Schwerpunkt

Kreislaufwirtschaft

Kreislaufwirtschaft im Paket

Als die neu bestellte EU-Kommission Ende 2014 das Zero-Waste-Package zurückgezogen und Ambitionierteres angekündigt hat, folgte ein Aufschrei von Umwelt-NGOs und aus dem EU-Parlament: Der Umweltschutz werde Wirtschaftsinteressen geopfert. In der Tat hatte es viel Kritik an diesem ersten Paket gegeben. Auch die AK hatte sich kritisch geäußert. Die Hoffnung war, dass der Schwerpunkt der neuen Strategie nicht mehr bloß auf der Abfallwirtschaft liegt, sondern mehr auf den gesamten Lebenszyklus der Produkte geachtet wird. Anfang Dezember 2015 hat die EU-Kommission das neue Package vorgestellt, das aus einem Aktionsplan in Form einer Mitteilung („Den Kreislauf schließen – Ein Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft“) und fünf Legislativvorschlägen besteht. Die Mitteilung versucht die schon im 7. EU-Umweltaktionsprogramm („Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“) für die Zeit bis 2020 deklaratorisch verankerten Überlegungen für einen Übergang zu einem nachhaltigen Wirtschaften zu konkretisieren. Der Aktionsplan enthält Ziele, Maßnahmen und einen Zeitplan für die Bereiche Produktion und Konsum, Abfallwirtschaft und Ressourcenwirtschaft und für spezielle Schwerpunktbereiche (Kunststoffe, Lebensmittelverschwendung, kritische Rohstoffe, Bau- und Abbruchabfälle, Biomasse und biobasierte Produkte und Innovationen/Investitionen). Die Legislativvorschläge enthalten zahlreiche der abfallbezogenen Maßnahmen. 

Die Kommission hat damit ein breites Konzept zur Kreislaufwirtschaft vorgelegt, das in vielerlei Hinsicht über den ersten Vorschlag hinausgeht. Mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum – so die Kommission. Das Paket soll Unternehmen und Verbraucher beim Übergang zu einer leistungsfähigeren, stärker kreislauforientierten Wirtschaft, in der Ressourcen nachhaltiger genutzt werden, unterstützen und spricht alle Phasen im Lebenszyklus der Produkte an. Die Kommission verspricht Kosteneinsparungen für die Unternehmen, die Schaffung von 600.000 Arbeitsplätzen – ein Drittel alleine in der Abfallwirtschaft – und auch deutlich weniger CO2. Der Aktionsplan enthält fast 50 Einzelmaßnahmen mit konkreten Zeitplänen. So sollen unter der bestehenden EU-Ecodesign-Richtlinie künftig auch Anforderungen an die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und die Recyclierbarkeit von Produkten gestellt werden können. Im Bereich „Konsum“ finden sich Aktivitäten zum Thema „geplante Obsoleszenz“, zu verbesserten Gewährleistungsregelungen – auch im Versandhandel, zur Internalisierung von Umweltkosten über ökonomische Instrumente oder Förderung von innovativen Formen des Gebrauchs von Produkten. 

Hohe Ambitionen  

Eine umfassende Bewertung des Pakets ist schwierig, alleine schon wegen seiner Vielfalt. Die Ambitionen sind offenkundig hoch. Der Berichterstatter im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss hat die Verbesserungen gegenüber dem ersten Paket gelobt und sieht das Paket nun als gute Basis. Doch Konkreteres ist auch aus den Schlussfolgerungen des Rates zum Aktionsplan, die er im Juni angenommen hat, nicht zu entnehmen. Am ehesten wird es z.B. Änderungen zur EU-Ecodesign-Richtlinie geben. Ob es zu einer echten Reform der gesetzlichen Gewährleistungspflichten kommt, um eine zweites Beispiel zu nennen, steht dagegen noch in den Sternen. Solche Regeln würden sofort alle Produkte erfassen, wären also viel wirksamer als die je Produktgruppe mühsam zu erarbeitenden Vorgaben aufgrund der EU-Ecodesign-Richtlinie. Es gibt derzeit keine Regeln, die die berechtigte Erwartung der VerbraucherInnen an die Lebensdauer von langlebigen Produkten wie z.B. Waschmaschinen berücksichtigen. Gerade da bestünde Handlungsbedarf, egal ob es tatsächlich zu einer Verlängerung der gesetzlichen Fristen kommt, oder ob wenigstens flankierende Vorgaben gemacht werden. Hilfreich wäre es schon, wenn Hersteller verpflichtet würden, sich verbindlich zur Lebensdauer ihrer Produkte zu äußern. 

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Circular statt Zero

Zu kontroversen Diskussionen führt auch immer wieder der Begriff Kreislaufwirtschaft, der sehr suggestiv wie ein Versprechen für eine bessere Welt verwendet wird. Betrachtet man die zum Teil widersprüchlichen Vorschläge dazu, zeigt sich, wie wenig Aussagekraft dieser Begriff in Wahrheit hat und wie leicht er auch für partikuläre Interessen nutzbar gemacht werden kann. Zu Recht hat die EU-Kommission im Rahmen der Konsultation die Frage gestellt, welche Produkte anhand welcher Ziele und in welcher Phase ihres Lebenszyklus – Produktion, Konsum, Abfall – mit welchen Maßnahmen angesprochen werden sollen.

Der Begriff Kreislaufwirtschaft oder die Betrachtung von Stoffströmen helfen da wenig. Kreisläufe gewährleisten nicht, dass die mit bestimmten Produkten verbundenen Umweltbelastungen entlang ihrer Wertschöpfungskette tatsächlich, merklich und effektiv vermindert werden. Eine Befragung der Stakeholder anhand der „Speisekarte der Möglichkeiten“ – so wie dies die Konsultation getan hat – zeigt nur die Interessenslagen auf. Bestes Beispiel sind die wiederkehrenden Forderungen aus der Entsorgungswirtschaft nach Absenkung von Umweltstandards, um das Recycling zu fördern. Die merkliche Verringerung der Umweltbelastungen muss jedoch das Ziel bleiben. Daher gilt es, diese in ihrer Gesamtheit im Auge zu behalten, um daraus verlässlich die relevanten Handlungsfelder und Instrumente für die nächsten Jahre ableiten zu können. 

Vorbildhaft in diesem Zusammenhang ist das Herangehen des Schweizer Bundesamts für Umwelt (BAFU). 2011 hat es erstmals die gesamte Umweltbelastung durch Konsum und Produktion in der Schweiz ermitteln lassen. Auffallendstes Ergebnis der Studie ist, dass Importe etwa 60 % der gesamten Umweltbelastung der Schweiz ausmachen. Dies verdeutlicht die Abhängigkeit der Schweiz von den natürlichen Ressourcen und Produktionsprozessen im Ausland und macht auch die Mitverantwortung für den globalen Umweltzustand ersichtlich. Die ökologisch relevantesten Konsumbereiche sind dabei Ernährung und Wohnen mit je 28 % sowie Mobilität mit zwölf Prozent. Nicht nur insgesamt fällt der große Anteil der im Ausland anfallenden Umweltbelastungen auf: In den meisten Konsumbereichen ist dieser bedeutend größer als im Inland. Nur der Konsumbereich Mobilität verursacht etwas mehr Umweltbelastungen in der Schweiz als im Ausland. Die Analyse der Umweltbelastung in der Schweiz nach den 
verschiedenen Wirtschaftsbranchen (ohne Exporte) zeigt, dass Landwirtschaft (30%), Energiewirtschaft, Abfallwirtschaft, Gastgewerbe und Transportgewerbe am stärksten ins Gewicht fallen. Ein vergleichbar systematischer Zugang fehlt auf EU-Ebene.

Ein durchwachsenes Bild zeigen auch die von der Kommission in Aussicht gestellten volkswirtschaftlichen Effekte. Beim ersten Paket verspricht die Kommission noch die Schaffung von 2 Mio. Arbeitsplätzen. Beim zweiten waren es nur mehr rund 600.000, ohne dass dies besser nachvollziehbar geworden wäre. Der Umgang mit Zahlen ist salopp. Gremien wie die Europäische Plattform für Ressourceneffizienz oder Think Tanks wie die Ellen MacArthur-Foundation schaffen keine zusätzliche Legitimation, da hier die Wirtschaft mit sich selber diskutiert. Die AK hat schon zum ersten Paket betont, dass beide Seiten der Sozialpartner bei der Ermittlung von Wohlfahrts- und Beschäftigungseffekten von Anfang an und systematisch einbezogen werden sollten. Der soziale Dialog wird nicht nur zu Ausbildungsfragen gebraucht.

Abfallwirtschaft konkret

Nur für die Abfallwirtschaft liegen schon Legislativvorschläge vor. Wichtigster Punkt ist, die viel zu lange Übergangsfrist der EU-Deponie-Richtlinie für das unbehandelte Ablagern von Abfällen zurückzuschrauben. Etliche Mitgliedstaaten werden hier großen Widerstand leisten, obwohl ein mittelfristiges Deponierungsverbot noch besser wäre. Positiv ist, dass es endlich Überlegungen für eigene ziffernmäßige Abfallvermeidungsziele gibt. Wichtig sind auch die Vorschläge zu mehr Transparenz und Kontrolle bei den Abfallsammelsystemen. In vielen Staaten gibt es monopolartige Systeme wie es das österreichische ARA-System lange war. Maßnahmen gegen In-Sich-Geschäfte sind hier dringend nötig, wie das EU-ARA-Wettbewerbsverfahren zeigt. Die Kommission hat hier eine Strafe von sechs Millionen Euro über ARA verhängt. Noch immer fehlt die Klarstellung, dass es eine von Wirtschaftsinteressen unabhängige Konsumenteninformation zu Abfallvermeidung braucht. In die einzurichtenden Dialogplattformen müssen auch KonsumentenvertreterInnen einbezogen werden. Im Jänner 2017 soll über die Änderungsvorschläge abgestimmt werden. Zentraler Streitpunkt dürfte der Wunsch aus der Wirtschaft sein, dass die Kommunen nur mehr für die Entsorgung der Privathaushalte zuständig sein sollen. Nach Visionen für eine bessere Welt klingt das nicht, eher nach „altem Wein in neuen Schläuchen“.