Politik

Ehrgeizige Ziele, aber: „Ohne Geld, ka Musi“

Unter den Titeln Klimaschutz & Energie, Verkehr & Infrastruktur und Umwelt- und Naturschutz manifestiert sich im neuen Regierungsprogramm größtenteils die Handschrift des grünen Koalitionspartners. Während in anderen Bereichen die klar wirtschafts- und landwirtschaftsfreundliche Haltung der ÖVP dominiert und dort etwa sinkende Steuern vor allem für Unternehmen*innen und Anleger*innen und zahlreiche Vergünstigungen, Förderungen und Privilegien der Landwirtschaft sowie eine Fortsetzung des rechten Asylkurses von Türkis-Blau verankert sind, adressieren diese Kapitel die Notwendigkeit des Ausstiegs aus der fossilen Wirtschaft mit zahlreichen ehrgeizigen Maßnahmen. 

Klimaschutz und Energie

Die Ziele des Regierungsprogramms stehen hier im Einklang mit der Umsetzung des Klimaabkommens von Paris. Der langfristige Ausstieg aus den fossilen Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas) wird einen tiefgreifenden Wandel in der Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringen. Aus Sicht der Arbeiterkammer muss dieser Prozess sozial verträglich und gerecht, sowie im Sinne der Arbeitnehmer*innen gestaltet werden. Die Wirksamkeit der Maßnahmen und die Verteilungsgerechtigkeit sind die zwei zentralen Kriterien, an denen das Programm der Bundesregierung im Klimaschutz zu messen ist.

Trotz der ambitionierten Ziele fehlt es über weite Strecken an der Konkretisierung der Maßnahmen (gesetzliche Instrumente, Erfolgsindikatoren) und an Angaben zur Finanzierung. Vorsichtig positiv zu bewerten ist, dass Klimaschutz- und Zukunftsinvestitionen unabhängig von der Einhaltung der Gesamtverschuldungsquote von 60 Prozent sichergestellt werden sollen. Das Regierungsprogramm benennt die für den Klimaschutz wesentlichen Investitionsbereiche: Öffentlicher Verkehr, thermische Sanierung, Ausbau erneuerbarer Energieträger. Diese Investitionen müssen freilich mit zusätzlichen Mitteln finanziert werden, die bereits im kommenden Budget vorgesehen werden müssten. Positiv zu bewerten sind die Bekenntnisse zu einer Reform des EU-weiten Emissionshandels (Mindestpreis, Grenzausgleich). Dass arbeitsmarktpolitische Instrumente im Zuge einer Just Transition, eines sozial gerechten Strukturwandels, angedacht sind, klingt gut. Sie müssen aber rasch konkretisiert und ausreichend dotiert werden. 

Energiearmut kein Thema

Im Bereich der Energieeffizienz sollen die Effizienzmaßnahmen strenger bewertet werden. Die Pläne zum Ausbau der erneuerbaren Energie sehen ein neues Förderregime vor. Beim geplanten Energieeffizienzgesetz, beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und auch beim Netzausbau fehlt noch die dringend nötige Betrachtung der Verteilungswirkungen. Besonders auffällig ist, dass Energiearmut, und damit der Kampf gegen sie, im Regierungsprogramm nicht vorkommen. Das ist aus Arbeitnehmer*innensicht ein gravierender Mangel, der bereits im nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) kritisiert wurde. Leider fehlen im Regierungsprogramm auch konkrete Pläne und Initiativen zur Verbesserung konsument*innenrechtlicher Schutznormen im Energiebereich (insbesondere bei der Wärmeversorgung oder der E-Mobilität).

Grüner Deckmantel

Kritisch zu sehen sind jedenfalls die Erleichterungen für sogenannte „grüne Anlagen“ im Finanzsektor (KESt-Befreiung für ökologische/ethische Investitionen, „Green Supporting Factor“ auf europäischer Ebene). Ebenso problematisch sind die Bestrebungen der Finanzialisierung und Deregulierung der Finanz- und Kapitalmärkte unter einem „grünen Deckmantel“. Dadurch besteht die Gefahr, dass das eigentlich positive Ziel der Unterstützung ethisch-ökologischer Veranlagungswünsche und eine stärkere Ausrichtung von Unternehmen an den Zielen der nachhaltigen Entwicklung (SDG) konterkariert wird. 

Verkehr dekarbonisieren

Im Kapitel „Verkehr und Infrastruktur“ setzt sich die Regierung das Ziel, den Verkehrssektor hin zu umweltfreundlicher Mobilität für alle zu entwickeln. Soziale Aspekte werden am Rande angesprochen, spielen aber keine wesentliche Rolle, obwohl sich vor allem im Straßengüterverkehr und in der Luftfahrt ökologische Ziele nur erreichen lassen, wenn Löhne und Arbeitsbedingungen massiv verbessert werden.

Ein Schwerpunkt des Programms ist die Förderung des öffentlichen Verkehrs, was auch den Forderungen der AK entspricht. Gute Ansätze sind zur Förderung von Radverkehr und Zufußgehen enthalten. Offen ist, ob das Herzstück des Programms mit zwei Milliarden Euro für den Nah- und Regionalverkehr mit neuen Mitteln ausgestattet wird und über welchen Zeitraum sie investiert werden sollen. Ihre Finanzierung und die des 1-2-3-Tickets, das leistbare öffentliche Mobilität für alle sicherstellen soll, sind völlig ungeklärt. Die kommenden Verhandlungen werden zeigen, ob sich der Bund mit den Ländern, die dabei eine aktive Rolle spielen müssen, auf einen gemeinsamen Weg einigen kann. 

Das Programm enthält erfreulicherweise ein klares Bekenntnis zur ÖBB und zum Schienenverkehr als Rückgrat des öffentlichen Verkehrs, sowie zum intensiven Ausbau der Schieneninfrastruktur. Sehr problematisch sind jedoch die Aussagen zur Direktvergabe, die nur mehr unter der Voraussetzung der „Marktkonformität der Vergabebedingungen“ erfolgen soll. Durch die angedachte gemeinsame Planung von Bahn- und Busverkehrsausschreibungen würde der Druck auf die Löhne und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten massiv steigen. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Schwerverkehrs und zur Verlagerung auf die Schiene sind eher deklaratorisch, das gilt auch für die Kostenwahrheit im Straßengüterverkehr (Maut, Bekämpfung des Sozialdumpings). Ebenso ist die Erhöhung der Flugticketabgabe zwar positiv, aber wenig ambitioniert. Wirksame Maßnahmen gegen das Lohn- und Sozialdumping, vor allem durch die boomenden Billigairlines fehlen, wären aber immens wichtig, um die ökologisch und sozial untragbare Entwicklung in diesem Sektor einzudämmen.

Umweltpolitik und Kompetenzverteilung

Das Kapitel Umwelt- und Naturschutz widmet sich den aktuellen Herausforderungen: Flächenversiegelung, Artensterben, Lärmbelastung, Bodenerosion und Luftverschmutzung. Es setzt Akzente im Bereich der Kreislaufwirtschaft und der Umweltverfahren.

Diese entsprechen weitgehend den Forderungen der AK. Ähnliches gilt auch für Luftreinhaltung, Boden- und Wasserschutz. Weniger ambitioniert ist das Programm jedoch dort, wo es um notwendige Kompetenzbereinigungen und verfassungsrechtliche Klärungen geht, um endlich bei Querschnittsthemen wie Klimaschutz oder Umweltschutz eine Planungskoordination zwischen dem Bund und den Ländern auf den Weg zu bringen. Kompetenzverschiebungen werden nur ausnahmsweise, und zwar konkret zum Klimaschutz und zur Biodiversität, vage „als zu prüfen“ angesprochen. 

Die Abschaffung der Teilkonzentration im 3. Abschnitt des UVP-G (Bundesstraßen und Eisenbahnen) und das Vorhaben, dass Amtssachverständige auch in anderen Bundesländern tätig sein sollen, sind wichtige Ansätze. Dies könnte tatsächlich eine Beschleunigung der großen Infrastrukturverfahren ermöglichen, sollte aber unbedingt von einem Quantensprung im Vollzug des Landesnaturschutzrechts begleitet werden. Gedämpft wird dieses positive Bild jedoch davon, dass im Kapitel „Entbürokratisierung und Modernisierung der Verwaltung“ immer noch das Anliegen „Gold-Plating reduzieren“ genannt ist, unter anderem mit der Absicht, „möglichst viele nicht durch EU-Vorgaben notwendige Betriebsbeauftragte freiwillig zu stellen“. Bedauerlich ist auch, dass das Thema „Freier Zugang zur Natur“ im Regierungsprogramm nicht enthalten ist.