Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: „Radwege in Wien – alles paletti?“

Pro: Erfolge und Fortschritte im Ausbau und bei der Verbesserung der Radweginfrastruktur in Wien. 

Das Radverkehrsnetz in Wien wächst stetig. Es umfasst 1.346 Kilometer. Das ist ein deutlicher Fortschritt, wenn man bedenkt, dass es vor knapp 15 Jahren noch 835 Kilometer waren. Es gibt rund 41.000 Rad-Abstellplätze im Öffentlichen Raum, das sind 50 Prozent mehr als noch im Jahr 2010.

Es wurde also viel erreicht. Wer in Wien mit dem Rad unterwegs ist, merkt das deutlich. Es radelt sich immer besser. Doch wichtige Straßenzüge fehlen noch.

2017 ist deshalb das Jahr der Lückenschlüsse und der Fertigstellungen großer, langjähriger Projekte. Am Getreidemarkt entstehen neue Radwege und Querungen. Mit der Südbahnhofbrücke entsteht zwischen 3. und 10. Bezirk eine Verbindung für Fußgänger, Rad- und Autofahrende. In der Ameisgasse im 14. Bezirk, in der Wattgasse im 17. oder in der Kaisermühlengasse im 23. Bezirk entstehen neue Radwege – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Mit dem Bauprogramm werden weitere Schritte gesetzt, damit umweltfreundliche Mobilität noch leichter und sicherer möglich ist. Der Ausbau der Radinfrastruktur ist wesentlich. Dort wo Radwege gebaut wurden, ist der Radverkehr in den letzten Jahren am stärksten gestiegen: am Opernring innerhalb der letzten fünf Jahre um 68 Prozent. Hier gilt es anzuknüpfen, mit Radlangstreckenverbindungen, mit Radstraßen und der Öffnung der Einbahnen für den Radverkehr.

Wenn die Klimaschutzziele erreicht  werden sollen, ist es nötig, dass mehr Wege radelnd zurückgelegt werden. Dafür erfordert es größere Schritte beim Ausbau der Radwege. Noch gibt es dabei Widerstände. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass künftig mehr Akteure an einem Strang ziehen, wenn es darum geht Wien Stück für Stück radfreundlicher zu machen. 

Con: Es braucht bessere Bedingungen fürs Radfahren, davon profitiert die ganze Stadt!

„1.346 km Radwege“ wird verkürzt häufig publiziert und suggeriert das Wiener Radparadies schlechthin. Schnell heißt es dann die Hälfte des Straßennetzes seien Radwege. Aber das stimmt so nicht. Denn dahinter verbergen sich sämtliche Anlagearten, auf denen es abseits der normalen Straße erlaubt ist zu radeln – von Wohnstraßen über aufgepinselte Rad- und Mehrzweckstreifen bis hin zu für RadfahrerInnen geöffneten Fußgängerzonen und Einbahnen. Tatsächliche Radwege mit baulicher Trennung gibt es nur rund 126 km, also magere 4,5% des Wiener Straßennetzes.

Aber diese getrennten Radwege sind von besonderer Bedeutung. Nicht nur für Kinder und Radneulinge, sondern auch für im Alltagsverkehr. Ungeübte bieten Radwege zunächst bessere Bedingungen als auf stark befahrenen Straßen. Die Angst vor zu knapp überholenden Autos ist groß und bedeutet im Fall des Falles nicht nur für AnfängerInnen enormen Stress – sowohl auf der Straße, als auch auf den oftmals schmalen (im Mindestmaß) ausgestalteten Mehrzweck- und Radstreifen. Hier werden RadfahrerInnen zudem in den Gefahrenbereich der „Dooring-Zone“ gedrängt: ein Ausweichen vor einer unachtsam geöffneten Autotür ist nicht mehr möglich.

Mit dem steigenden Radverkehrsaufkommen zeigt sich obendrein, dass bei Radwegen oftmals Breiten, Kurvenradien und Aufstellflächen bei Kreuzungen nicht mehr ausreichen. 

Von alles paletti kann also keine Rede sein: es herrscht großer Nachholbedarf im gesamten Radverkehrsnetz! Es braucht bessere Bedingungen fürs Radfahren. Davon profitiert die ganze Stadt: denn jede/r RadlerIn mehr entlastet die vollen Öffis und den Autoverkehr und bedeutet weniger Abgase und Lärm.