Editorial: Bodenlos

Erosion, Verdichtung, Übernutzung, Versiegelung, Versalzung, Vergiftung - all dies trägt dazu bei, dass wir buchstäblich die fruchtbare Erde unter unseren Füßen verlieren, gleichsam bodenlos werden. Boden ist eben eine begrenzte Ressource. Es herrscht ein ständiger Nutzungskonflikt. Der Markt ist für nachhaltige Lösungen ungeeignet, die gewinnbringendste Nutzung führt häufig zur Zerstörung des „Bodenschatzes“. Ob und wie die bestehenden Maßnahmen zum Schutz des Bodens und seiner biologischen Vielfalt ausreichen und wirken, lässt sich schwer beantworten, denn Transparenz ist vielfach nicht erwünscht. Wieso sonst werden die positiven Ansätze für eine EU-Bodenschutzrichtlinie von Österreich seit Jahren abgelehnt? Auch eine bundesweit einheitliche Regelung zum Schutz des Bodens gibt es nicht. 

Und weltweit? Obwohl etwa zwei Drittel aller fruchtbaren Böden auf der nördlichen Halbkugel liegen, beanspruchen die reichen Länder des Nordens für die Produktion ihrer Konsumgüter große Landflächen in jenen Ländern, in denen fruchtbarer Boden knapp ist. Angebaut wird, was am lukrativsten ist und sich auf dem Weltmarkt gut verkaufen lässt. Auf der Strecke bleiben Bodenschutz und die Menschen in den ärmeren Ländern. 

Sorgsamer Umgang mit dem Boden ist nicht nur für eine nachhaltige Landwirtschaft wichtig. Wir brauchen auch Flächen, auf denen Fabriken, öffentliche Infrastruktur und Wohnungen gebaut werden. Vor allem in den Städten und Ballungsräumen sind verfügbare Flächen knapp, steigen die Baulandpreise. Damit sich alle weiterhin menschenwürdigen Wohnraum leisten können, müssen sozialer Wohnbau und eine ganzheitlich an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Stadtentwicklung wirksame Instrumente erhalten. Eine lebenswerte städtische Struktur findet sich weder in finsteren Hinterhöfen im Zentrum noch in Wohnsilos am Stadtrand.

Bodenschutz ist eine soziale und politische Aufgabe. Diese Aufgabe den Agrarlobbies der Welt zu überlassen, wäre eine bodenlose Dummheit.