten Nationen meldet einen beängstigenden neuen Rekord bei der Treibhausgas-Konzentration.

2015 bis 2018 waren die vier wärmsten Jahre seit es Aufzeichnungen gibt. Die Wintertemperaturen in der Arktis sind seit 1990 um 3°C gestiegen. Der Weltklimarat spricht von „unumkehrbaren und zerstörerischen Folgen für die Erde“. Anstrengungen in allen Bereichen seien erforderlich um die weitreichenden und beispiellosen Veränderungen der Erderwärmung zumindest auf 1,5 Grad einzuschränken.

Anteil der Luftfahrt an den klimaschädlichen Emissionen

Die deutsche Luftverkehrswirtschaft spricht von einem Anteil der Luftfahrt von 2,69 % am globalen CO2-Ausstoß. Das klingt aufs Erste nicht nach viel. Wenn man aber bedenkt, dass laut aktuellen Statistiken derzeit drei Prozent der Weltbevölkerung im Jahr mit dem Flugzeug unterwegs sind und prognostiziert wird, dass sich das Wachstum der vergangenen Jahre fortsetzen wird, ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der Flugreisenden und damit der Anteil der CO2-Emissionen rasant ansteigen wird. Das deutsche ÖKO-INSTITUT e.V. prognostizierte bereits 2015 in einem Bericht für das Europäische Parlament, dass die CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr im Jahr 2050 einen Anteil von bis zu 22 % der weltweiten Emissionen ausmachen könnten. Dass diese Prognose nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigen die Daten der EU-Kommission. Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair ist 2018 mit Platz 10 einer der größten Emittenten von klimaschädlichem Kohlendioxid in Europa und eines der Unternehmen mit den schlechtesten Arbeitsbedingungen. 

Und während die anderen Sektoren einen Rückgang der CO2-Emissionen verbuchen konnten, stiegen die der Luftfahrt in den vergangenen fünf Jahren um 26 Prozent. Neben CO2 sind auch Stickoxide, Schwefeloxide, Ruß und Wasserdampf zu berücksichtigen. Stickoxide bilden in der Atmosphäre das besonders klimaschädliche Ozon und Wasserdampf Kondensstreifen, die vor allem in der Nacht den Treibhauseffekt verstärken. Die Klimawirksamkeit von Flugreisen beruht nicht nur auf dem Ausstoß von CO2. Das deutsche Umwelt Bundesamt geht davon aus, dass die Treibhauswirkung des Fliegens zwei- bis fünfmal höher ist als die alleinige Wirkung des ausgestoßenen CO2. Der Luftverkehr belastet nicht nur das globale Klima, er hat ebenso vielfältige lokale Auswirkungen. Neben schlechter Luftqualität und gesundheitsgefährdendem Fluglärm gehen Flughäfen und Pisten auf Kosten von Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Auch die wirtschaftlichen Folgen sind keinesfalls nur positiv. Verkehr und Hotelketten verdrängen kleine Läden und Landwirtschaft. Städte, wie Barcelona, werden – angetrieben von Billigfliegern – vom Massentourismus überrollt. Wohnungen werden unerschwinglich, da diese lieber kurzfristig lukrativ an Touristen vermietet werden.

Klimaschutzabkommen und Luftfahrt

Trotz des steigenden Drucks, mit dem Klimaschutz ernst zu machen, sieht die internationale Politik kaum Eingriffe vor. Die internationalen Luftfahrt- und Schifffahrtsemissionen sind die einzigen Sektoren, die nicht im Pariser Klimaabkommen explizit enthalten sind. Die Luftfahrtemissionen wurden auch nicht über die UN-Klimarahmenkonvention geregelt, sondern der ICAO überlassen. Erstmals im Oktober 2016 – 18 Jahre nachdem die ICAO beauftragt wurde – beschloss die UNO-Staatengemeinschaft mit CORSIA das erste internationale Klimaschutzabkommen, das sich an die Luftfahrtindustrie adressiert. Die CO2-Emissionen sollen demnach – verpflichtend erst ab 2027 – durch technologische Innovationen, bessere Betriebsabläufe, alternative Treibstoffe und Emissionskompensationen auf dem Niveau von 2020 stabilisiert werden. Um den Temperaturanstieg deutlich unter 2° zu begrenzen, müssten laut Okö-Institut die Emissionen des Flugverkehrs aber bis 2030 bereits um 39% niedriger sein als 2005.

Wie realistisch ist umweltneutrales Fliegen?

Ende Juli 2016 knallten die Sektkorken. Die letzte Etappe der Weltumrundung des zweisitzigen Solarflugzeugs SI2 war geschafft. Norwegen verkündete bis 2040 alle Inlandsflügen mit Elektroflugzeugen absolvieren zu wollen. Vielversprechende Nachrichten.

Ein Blick in den Stand der Forschung macht aber klar, dass noch viel Erfindergeist und Durchhaltevermögen nötig ist, um umweltfreundliches Fliegen Realität werden zu lassen. Ob Solar-, Batterie,- Wasserstoff oder Hybridlösungen, Einsatz alternativer synthetischer oder Agrartreibstoffe, es bestehen noch zu viele ungelöste Probleme. Elektrische Akkus haben nicht die ausreichende Kapazität, synthetischer Treibstoff ist längst nicht in ausreichender Menge verfügbar, die CO2-freien Emissionen bleiben. Der Anbau von Agrartreibstoffen in großen Mengen führt zu Monokulturen, Verlust von Ernährungssouveränität und Verteuerung notwendiger Nahrungsmittel. Viele der Agrartreibstoffe sparen zudem nur minimal Emissionen ein. Klimafreundliches Fliegen im großen Stil bleibt in den nächsten Jahrzehnten wohl eine Illusion. Große Flugzeuge werden nicht rechtzeitig durch klimaneutrale ersetzt werden können. Umweltneutrales Fliegen ist vorerst auf relativ wenige Sitzplätze und auf regionaler Ebene beschränkt. Es ist also höchste Zeit Antworten zu finden. Dabei geht es nicht nur um technische Lösungen, sondern vor allem auch um soziale, für die rund 30.000 Beschäftigen des österreichischen Luftfahrtsektors und jene, deren Jobs indirekt von der Luftfahrt abhängen. Es geht um eine sozial gerechte Klimapolitik, um eine „just transition“.