Betrieb

AVL arbeitet intensiv am Motor der Zukunft

Eigentlich hatte der Siegeszug des Elektro-Fahrzeuges ja bereits 1899 in Paris begonnen, als zwei erfinderische Herren in ihren „tollkühnen“ Kisten um die Wette fuhren. Denn der mit zwei 25 kW-Motoren ausgestattete E-Flitzer hatte schlussendlich die Nase vorn und knackte die 100-km/h-Hürde – der bis dato schnellste Benzinmotor und vorangegangene Rekordhalter blieb auf der Strecke. Verbrennungsmotoren wollte in dieser Zeit ohnehin niemand auf den Straßen – man musste sie mittels Kurbel „anwerfen“, sie holperten, stanken und rauchten und Benzin war damals, weil brandgefährlich, am ehesten in Apotheken zu bekommen.

Wie erfunden so verschwunden

Der ausgelöste Trend war phänomenal – 60.000 batteriebetriebene Wagen gab es in den USA um die Jahrhundertwende und fast so viele Ladestationen. Den Elektro-Boom hatte Ferdinand Porsche begründet. Er baute in der Wiener Hofwagenfabrik von Ludwig Lohner das erste Hybridauto. Um die Reichweite der E-Mobile zu erhöhen, baute Porsche einen Generator ins Auto ein, angetrieben von einem Daimler-Verbrennungsmotor. Auf der Pariser Weltausstellung 1900 wurde dieser „Lohner-Porsche“ präsentiert. Modernst ausgestattet übrigens – mit Radnabenmotoren.  1912 wurden auch international verstärkt Elektro-Fahrzeuge gebaut und verkauft. Aber mit der Erfindung des Anlassers durch Charles Kettering aus Ohio endete der Boom fast so schnell wie er gekommen war. Benziner galten fortan als einfacher zu bedienen, hatten größere Reichweiten für Überlandfahrten. So scheiterten die leisen Wunder-Autos damals schon aus den selben Gründen, aus denen sich Autofahrer heute zieren, ein Elektro-Fahrzeug zu kaufen. 

Innovation in grün-weiß

Schon um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert gab es viele kluge Köpfe in und um Österreich. Das ist heute genauso – auch wenn einem das nicht immer so bewusst ist oder plakativ vor Augen geführt wird.

1948 hatte Hans Helmut List die Idee sich mit führenden Motor-Experten zur Arbeitsgemeinschaft IBL zusammen zu schließen. Ziel war es, auf Basis neuester Erkenntnisse moderne Motoren zu entwickeln. 1951 wurde aus dem IBL die AVL – die Anstalt für Verbrennungskraftmaschinen. Mitten in Graz entstand ein Unternehmen, das heute der weltgrößte private Entwickler von Antriebssträngen (Powertrain) mit Verbrennungsmotoren, sowie Messinstrumenten und Prüfsystemen ist. Als Familienunternehmen geführt und nicht börsennotiert, legt man im Hause List größten Wert auf die Kernkompetenz aus Österreich. Das soll auch so bleiben, obwohl von den weltweit rund 10.400 MitarbeiterInnen „nur“ 4.150 am Standort Graz beschäftigt sind. Die Steiermark wird durch die AVL und weitere Automobilzulieferer und -bauer sozusagen zum Kopf des österreichischen Automobilclusters. 

MitarbeiterInnen aus 50 Nationen

Die meist gehörte Sprache in den Hallen und Gebäuden der AVL ist Englisch – kein Wunder, kommen die MitarbeiterInnen doch aus 50 verschiedenen Nationen. Die Firmenphilosophie der Familie List ist, dass man durch Englisch einfach eine gute Basis gefunden hat. Und eine gute Mitarbeiterpolitik wird im Hause List ohnehin groß geschrieben. Man möchte die innovativen Köpfe schließlich dauerhaft an das Unternehmen binden. Die geringe Fluktuation der MitarbeiterInnen von nur 2,3 Prozent kann sich durchaus sehen lassen. „Unsere MitarbeiterInnen sind gekommen um zu bleiben“, freut sich Markus Tomaschitz (Vice President Corporate Human Ressources/Personalchef) über diesen Wert. 

Der Kampf um gute MitarbeiterInnen

Dennoch wird auch auf die AVL in den nächsten Jahren eine demographische Herausforderung warten. Wenn die Baby-Boomer Generation erst einmal in Pension ist, heißt es die entstehende Lücke wieder schließen. „Wir kämpfen um jeden guten Mitarbeiter. Als Mittel dafür stehen uns der hervorragende Standort in Graz, eine attraktive Work-Life-Balance sowie unzählige Boni zur Verfügung“, erklärt Personalchef Tomaschitz.

AVL bietet seinen Beschäftigten eine Reihe an positiven Anreizen: Hauseigene Kinderkrippe und Kindergarten, Abstellplätze für Fahrräder und natürlich auch Autos – wobei das Erreichen des Arbeitsplatzes durch den öffentlichen Verkehr aber gefördert wird. Deshalb gibt es auch die Öffi-Karte für AVL Beschäftigte gratis, eine Kantine sorgt für das leibliche Wohl, ein Fitnessraum sowie eine Yoga-Gruppe für das körperliche und eine hauseigene Psychologin für das seelische Wohl. Jährliche Gesundheitschecks durch die Betriebsärzte und Betriebssport-Aktivitäten sind obligat. „Unsere MitarbeiterInnen haben zudem die Möglichkeit, eigeninitativ und innovativ tätig zu sein, an der Entwicklung neuester Technologien teilzuhaben und schließlich so auch die Zukunft unseres Planeten in punkto nachhaltige Mobilität sicherzustellen“, erläutert Tomaschitz.  

Die AVL beginnt mit der MitarbeiterInnen-Suche schon sehr früh. Potenzielle Lehrlinge werden in den Schulen dazu animiert, eines Tages bei der AVL List zu arbeiten. Derzeit bildet das Unternehmen rund 100 junge Fachkräfte aus. Gesucht und gefunden werden neue MitarbeiterInnen auch in der BULME sowie in diversen HTLs. Ergänzend zu einer AVL-Klasse an der Technischen Universität Graz werden auch an der Fachhochschule Joanneum Graz Leute akquiriert. 

Frauenquote soll bis 2025 auf 25 Prozent steigen

Die Vielfalt macht's – der Slogan „mehr Frauen in die Technik“ ist ebenfalls ein Begriff. „Wir haben einen Frauenanteil von 20 Prozent – Ziel ist es, bis 2025 hier auf 25 Prozent zu kommen. Wir forcieren auch das Interesse von Mädchen und Frauen bei verschiedenen Veranstaltungen und versuchen sie für die Naturwissenschaften und die Technik zu begeistern“, erklärt man seitens des Unternehmens.

Globales Denken und Handeln – in einem Betrieb wie der AVL ist dies an der Tagesordnung. Erst kürzlich hat das Unternehmen den Auftrag erhalten, nahezu die gesamte Soft- und Hardware für die Prüfung von Leicht- und Schwerlastfahrzeugen, Motoren und Antriebssträngen im neuen Labor des neuen California Air Resources Board (CARB) in Riverside, Kalifornien, zu liefern. CARB hat mit dem Bau seiner neuen südkalifornischen Prüf- und Forschungseinrichtungen für Fahrzeugemissionen bereits begonnen, die Eröffnung ist im Frühjahr 2021 vorgesehen. Nach Fertigstellung wird es die größte Net-Zero-Struktur in den Vereinigten Staaten und eines der weltweit modernsten Prüf- und Forschungszentren für Fahrzeugemissionen sein. Das Ziel von CARB ist die Förderung und der Schutz von öffentlichen Gesundheits-, Gemeinwohl- und Umweltressourcen durch eine effektive Reduzierung der Luftschadstoffe, wobei die Auswirkungen auf die Wirtschaft erkannt und berücksichtigt werden.

Auch am Standort Graz denkt man über Grenzen hinweg. „Wir verspüren eine große Bereitschaft unserer MitarbeiterInnen sich auf Neues einzulassen. Innovative Mitarbeiter fordern geradezu neue Aufgabenbereiche. Das merkt man zum Beispiel bei unserem neu gebauten und 2018 eröffneten hochmodernen Battery Lab“, erklärt Personalchef Tomaschitz.

Zukunftsängste? – gibt es nicht

Geräuschloses, emissionsarmes Schweben ist noch nicht erfunden. Und wenn jemand so etwas erfinden könnte, dann wohl die klugen Köpfe der AVL in Graz. Die unterschiedlichen Richtungen in die dort geforscht wird – batteriebetriebene Fahrzeuge, Wasserstoffantriebe, Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen und alternative Großmotoren-Antriebe für Lkw, Schiffe und auch Flugzeuge bieten eine große Bandbreite an Beschäftigungsmöglichkeit für MitarbeiterInnen.

Vielleicht gelingt es ja einigen innovativen Menschen sogar wieder so zu denken wie anno dazumal die großen Erfinder, und es treten Genies, ähnlich wie Nikola Tesla, Ferdinand Porsche oder Albert Einstein ins Rampenlicht, denen der große Durchbruch zum emissionsfreien, energieeffizienten und geräuschlosen sowie ungefährlichen Fortbewegen der Zukunft gelingt. Es wäre jedenfalls für den Industriestandort äußerst willkommen, wenn es dann in allen Medien hieße: „Die Österreicher haben die globale Paradelösung für die Mobilität der Zukunft gefunden.“