Politik

Radfahrverbot auf Forststraßen?

Mit dem Forstgesetz 1975 wurde die Benützung des Waldes zu Erholungszwecken geregelt. Jeder darf den Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten. Radfahren auf Forststraßen war aber 1975 noch kein Thema, da es noch keine Mountainbikes gab. Das Befahren mit Fahrrädern ist daher nur mit der Zustimmung des Forststraßenerhalters zulässig. 

Ausgangslage

Mit dem Radfahrverbot auf Forststraßen verfügt das Tourismusland Österreich über ein fragwürdiges Alleinstellungsmerkmal. Denn in den benachbarten Ländern Bayern, Schweiz, Liechtenstein, Italien, ist das auf Forststraßen grundsätzlich erlaubt. Das Verständnis und dementsprechend das Unrechtsbewusstsein der RadfahrerInnen für das Verbot in Österreich hält sich in Grenzen.

Die Situation in den genannten Ländern relativieren auch die Argumente von der Waldbewirtschaftung bis zur Ökologie, die immer wieder gegen das Radfahren auf Forststraßen vorgebracht werden. Die Naturverträglichkeit ist bei der Einhaltung der von den alpinen Vereinen propagierten Fair-play-Regeln gewährleistet. Ein respektvolles Miteinander auf den Forststraßen ist möglich. Ebenso ist die immer wieder strapazierte Frage der Haftung der Wegerhalter lösbar.

Warum ist also gerade in Österreich die gesetzliche Öffnung von Forststraßen ein unüberwindbares Problem, wenn es in anderen Ländern seit Jahrzehnten funktioniert? Das fragen sich auch die großen alpinen Vereine Naturfreunde und Alpenverein, aber auch die Initiative upmove, die sich seit dem Jahr 2015 mit Nachdruck für eine gesetzliche Öffnung der Forststraßen für Mountainbiker einsetzen. Im Parlament wurde von den Grünen ein Antrag zur Öffnung der Forststraßen eingebracht, der im Sportausschuss behandelt wird. 

Prompt hat der Österreichische Forstverein eine Gegeninitiative gestartet, in der betont wird, dass 80 Prozent des Waldes in Privateigentum stehen. Der Forstverein lehnt die Änderung des Forstgesetzes entschieden ab, spricht sich aber für die Ausweitung vertraglicher Lösungen im Falle konkreter Mountainbike-Routen vor Ort aus.

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Ideologische Grenze Eigentum

Die Diskussion zeigt, dass die Identifizierung mit dem Eigentum in Österreich besonders stark ausgeprägt ist. Das Eigentumsrecht gilt als absolutes Herrschaftsrecht, jede rechtliche Beschränkung stößt auf massiven Widerstand. Das Verständnis für die Interessen der Allgemeinheit hält sich bei vielen GrundeigentümerInnen in Grenzen. Nicht wenige von ihnen haben die Regelung der freien Benützung des Waldes, die mit dem Forstgesetz 1975 Wirksamkeit erlangte, noch nicht verwunden. Daher ist es bisher nicht gelungen, über die vertraglichen Lösungen hinaus, Forststraßen für RadfahrerInnen zu öffnen. 

Auch beim Staat nur Vertrag

Dabei könnte der Staat eigentlich Vorbild sein und zumindest seine Forststraßen für die radelnden BürgerInnen und TouristInnen generell öffnen. Mit den Österreichischen Bundesforsten verfügt die Republik Österreich immerhin über rund 15 Prozent der Waldfläche. Im Jahr 1993 haben die Bundesforste die ersten Forststraßen für RadfahrerInnen angeboten, aktuell sind rund 2.100 Kilometer auf vertraglicher Basis für RadlerInnen geöffnet. Das ist aber nur ein kleiner Teil des Forststraßennetzes der Bundesforste. Ohne Vertrag und Abgeltung läuft nichts. 

Vertragsmodell hat Grenzen

120.000 Kilometer Forststraßen sollen vom Österreichischen Forstverein mehr als optimistisch geschätzte 27.000 Kilometer vertraglich gesicherte Routen gegenüberstehen, wobei diese Routen nicht unbedingt auf Forststraßen verlaufen müssen. Regional ist das Angebot unterschiedlich, so bietet das „Tiroler Mountainbikemodell 2.0“ Routen im Ausmaß von 5.345 Kilometer und 186 Kilometer Singletrails an. Im Salzburger Pinzgau stehen 1.600 Kilometer Mountainbike-Routen und 28 Trails zur Verfügung. Auf der Homepage der Steiermark Tourismus werden gerade einmal 16 Routen angeboten. 

In vielen Gebieten, insbesondere in weniger touristischen Regionen, gibt es überhaupt kein Angebot. Für die TouristInnen sind im Rahmen des Urlaubs auch wenige Routen noch attraktiv, während die einheimischen Erholungssuchenden bei den vorhandenen unzähligen Forststraßenkilometern nicht auf einzelne Angebote in ihrer Wohnregion angewiesen sein wollen.

Verträge sind deshalb nur bedingt geeignet, weil der Erfolg an der Bereitschaft der GrundeigentümerInnen (WegerhalterInnen) hängt und Organisationsaufwand sowie Kosten zu berücksichtigen sind.

Schon an der Bereitschaft einzelner GrundeigentümerInnen kann die vertragliche Lösung für eine Fahrrad-Route scheitern. Auch von der Zustimmung der JagdpächterInnen kann eine Einigung abhängen. Bereits ausverhandelte Routen stehen wieder in Frage, wenn einzelne GrundeigentümerInnen ihre Zustimmung zurückziehen.

Die Einrichtung einer Route kostet Geld und braucht eine BetreiberIn für die laufende Betreuung. In vielen Regionen fehlen BetreiberInnen, weniger finanzkräftige Gemeinden bzw. Tourismusverbände können schnell einmal überfordert sein. Aus der Sicht der Erholungssuchenden ist daher der gesetzlichen Öffnung von Forststraßen für RadfahrerInnen eindeutig der Vorzug einzuräumen.

Zugang zur Natur sollte ein Grundrecht sein

Neben der Diskussion über das Radfahren auf Forststraßen darf nicht vernachlässigt werden, dass private Straßen und Wege nicht dem Gemeingebrauch unterliegen und von GrundeigentümerInnen jederzeit gesperrt werden können. Sogar bestehende Wegerechte gehen verloren, wenn GrundeigentümerInnen drei Jahre die Ausübung des Wegerechtes erfolgreich verhindern. Welcher Erholungssuchende hat sich noch nicht über die Sperre von Wegen geärgert? Viele Wege sind in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen der Änderung der landwirtschaftlichen Strukturen verloren gegangen. Traditionelle Fußwege haben ihre Bedeutung im täglichen Alltag verloren und verschwinden.

Ungeachtet des hohen gesellschaftspolitischen Stellenwerts der Erholung und Regeneration in der freien Natur fehlt in Österreich ein allgemeines Recht, das die Wegefreiheit und den Zugang zur freien Natur gewährleistet. Ein Grundrecht auf Naturgenuss und Erholung in der freien Natur wie in der Bayerischen Landesverfassung würde die Diskussion der Erholungsnutzung durch die Allgemeinheit in Österreich auf eine neue Basis stellen, die Frage der Sozialbindung des Eigentums wäre rechtlich damit klargestellt. 

Vorbild Bayern

In Bayern ist das allgemeine Betretungsrecht in der freien Natur gewährleistet, das Radfahren ist auf allen geeigneten Wegen erlaubt. Bemerkenswert ist in Bayern auch die verfassungsrechtliche Verpflichtung von Staat und Gemeinde, der Allgemeinheit die Zugänge zur Natur freizuhalten und allenfalls durch Einschränkung des Eigentums freizumachen.

Das Bayerische Naturschutzgesetz regelt die Erholung in der freien Natur und sichert auch die Rechte der Allgemeinheit. Wer vergleichbare Regelungen in den Naturschutzgesetzen der Bundesländer in Österreich sucht, wird nicht fündig werden – das Recht auf Erholung und Naturgenuss ist kein Thema.

Fazit: Schaut man nach Bayern, werden die rechtlichen Defizite bewusst. Über die Frage der Öffnung der Forststraßen für RadfahrerInnen hinaus ist also die Politik gefordert, dem zunehmenden gesellschaftlichen Stellenwert der Erholung in der freien Natur entsprechend klare rechtliche Rahmenbedingungen zu verschaffen. Es geht um einen maßvollen Zugang zur Natur im Interesse der Allgemeinheit, nicht um unverhältnismäßige Beschränkungen des Eigentums.