Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Feinstaub-Bekämpfung auch im Agrarbereich?

Pro:
Bei Feinstaub muss auch die Landwirtschaft in die Pflicht genommen werden. Das Potenzial ist enorm.

Unerhörtes hat sich in Österreich zugetragen. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat sich erdreistet und kundgetan, was ExpertInnen längst wissen, aber von  der Politik unter den Tisch gekehrt und der Landwirtschaftskammer vehement verneint wird:  Massentierhaltung und Gülle tragen massiv zur Feinstaubbelastung bei. Der dabei entstehende Ammoniak verursacht sekundären Feinstaub, der über 1.000 km verfrachtet werden kann und gerade in der feinstaubkritischen Jahreszeit (Herbst und Winter) die Grenzwerte überschreiten lässt. Demnach sind bis zu 40 Prozent der Belastung in österreichischen Städten mit der besonders kleinen Feinstaubfraktion (PM 2,5) nur der Gülle aus der Landwirtschaft geschuldet. 

Diese volksbildnerische Leistung der ÖAW sollte nicht unterschätzt werden, weil bei Feinstaub-Grenzwertüberschreitungen jede noch so radikale Maßnahme (z.B. Umweltzone mit Kfz-Fahrverboten, kostenintensive Auflagen für Industrieanlagen) inbrünstig diskutiert wird, aber die Landwirtschaft außen vor bleibt. Worum geht es also, und was kann effektiv gemacht werden?

Die Feinstaubbildung bei kalten Temperaturen aus Ammoniak kann chemisch unterbunden werden, indem Güllebecken solide abgedeckt werden und mit Exkrementen angereicherte Stallabluft nicht ungefiltert entweichen kann. Weiters sollte die Gülleausbringung mit dem Traktor im Frühjahr nicht in hohem Bogen, sondern zumindest bodennah erfolgen. Auch bei der Massentierhaltung kann durch gezielte Tierfütterung viel erreicht werden. Werden diese Maßnahmen beherzigt, entstehen keine sekundären Feinstaub-Partikel aus  Ammoniak. Gemäß der WHO (Weltgesundheitsorganisation) sind diese wegen des Gesundheitsrisikos (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, etc.) zu vermeiden. Auch die EU-Ziele für eine gesunde Luft bis 2030 können damit erfüllt werden. 

Dies erfolgt in Österreich regional nur punktuell und halbherzig. Nötig wäre schlicht das, was jeder Gewerbebetrieb tun muss: den letzten Stand der Technik einhalten. Güllegruben und landwirtschaftliche (Mast-)Betriebe unterhalb von UVP-Schwellenwerten wurden und werden aber immer noch nur baurechtlich genehmigt, ohne an Luftreinhaltung und betroffene AnrainerInnen denken zu müssen.

Die ÖAW hat dankenswerterweise den Wirkungsgrad dieser Maßnahmen ausgerechnet. Würden nur zehn Prozent der einschlägigen Betriebe den Stand der Technik bei den aufgezeigten Maßnahmen einhalten, könnte die Belastung mit Feinstaub (PM 2,5) aus der Landwirtschaft in österreichischen Städten (Anteil bis zu 40%) um die Hälfte reduziert werden. Wohlgemerkt: Es geht um Großbetriebe mit mehr als 300 Schweinen, kleinere Betriebe unter diesem Schwellenwert wären davon ausgenommen und hätten Kostenvorteile gegenüber Betrieben mit Massentierhaltung.

Die Ausrede, zur sekundären Feinstaubbildung bedarf es neben Ammoniak noch anderer Gase (Stickoxid, Schwefel), hat einen Haken. Mengenmäßig ist sie nur über Ammoniak zu steuern. Selbst drastische Reduktionen bei Stickoxiden und Schwefel bewirken leider wenig. 

Daher müssen wir die Bekämpfung von Feinstaub in Österreich bei Verkehr, Industrie und Hausbrand endlich ernsthaft um die landwirtschaftliche Komponente erweitern.

Con:
Bitte nicht vom Hauptproblem ablenken: Ammoniak spielt nur eine Nebenrolle!

Die gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffe stammen in erster Linie aus dem Straßenverkehr, der Industrie und dem Haushaltsbereich, Ammoniak spielt dabei nur eine Nebenrolle. Es trägt als Vorläufersubstanz erst in Verbindung mit Stickoxiden und Schwefeloxiden aus der Industrie und dem Verkehr zur Feinstaubbelastung bei. Da Ammoniak aber ein sehr leichtes Molekül ist und nur etwa zehn Prozent der Masse des Feinstaubs ausmacht, bedeutet seine Reduktion kein Wundermittel wie eine Schweizer Studie der Forschungsanstalt Agroscope verdeutlicht: Ein Rückgang um zehn Prozent verringert die Feinstaubbelastung gerade einmal um 0,5 Prozent.

Die Hälfte der Ammoniakemissionen stammen aus einer kleinstrukturierten Rinderhaltung,  gerade diese ist es aber, die für die Erhaltung der Landschaft als Basis für den Tourismus, der Biodiversität etc. hauptverantwortlich zeichnet. Aber auch durch den Einsatz von mineralischen Düngemitteln, deren Verwendung für die Menschheit seit der Erfindung des Haber-Bosch-Verfahrens (Herstellung von Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff ) nicht mehr wegzudenken ist und ein Bevölkerungswachstum in diesem Ausmaß erst ermöglichte, entsteht Ammoniak. Ohne Düngung würden nur halb so viele Menschen auf der Erde leben können.

Die Art der Tierhaltung ist entscheidend für das Ausmaß der Emissionen. Gerade unsere tierhaltungsfreundliche Bewirtschaftungsweise führt dazu, dass mehr Ammoniak emittiert wird, da bei zunehmender Bewegungsfläche je Tier die Emissionen steigen – ein deutlicher Zielkonflikt. Moderne Laufställe emittieren um ein Vielfaches mehr als Ställe mit Anbindehaltung (Fakor 3:1), bei Schweineställen liegt der Unterschied zwischen 2 und 4 kg je Tier und Haltungsverfahren. 

Auch wenn der Anteil der Ammoniakemissionen aus den Güllelagern mit ca. 20 Prozent vergleichsweise gering ist, wird die Abdeckung der Güllelager vorangetrieben. So ist in einzelnen feinstaubbelasteten Teilen Österreichs eine solche verpflichtend vorgesehen, in anderen Regionen werden über Anreizsysteme Maßnahmen gesetzt. Eine natürliche Schwimmschicht, die die einfachste und kostengünstigste Abdeckungsform darstellt, erreicht bei der Rindergülle einen Minderungseffekt von bis zu 80 Prozent der Emissionen. Einzelne Techniken wie die biologische Abluftreinigung im Schweinebereich erweisen sich jedoch als äußerst kostenintensiv oder nicht praktikabel, daher sollten den jeweiligen Maßnahmen entsprechende Kosten-Nutzenanalysen vorausgehen. 

Überzogene Auflagen für die Landwirtschaft führen zu Wettbewerbsnachteilen des Produktionsstandortes mit Verlusten in der Wertschöpfung und des Selbstversorgungsgrads, dafür erhält der Konsument importiertes Fleisch aus Ländern mit fragwürdigen Umwelt- und Tierschutzstandards.

Das höchste Minderungspotenzial liegt mit mehr als 50 Prozent des Ammoniaks in der Gülleausbringung. Dem wird bereits heute durch Einarbeitungsverpflichtungen sowie zeitliche bzw. mengenmäßige Beschränkungen, aber auch durch das Umweltprogramm, das bodennahe Ausbringungsverfahren besonders unterstützt, Rechnung getragen. Dadurch können rund 2,3 Mio. m3 Gülle bodennah ausgebracht werden. Die österreichische Landwirtschaft ist bemüht, ständig an Verbesserungen zu arbeiten. Es ist aber völlig unangebracht und überzogen, den Sektor als Hauptverursacher von Feinstaub darzustellen.