Politik

Gewässerschutz und Kraftwerksbau

Im Juni 2014 wurde die Republik Österreich von der EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Ursache dafür ist das geplante Laufkraftwerk an der „Schwarzen Sulm“, einem Fluss in der südlichen Steiermark. Nach Ansicht der EU-Kommission verstößt dessen Bau gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), weil dieser zu einer erheblichen Verschlechterung der Wasserqualität des Flusses führt und diese dadurch nicht mehr angemessen geschützt werden kann. Dieser Zubringerfluss der Mur befindet sich laut WRRL in einem so genannten „sehr guten ökologischen Zustand“. Mit dem Kraftwerksbau würde sich diese Bewertung um eine Kategorie verschlechtern, somit künftig nur mehr einen „guten Zustand“ aufweisen. 

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Hintergrund zur WRRL

Die WRRL (RL 2000/60/EG)) verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle Grund- und Oberflächengewässer (Flüsse, Seen, Grundwasser, etc.) zu schützen und zu sanieren, um bis spätestens 2015 einen „guten“ Gewässerzustand zu erreichen, das bedeutet einen Zustand, bei dem die Gewässer möglichst geringe Spuren menschlicher Einflussnahme aufweisen. Zudem treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um zu verhindern, dass sich der Zustand von Oberflächenwasserkörpern verschlechtert. Eine Ausnahme dieser Anforderung ist nur möglich, wenn das Projekt nachweislich im „überwiegenden öffentlichen Interesse“ ist, wobei alle praktikablen Vorkehrungen getroffen werden müssen, um die negativen Auswirkungen zu mindern. Der Bau von neuen Wasserkraftwerken kann zu einem schlechteren Gewässerzustand führen. Beispielsweise kann dadurch die Durchgängigkeit des Flusses beeinträchtigt werden, was eines der Kriterien der WRRL für die Einstufung des Gewässerzustands eines Flusses als „gut“ ist. Österreich setzt diese WRRL im Zuge der Nationalen Gewässerbewirtschaftungspläne (NGP) um. 

Wasserkraft in Österreich

Im Jahr 2014 wurden in Österreich insgesamt 68.015 GWh Strom erzeugt, 69 Prozent davon aus Wasserkraft. Dabei werden bereits 68 Prozent des gesamt verfügbaren Wasserkraftpotenzials energiewirtschaftlich genutzt. Für das verbleibende technisch-wirtschaftlich realisierbare Restpotenzial zur Wasserkraftnutzung aus Österreichs Flüssen gibt es verschiedene Studien mit ganz unterschiedlichen Einschätzungen. So gab es auch bei der Erstellung der Energiestrategie Österreich einen ExpertInnenstreit über das zukünftige Ausbaupotenzial der Wasserkraft in Österreich. Als Basis für die Einschätzung dieses Ausbaupotenzials wird zumeist die Studie von Pöyry (2008) herangezogen, in der ein technisches Ausbaupotenzial von 12,8 TWh für Gesamtösterreich berechnet wurde. Dies entspricht rund einem Fünftel des jährlichen Stromverbrauchs Österreichs. Allerdings wurden in dieser Studie die Auswirkungen der WRRL nicht berücksichtigt.  Im 2008 verabschiedeten Klima- und Energiepaket der EU hat sich Österreich dazu verpflichtet, den Anteil erneuerbarer Energieträger bis 2020 auf 34 Prozent zu erhöhen. Zur Erreichung dieser Ziele sieht die österreichische Energiestrategie (2009) vor, den Sektor Wasserkraft bis 2015 um 3,5 TWh auszubauen. Die Interessensvertretung „Österreichs Energie“ geht von einem zusätzlichen Ausbaupotenzial von 3,5 TWh bis 2020 aus, was in Summe 7 TWh bis 2020 bedeuten würde. Umweltorganisationen hingegen gehen in ihren Schätzungen von einem maximalen Ausbaupotenzial von 2,5 TWh aus, da sie besonders sensible Gewässerzonen generell vor einem weiteren Ausbau schützen wollen. Die  Bundesländer Tirol, Steiermark, Vorarlberg und Niederösterreich haben Rahmenplanungen für den Kraftwerksausbau beschlossen. Der bundesweit eingeführte „Kriterienkatalog Wasserkraft“, der beim Neubau eines Kraftwerkes verpflichtend anzuwenden ist, bietet eine wichtige Hilfestellung, ist allerdings immer nur eine Einzelfallprüfung. Was daher noch immer fehlt, ist eine strategische, österreichweite Planung, die sowohl klima-, energie-, umwelt- und gesellschaftspolitische Aspekte berücksichtigt. Insbesondere muss auch das Revitalisierungspotenzial bereits bestehender Kraftwerke gänzlich ausgeschöpft werden. Der oftmals umstrittene Ausbau von Speicher- und Pumpkraftwerken wird zum Teil notwendig sein, um die Ziele der Energiestrategie sowie der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU zu erreichen, aber auch, um künftig die volatile Ökostromerzeugung bei Windkraftwerken ausgleichen zu können. 

Moderater Kraftwerksausbau

Die Umsetzung von neuen Kraftwerks-projekten sollte nach umfassenden Prüfungen die zweite Priorität sein. Allerdings sind gegenwärtige Planungen im Stocken, da derzeit die Strompreise niedrig sind. Konnten im Jahr 2008 noch durchschnittlich 55 Euro/MWh am Großhandelsmarkt erzielt werden, sind es bisher im Jahr 2015 im Durchschnitt 35 Euro/MWh. An dieser Situation wird sich in absehbarer Zeit wenig ändern: die Prognosen gehen auch für die Zukunft von eher niedrigen Großhandelspreisen aus. Daher ist seitens der Wasserkrafterzeuger das Interesse an neuen Kraftwerksprojekten eher gering, bereits geplante Projekte werden in die Zukunft verschoben und auch Revitalisierungsprojekte von bereits bestehenden Kraftwerken verzögern sich dadurch. Dabei wäre es gerade jetzt bei der angespannten konjukturellen Lage wichtig,  Investitionen zu tätigen, um vorhandene Revitalisierungspotenziale voll auszunützen, ökologische Projekte für die Zielerreichung der WRRL  sowie für neue Projekte mit hohem Gewässerschutz umzusetzen.  

Gewässerschutz & Kraftwerksbau

Fast zeitgleich mit der österreichischen Energiestrategie wurde 2009 der NGP zur Umsetzung der WRRL veröffentlicht. Das Hauptziel ist, dass alle österreichischen Gewässer bis 2015 mindestens einen „guten ökologischen Zustand“ bzw. ein „gutes Potenzial“ aufweisen. Mit Ende Juli 2015 endete die Öffentlichkeitsbeteiligung für den 2. NGP, bis spätestens 22. Dezember muss dieser veröffentlicht sein. Wie schon der erste, wird auch der 2. NGP als Verordnung festgeschrieben, um eine rechtlich gültige Basis für die vorgeschlagenen Maßnahmen zu haben. Derzeit besteht für 58 Prozent der Oberflächengewässer ein Risiko, das Ziel des „guten ökologischen Zustands“ aufgrund von hydromorphologischen Belastungen bis 2021 zu verfehlen. Es sind somit noch einige Anstrengungen notwendig, um die Ziele der WRRL bis 2027 zu erreichen. Für die Wasserkraft bedeutet dies einige Investitionen in die Ökologie wie zum Beispiel in die Fischpassierbarkeit, Restwassermengen etc., woraus in der Regel eine geringere Energieerzeugung folgt. Kleinwasserkraftwerke genießen in der Öffentlichkeit einen guten Ruf. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass ihre Leistung gemessen an der gesamten österreichischen Stromproduktion sehr gering ist, die ökologischen Auswirkungen jedoch erheblich sind. So werden mit 84 Prozent aller Wasserkraftanlagen nur vier Prozent des Regelarbeitsvermögens erbracht, da es sich dabei um Kleinstkraftwerke mit einer Engpassleistung kleiner als 1 MW handelt. Für diese Kleinwasserkraftwerke müssen – nach derzeitiger Planung –  erst ab 2021 Investitionen in die Ökologie gesetzt werden. 

Auswirkungen des EuGH Urteils

Spannend wird sein, wie sich das Urteil des EuGH (C-461/13, Weser) vom 1. Juli 2015 auf die künftige Wasserpolitik auswirkt. Dort kommt der EuGH zum Schluss, dass eine Verschlechterung des Zustandes eines Gewässer bereits vorliegt, sobald der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse sinkt, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Herabstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Mit diesem Urteil bläst dem künftigen Ausbau der Wasserkraft wohl ein starker Wind entgegen.