Schwerpunkt

Klima & Geld

Nachhaltige Finanzierung: Mehr als ein Slogan?

In unterschiedlichen Zusammenhängen soll derzeit geklärt werden, wie die beiden im Jahr 2015 verabschiedeten Meilensteine internationaler Politik – das Pariser Klimaschutzübereinkommen und die Sustainable Development Goals (UN Agenda 2030) – mit Leben erfüllt werden können. Dabei geht es nicht zuletzt um die Finanzierung der vereinbarten Dekarbonisierung der Wirtschaft im Laufe der nächsten Jahrzehnte. Während Nationalstaaten Klimastrategien und -pläne erarbeiten, sollen auf internationaler Ebene die Instrumente der Klimafinanzierung verstärkt werden (Seite 14). In der EU setzt die Kommission nicht nur in der nächsten Finanzperiode des EU-Haushalts einen Klimaschwerpunkt (Seite 18). Nachdem der Europäische Fonds für strategische Investitionen schon bisher auch nachhaltige Projekte im Privatsektor unterstützte, werden nun Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte von privaten Finanzanlagen in den Blick genommen.

Die Kommission hofft auf wachstumsfördernde Investitionen, die durch die Minderung von Verschmutzung und Emissionen bzw. die Steigerung der Ressourceneffizienz auch der Umwelt dienen. Thematisch fokussierte Green Bonds oder Climate Bonds sollen in diesem Sinne die Investitionen der öffentlichen Hand ergänzen. Die Diskussion dazu ist vielfältig. So wird beispielsweise von unterschiedlichen Organisationen und Initiativen – von der UN-Klimarahmenkonvention bis zu Universitäten und Städten – unter dem Schlagwort Divestment ein aktiver Ausstieg aus Investitionen in die Extraktion, Verarbeitung oder den Vertrieb fossiler Energieträger empfohlen bzw. bereits verfolgt. Zwar sind das nur erste Schritte hin zu nachhaltigeren Anlagestrategien. Durch die Nutzung politischer Gestaltungsspielräume – klare Klassifikationssysteme, zielgerichtete Förder- und Steuerstrukturen, adäquate Methoden der Risikobewertung – können diese aber unterstützt werden.

Initiativen der Europäischen Kommission

Bereits Ende 2016 hat die Europäische Kommission eine Studie veröffentlicht, der zufolge ab 2021 zusätzliche Investitionen im Umfang von 177 Mrd. Euro jährlich nötig sein werden, um die EU Klimaziele 2030 zu erreichen. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde die sogenannte hochrangige Expertengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen eingesetzt. Sie sollte die Kommission beraten, wie durch Reformen entlang der gesamten Investitionskette öffentliches und privates Kapital gleichermaßen in Richtung nachhaltiger Anlagen gelenkt werden kann. Nicht zuletzt geht es dabei auch um die Frage, welche Schritte die Finanzinstitutionen und deren Aufsichtsbehörden setzen müssen, um den Klimaschutz zu fördern und gleichzeitig durch die adäquate Abschätzung umweltbezogener Risiken Finanzmarktstabilität zu gewährleisten.

Auf der Grundlage des Anfang 2018 vorgelegten Endberichts der Expertengruppe veröffentlichte die Kommission im März 2018 ihren Aktionsplan zur „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“. Dahinter steht auch der Wunsch von Kommissionspräsident Juncker nach einer Führungsrolle Europas bei der international akkordierten Bekämpfung des Klimawandels. Mit Hilfe des Aktionsplans möchte man Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umlenken, Langfristorientierung und Transparenz von Anlagen fördern und dazu beitragen, finanzielle Risiken von Umweltzerstörung und Klimawandel besser zu bewältigen. Zu diesem Zweck soll auch geprüft werden, inwiefern die Eigenkapitalanforderungen von Banken auf die Unterschiede zwischen „grünen“ und „braunen“ Investitionen feinabgestimmt werden können. Der Aktionsplan dient darüber hinaus als Grundlage für Diskussionen auf internationaler Ebene, wie im Rahmen des Finanzstabilitätsrats, der G20 und G7 sowie der Vereinten Nationen. Im Jahr 2019 wird über die Umsetzung des Aktionsplans berichtet.

Konkret wurden im Aktionsplan zehn Maßnahmen definiert, für die teilweise schon im 2. Quartal 2018 erste Vorschläge und Ergebnisse vorgelegt werden sollten. An vorderster Stelle der legislativen Maßnahmen stehen Vorschläge für die Entwicklung einer einheitlichen EU-Taxonomie für nachhaltige Tätigkeiten (zunächst ist die Eindämmung des Klimawandels im Fokus, dann auch andere soziale und Umweltaspekte) sowie von Nachhaltigkeitsbenchmarks – mit einem Fokus auf CO2-Bilanzen, um Investoren bessere Informationen zum Carbon Footprint ihrer Anlagen bereitstellen zu können –  und für die Klärung der Pflichten von Vermögensverwaltern und institutionellen Anlegern. Diese sollen zukünftig Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Investitionsentscheidungen einbeziehen und dies auch nach außen nachvollziehbar offenlegen. Bereits im Mai 2018 hat die Kommission ein erstes Paket mit Vorschlägen zur Regulierung nachhaltiger Finanzierung angenommen. 

In weiteren Maßnahmen sollen Standards und Kennzeichen für umweltfreundliche Finanzprodukte entwickelt, unterstützende Aktionen zur Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte umgesetzt sowie insgesamt Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung gestärkt und das kurzfristige Denken an den Kapitalmärkten abgebaut werden. Auch in Ratings und Marktanalysen, in der Finanzberatung und in Aufsichtsvorschriften möchte man Nachhaltigkeitsaspekte besser verankern. Schlussendlich sollen mit diesen Maßnahmen – wie beschrieben – Finanzströme umgelenkt, finanzielle Risiken besser berücksichtigt und durch mehr Transparenz nicht nur die Fragmentierung des Markts verhindert, sondern auch Anleger bestmöglich vor sogenanntem Greenwashing geschützt werden.  

Weitere Initiativen

Neben der Europäischen Kommission widmen sich auch internationale Gremien der Förderung des Markts für „grüne Finanzanlagen“. So haben sich die G20 beim Gipfel in Hangzhou im Jahr 2016 auch mit den Potenzialen von Green Finance zur Unterstützung nachhaltiger Wachstumspfade und der Erreichung der Klimaziele beschäftigt. Die sogenannte Green Finance Study Group (GFSG) der G20 soll in diesem Sinne institutionelle und marktbezogene Barrieren identifizieren und, auf der Grundlage von länderspezifischen Erfahrungen, Ansätze zur Mobilisierung von Kapital für grüne Anlagen entwickeln. In diesem Kontext wurde 2017 der Green Finance Synthesis Report mit einem Schwerpunkt auf Environmental Risk­ Analysis (ERA) in der Finanzindustrie und Publicly Available Environmental Data  veröffentlicht. Dabei zeigt sich noch erheblicher Verbesserungsbedarf bei der Identifikation, Aufbereitung und Quantifizierung der Risiken und ihrer Folgen.

Öffentlich verfügbare Umweltdaten sind eine bedeutende Informationsquelle für die Finanzindustrie. Diese umfassen gleichermaßen Daten zu historischen Trends wie Zukunftsszenarien/-prognosen oder Analysen von Verschmutzungskosten bzw. dem Nutzen von Umweltsanierungsmaßnahmen – wobei neben einer Analyse der Umweltrisiken selbst auch eine Einschätzung der Reaktionen von Politik und Märkten erforderlich ist. Um der Unsicherheit derartiger Analysen Rechnung zu tragen, werden die für die Datengenerierung verantwortlichen Regierungen, internationalen Organisationen, NGOs oder wissenschaftlichen Einrichtungen dazu aufgerufen, auch die zugrundliegenden Annahmen offenzulegen. Unausgereifte Methoden, hohe Suchkosten und die geringe Anwenderfreundlichkeit wurde die Datennutzung im Finanzsektor derzeit erschweren. An diesen Schwachstellen möchten die G20 ansetzen, auch durch intensivierte Kooperation zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten.

Doch auch abseits der politischen Ebene gab es in den letzten Jahren einige Initiativen zur Weiterentwicklung und Systematisierung des grünen Anlagemarktes. So erstellt die in der Schweiz ansässige International Capital Market Association – mit 540 Mitgliedern aus dem erweiterten Finanzbereich in mehr als 60 Ländern – auf freiwilliger Basis die Green Bond Principles (GBP). GBP-konforme Anleihen müssen ihre (grünen) Inhalte anhand eigens definierter– und regelmäßig aktualisierter – Kriterien transparent nachweisen. Schwerpunkte werden dabei auf die Verwendung und das Management von Emissionserlösen, die Projektbewertung und -auswahl sowie die Berichterstattung gelegt.

Tatsächlich hat sich seit den ersten Emissionen grüner Anleihen durch die Europäische Entwicklungsbank und die Weltbank vor über 10 Jahren deren Volumenrasant vervielfacht, allein zwischen 2012 und 2017 ist das Marktvolumen einer Publikation des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln zu Folge (Neligan/Demary 2018) von 3 auf 157 Mrd. Dollar angewachsen. Im Sinne der InvestorInnen begrüßen die AutorInnen das Bemühen der Kommission um mehr Marktransparenz. Einer Anpassung der Eigenkapitalvorschriften für Banken stehen sie aber skeptisch gegenüber. Welche konkreten Formen die auf EU-Ebene geplanten Maßnahmen schlussendlich annehmen, wird sich wohl in naher Zukunft zeigen.