Betrieb

Tesla-Werk: Entwicklungsmotor oder Problemstifter?

Die Erwartungen an den neuen Tesla-Standort waren hoch, sowohl seitens des Unternehmens als auch der Politik. Mit den Worten „Der Osten ist vorne mit dabei“ von Bundeskanzler Olaf Scholz und „This is a great day for the factory“ von Elon Musk wurde das Werk im März 2022 eingeweiht. An dem Standort sollen nicht nur 500.000 Elektroautos pro Jahr produziert werden – etwas mehr als der Hälfte der 940.000 Autos, die Tesla 2021 global verkaufte – sondern auch die Batterien für diese Fahrzeuge. Eine sogenannte „Gigafabrik“. Damit einher gehen wichtige Impulse für den Arbeitsmarkt: So soll die Zahl der derzeit 4.500 Beschäftigten langfristig auf 12.000 wachsen.

  

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Tesla soll einen Entwicklungsimpuls für die strukturschwache Region geben, indem es zusätzlich zur Produktion auch Forschung und Entwicklung vorantreibt, weshalb es vom IPCEI-Projekt (wichtiges Projekt im Europäischen Interesse) für Batterieproduktion mit einer zweistelligen Milliardensumme profitieren könnte. Im November 2020 stellte Tesla einen Förderantrag im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftspolitik.   

Nachhaltige Beschäftigung oder Klassenkampf?

Die wirtschaftlichen Hoffnungen sind angesichts der ökonomischen Schwierigkeiten des Konzerns vorerst gedämpft. Tesla-Aktien fielen im zweiten Quartal 2022 um 46 Prozent. Dies sind aber nicht die einzigen Sorgen aus gewerkschaftlicher Sicht. 

Denn das Unternehmen ist in den USA für seine gewerkschaftsfeindliche Politik bekannt.  Die Beschäftigten von Tesla sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Für die Behinderung gewerkschaftlicher Arbeit wurden Elon Musk und andere Führungskräfte 2019 vor Gericht belangt. Das Verwaltungsgericht entschied, dass 12 Maßnahmen 
des Unternehmens gegen das US-Arbeitsrecht verstießen. Dazu gehört, dass das Sicherheitspersonal Beschäftigte belästigte, die auf dem Parkplatz Gewerkschaftsbroschüren verteilten, dass es den Beschäftigten verboten war, gewerkschaftsfreundliche T-Shirts und Buttons zu tragen, dass Gewerkschaftsorganisatoren wiederholt verhört und schließlich einer von ihnen entlassen wurde. Ein wichtiger Sieg der Gewerkschaften: Das entlassene Personal musste wiedereingestellt, die Monatslöhne rückwirkend ausbezahlt werden. 

In Deutschland verfolgt Elon Musk eine andere Strategie. So fand eine Betriebsratswahl im März 2022 statt. Doch ist im Hinblick auf die im Vergleich zu Gewerkschaften schwächere Verhandlungsposition der Betriebsräte zu befürchten, dass er sich nicht für Betriebsräte im Sinne des sozialen Dialogs, sondern als Mittel zur Verhinderung gewerkschaftlicher Strukturen interessiert.

Darauf weisen auch die Umstände der Betriebsratswahl hin: Zum Wahlzeitpunkt gehörte nur ein Bruchteil der Beschäftigten dem Produktionsbereich an, während die Mehrheit leitende Angestellte war, weshalb diese überproportional zur Wahl standen. Unerwarteterweise verfehlten sie die Mehrheit und müssen nun mit Listen koalieren, die repräsentativer für die Arbeitnehmer:innen in der Produktion sind. Dieses Ergebnis wird von der IG Metall als großer Erfolg für demokratische Arbeitskultur in Deutschland bewertet. Für die IG Metall ist die gewerkschaftliche Organisation von Tesla Priorität: Sie eröffnete ein eigenes Büro in Grünheide.

Aufgaben gibt es genug: Die Beschäftigten sind konfrontiert mit ungleichen und zu niedrigen Löhnen im Verhältnis zu den tariflich verhandelten Löhnen anderer Automobilkonzerne. Wegen des Fachkräftemangels sieht sich das Unternehmen allerdings nunmehr gezwungen, höhere Löhne bei Neueinstellungen zu bieten. Dadurch gibt es deutliche Entgeltunterschiede zwischen alt- und neueingestellten Beschäftigten, die dieselbe Tätigkeit verrichten. Dass sich daraus eine deutliche Be­lastung des Betriebsklimas entwickelt, liegt auf der Hand. Verschärft wird die Situation durch die derzeitige Inflation von fast 8 Prozent in Deutschland.

Umwelt und Betriebsansiedlung: Ein Zielkonflikt?

Neben dem Kampf um Arbeitsrecht und gewerkschaftliche Organisation findet auch ein Kampf ums Wasser statt. Denn die Tesla-Fabrik wurde in einem Wasserschutzgebiet errichtet und gefährdet laut dem regionalen Wasserverband die Trinkwasserversorgung. Dennoch genehmigte das brandenburgische Landesamt für Umwelt das Tesla-Werk, das das Grundwasserreservoir mit 3,3 Milliarden Liter Wasser pro Jahr belastet. 

Weitere ökologische Bedenken beziehen sich auf die gerodete Waldfläche von 154 Hektar. Das Land Brandenburg bemühte sich, den Verlust der Bäume als CO2 Speicher durch die Verpflichtung zu Aufforstungsmaßnahmen auszugleichen.

Grundsätzlich ist der Beitrag Teslas zur Energiewende fragwürdig. Das in Grünheide gebaute SUV-Modell Y „Made in Germany“ hat 514 bis 534 PS und verbraucht 15,7 kW/h pro 100 km. Das entspricht rund 2 Litern Benzin. Allerdings werden CO2-Emissionen, die durch die Produktion und Bereitstellung des Kraftstoffes bzw. anderer Energieträger entstehen, bei der Ermittlung der CO2-Emissionen nicht berücksichtigt, weshalb das Versprechen, Tesla sei für keinerlei CO2 Emission verantwortlich, irreführend ist. Selbst bei einem Anteil erneuerbarer Energie in Deutschland von 50 Prozent ist also die CO2-Bilanz nicht vernachlässigbar. Die Frage der Entsorgung der Hochleistungsbatterien bzw. der Wiederverwertbarkeit der verwendeten seltenen Rohstoffe (wie Lithium, Kobalt und Nickel) ist ebenso ein wichtiger, für die Umwelt äußerst relevanter Faktor. Oder, wie es der ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobilclub) ausdrückt: Die Recyclingeffizienz ist alles andere als auf der Höhe der Zeit.