Politik

Gesündere Luft für Österreich?

Unsere Umgebungsluft ist ein Lebensmittel. Trotzdem verkennt eine breite Öffentlichkeit noch immer ihre Bedeutung für die menschliche Gesundheit und Natur. Laut Europäischer Umweltagentur (EEA) starben 2015 in Österreich rund 7500 Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung. Obwohl in den letzten Jahrzehnten Fortschritte durch Maßnahmen auf internationaler und nationaler Ebene erzielt wurden, entstehen immer noch beträchtliche Kosten durch Luftverschmutzung – z.B. Gesundheitsausgaben, beeinträchtigte Ökosysteme, verminderte 
Ernteerträge in der Landwirtschaft.

Alle EU-Mitgliedsstaaten und auch Österreich schicken sich derzeit an, einen neuen Pfeiler auf diesem Gebiet einzuschlagen. Das sogenannte Göteborg-Protokoll (= Revision des UN/ECE-Übereinkommen über weiträumige, grenzüberschreitende Luftverunreinigung) und die NEC-Richtlinie der EU (= nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe / RL 2016/2284) setzen für das Jahr 2030 ein neues Ziel, das ab 2020 mit Maßnahmen an der Quelle 
(z.B. Kraftfahrzeuge, Industrie, Landwirtschaft), in Angriff genommen werden muss. Vorrangiges Ziel ist die Halbierung der durch Luftverschmutzung verursachten Gesundheitskosten und die Unterstützung regionaler Gebietskörperschaften, die Immissionsgrenzwerte für gesunde Luft vor Ort einzuhalten haben.

Demnach sind Emissionshöchstmengen für Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx), flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC), Ammoniak (NH3) und erstmals für Feinstaub (PM2,5) festgelegt. Bei der Auswahl der Maßnahmen sind dabei jene zu ergreifen, die sich mit dem Klimaschutz ergänzen, einen größtmöglichen Gesundheitseffekt erzielen und bei Feinstaub (PM2,5) vorrangig Black Carbon (BC) (siehe rechts) eliminieren.

Defizite und Vorgaben für gesunde Luft

Wie wird in Österreich die gesunde Luft sichergestellt? Die Antwort ist nicht leicht. Während die Bundesländer für die Einhaltung der Luftgrenzwerte vor Ort (Immissionsschutzgesetz-Luft – IG-L) zuständig sind, regelt der Bund über das Emissionshöchstmengengesetz (EG-L) und als Träger anderer Kompetenzen (z.B. Besteuerung) im Wesentlichen den Ausstoß von Schadstoffen auf nationaler Ebene. Außerdem werden viele Produkte (z.B. Kfz) und ihr Emissionsausstoß auf EU-Ebene normiert. Vereinfacht gilt aber: Wenn die Immissionsgrenzwerte vor Ort stimmen sollen, müssen EU und der Mitgliedsstaat ihre Hausaufgaben machen. Und dazu gibt es eben den NEC-Mechanismus.

Dieser existiert seit 2001 und hat schon für 2010 verbindliche Ziele für EU-Staaten festgelegt. Leider wurden die Verpflichtungen  (u.a. auch von Österreich) nur halbherzig erfüllt. Österreich hat bei Ammoniak seit 2016 wieder mehr als erlaubt emittiert und ist bei Stickstoffoxiden (NOx) EU-rechtlich nur knapp an einem Vertragsverletzungsverfahren vorbeigeschrammt, weil es höhere Realemissionen von Diesel-Pkw wegen nicht „vorhersehbarer Abgastricksereien der Autohersteller“ wegrechnen konnte. Rechtlich mag dies gedeckt sein, aber im wirklichen Leben hat das zu Grenzwertüberschreitungen und damit verbundenen Pkw-Fahrverboten als Begleitmusik in Europa geführt.

Vor allem die EU-Kommission hat daraus gelernt und erfolgreich für die nächste NEC-Periode durchgesetzt, dass Mitgliedsstaaten einen verbindlichen Zielerreichungspfad bis 2030 durch vierjährige Lufreinhalteprogramme erfüllen müssen. Diese sollen nicht mehr aus unverbindlichen Absichtserklärungen, sondern zwingenden und konkreten Maßnahmen bestehen. Erstmalig müssen diese bis 1. April 2019 aufgestellt sein. 

Neuer Faktor Zivilgesellschaft

Anders als früher bleibt es Regierung und Verwaltung künftig nicht allein überlassen, ob sie Emissionshöchstmengen einhält oder nicht. Denn auf Basis der Aahrus-Konvention muss Österreich nun nolens volens anerkannten Umweltorganisationen sowie in ihrer Gesundheit betroffenen Personen das Recht einräumen, die Einhaltung gerichtlich überprüfen zu lassen. Zieht man bereits ergangene EuGH-Judikatur heran, kann sich eine neue Qualität bei umweltpolitischem Handeln für eine saubere Luft ergeben, da Urteile keine Rücksicht auf politische Befindlichkeiten nehmen.

Umweltproblem Landwirtschaft

Die Verminderung von Ammoniakemissionen stand bei Verhandlungen auf EU-Ebene von Beginn an im Fokus. Jahrelang verkannt, spielen diese eine Rolle bei der Bildung von sekundärem Feinstaub (Partikelbildung in Verbindung mit Schwefel und Stickstoffoxiden) und schädigen darüber hinaus das Grundwasser. Ammoniak fällt ausschließlich in der Landwirtschaft bei Düngung und Massentierhaltung an. Die möglichen Maßnahmen reichen von einer festen Abdeckung der Güllebecken über fachgerechte Ausbringung von Gülle auf Feldern und weniger Eiweißgehalt bei der Fütterung von Tieren bis zu Filterungsanlagen bei Massentierhaltung. Allen Vorgaben zum Trotz sind Ammoniakemissionen in den letzten Jahren nicht gesunken, sondern sogar gestiegen. Daher ist Österreich noch immer von einer ernsthaften Erfüllung der Vorgaben für 2010 weit entfernt und eine Zielerreichung im Jahr 2030 (minus 12%) fraglich.

Die Bekämpfung von Feinstaub stand in vergangen Jahren im Mittelpunkt. Daher sind auch große Fortschritte beim Abbau von allen Feinstaub-Fraktionen erzielt worden und die Zielerreichung im Jahr 2030 ist nicht besonders anspruchsvoll. Für die NEC-Umsetzung sind nur primäre PM2,5-Emissionen relevant. Mengenmäßig größter Verursacher sind hier Haushalte mit Biomasseheizungen (v.a. Allesbrenner-Kessel, Stückholz-Einzelöfen und Kachelöfen), die alle anderen Bereiche (Verkehr, Offroad, Gewerbe) bei weitem übertreffen. Für die Verbesserung der Gesundheit ist relevant, inwieweit Black Carbon bei den zu ergreifenden Maßnahmen vermindert wird. Politisch interessant könnte es dagegen bei Feinstaub werden, wenn in den wenigen Regionen Österreich mit notorischen Feinstaub-Immissionsgrenzwertüberschreitungen (v.a. Stadt Graz) betroffene Bürger nun ihr Recht auf Einhaltung von Grenzwerten einklagen können.

Feinstaub und Stickstoffoxide

Prominent auf der Tagesordnung werden die Stickstoffoxide (NOx) bleiben. Diese entstehen bei Hoch-Temperatur-Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen. Der mit Abstand größte Verursacher ist der Verkehr. Österreich muss gemäß NEC-Vorgaben bis 2030 imposante Emissionsminderungen (minus 69%) erzielen. Für die Zielerfüllung wird maßgeblich sein, inwieweit der Stromantrieb und die Diesel-Pkw-Norm Euro 6d auf Österreichs Straßen Einzug halten wird sowie „Flexibilitätsregelungen“ (=Berichtigung bei Emissionsminderungsanforderungen wegen Abgastricks der Autobauer) von der EU-Kommission genehmigt werden.  Aber auch hier gilt: Relativ geringfügige Immissionsgrenzwertüberschreitungen an verkehrsstarken Straßen können von Umweltorganisationen und betroffenen Bürgern gerichtlich gefordert werden. Die Diskussion um Fahrverbote könnte also noch einige Jahre andauern. Wieviel Luft in welchem Zeitrahmen nach oben tatsächlich für eine gesündere Luft besteht, wird aber von den politischen Akteuren abhängen.