Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Tarif-Reform im Verkehrsverbund Ost-Region (VOR)

Pro: Der neue VOR-Tarif macht ÖV-Nutzung einfacher und minimiert Einstiegshürden.  

Der öffentliche Verkehr lebt vom guten Angebot sowie vom einfachen Zugang. Moderne Routenplaner, barrierefreie Fahrzeuge oder Taktfahrpläne sind nur einige unserer Strategien, um die Nutzung des öffentlichen Verkehrs zu erleichtern. Mit dem neuen Tarifsystem konnten wir die komplexe Tarifsituation in der Ostregion maßgeblich vereinfachen – Fahrgäste müssen keine Zonengrenzen oder Ausnahmeregelungen mehr lernen, jeder kommt ohne Fachwissen zum richtigen Ticket und Preis – „Einfach von A nach B“ eben. Darüber hinaus können wir auf Basis des einheitlichen Systems endlich durchgehende Ermäßigungen für Senioren und Menschen mit Behinderung anbieten. 

Für die meisten Fahrgäste sind die Preise gleich geblieben oder günstiger geworden, für wenige gibt es leider Verteuerungen. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in den Schwächen der alten Tarifsysteme, welche einigen 30 Jahre lang zu Gute kamen. Der Preis für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs korreliert nun ganz deutlich mit der in Anspruch genommenen Leistung. Durch die einfachere Tarifgestaltung konnte auch die Sichtbarkeit des öffentlichen Verkehrs und dadurch der Kundennutzen gesteigert werden. Ein Beispiel dafür ist die Orientierung an den Gemeindegrenzen, wodurch in der Regel ein einheitlicher Preis zu allen Halten zwischen zwei Gemeinden gilt. 

Mit dem umfassenden Tarifsystem ist es nun auch möglich, den Vertrieb zu modernisieren: Neben den weit über 2.500 Fahrkartengeräten in der Ostregion kann VOR seit der Umstellung nicht nur einen online-Ticketshop anbieten, sondern darüber hinaus zukunftsorientiert an einer leicht zu bedienenden mobilen Ticket-Lösung arbeiten. 

Con: Eine Tarifreform darf die StammkundInnen in Bus und Bahn nicht vor den Kopf stoßen. 

Erst im März 2016 wurden die Jahreskartenpreise im VOR zwischen vier bis acht Prozent erhöht. Die neuerliche – für manche enorme – Preiserhöhung durch die Tarifreform bringt für einige PendlerInnen keine Angebotsverbesserungen und deshalb muss nachgebessert werden.  

Überbordende Preissteigerungen sollten nicht rein als „systemgegeben“ an die KundInnen weiterverrechnet werden, vielmehr muss überprüft werden, ob die Rechenalgorithmen den tatsächlichen Bedürfnissen der KundInnen gerecht werden. Im neuen VOR-Tarifsystem entfallen die Überlappungsbereiche, die Gesamtnetzkarte und die Obergrenze bei der Zonenzahl. PendlerInnen, die diese Angebote genutzt haben, werden nun mit höheren Preisen belastet.

Bei besonders hohen Verteuerungen, das heißt mehr als 120 Euro pro Jahr, bietet der VOR an, im ersten Vertragsjahr 100 Prozent, im zweiten Vertragsjahr 50 Prozent der über 120 Euro hinausgehenden Mehrkosten zu übernehmen. Problematisch bleibt eine derart enorme Verteuerung aber dennoch, da auch 120 Euro Mehrkosten pro Jahr für manche PendlerInnen kaum finanzierbar sind und sie ab dem dritten Jahr jedenfalls die volle Verteuerung selbst zu tragen haben. Deshalb muss es eine Härtefallregelung geben. 

Die Fahrpreise im Nahverkehr sind aber auch immer davon abhängig, wie viel die Bundesländer für den Nahverkehr in ihrem Gebiet zuschießen. Die Kernzone Wien mit einer Jahreskartengebühr von 365 Euro ist ausgesprochen günstig. Auch Niederösterreich und Burgenland können im Interesse „ihrer“ PendlerInnen die Preise im öffentlichen Verkehr mit entsprechenden Zuschüssen niedrig gestalten. ¨