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Menschen und Klima schützen statt Profite

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Andreas Fischer ist Maurer und Schalungsbauer in Niederösterreich und arbeitet das ganze Jahr überwiegend im Freien. Vor allem in den immer heißer werdenden Sommermonaten spürt er eine deutliche Veränderung zu seiner Zeit als Lehrling: „An heißen Tagen war die Arbeitsbelastung für uns schon immer hoch. In den letzten Jahren merken wir aber eine deutliche Steigerung. Jetzt gibt es immer mehr Tage, an denen die Hitze bei der Arbeit ein echtes Problem für uns ist.“ Hohe Temperaturen verringern nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern stellen auch eine Gefahr für die Beschäftigten dar. Neben langfristigen Folgen, wie dem erhöhten Risiko für hellen Hautkrebs, drohen Bauarbeiter:innen Hitzschlag oder Sonnenstich und im schlimmsten Fall der Hitzetod. 

Aufgrund der gefährlichen Hitzebelastung wurde bereits vor einiger Zeit eine Sonderregelung für den Bau geschaffen. Ab 32,5°C dürfen die Beschäftigten dort die Arbeit niederlegen – allerdings nur, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Das Unternehmen von Andreas Fischer nutzt die Möglichkeit für Hitzefrei im Sommer regelmäßig und entlastet dadurch seine Arbeiter:innen. Leider stellt das österreichweit die Ausnahme dar. Die Zahlen der Gewerkschaft Bau-Holz belegen, dass 2023 nur jede:r Vierte am Bau tatsächlich Hitzefrei bekam. Und das, obwohl 2023 der heißeste Sommer seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen war. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitgeber lässt ihre Beschäftigten auch bei unmenschlichen Temperaturen weiter schuften. Ein Skandal, wenn man bedenkt, dass den Arbeitgebern die Lohnkosten bei einem Dienstausfall durch Hitzefrei von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) erstattet werden. 

Es wächst zusammen, was zusammengehört

Auf die freiwillige Bereitschaft von Unternehmen bei der Gewährung von Hitzefrei kann nicht gezählt werden. Deshalb fordert die Gewerkschaft seit Jahren einen Rechtsanspruch. Passiert ist bislang nichts. Nun regt sich Widerstand. Auf der Akademie für sozialen und ökologischen Umbau, die letztes Jahr erstmals in der AK Wien stattfand und Klimaaktive, Gewerkschafter:innen und Wissenschafter:innen zusammenbrachte, entstand die Idee gemeinsam den Druck zu erhöhen. Im letzten Hitzesommer formierte sich deshalb eine ungewöhnliche Allianz: Gewerkschaft Bau-Holz und die AK schlossen sich mit Klimaaktivist:innen von Fridays for Future und System Change not Climate Change zum Bündnis „Menschen und Klima schützen statt Profite“ zusammen. Gemeinsam setzen sie sich jetzt für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf den Baustellen ein. 

Bei den Beschäftigten kommt das gut an: „Die Kollegen finden es gut, dass sich die Gewerkschaft dafür einsetzt. Bis auf wenige Ausnahmen nehmen die meisten bei uns die Hitzefrei-Regelung gerne in Anspruch“, erklärt Andreas Fischer. Für die Klimaaktiven ist die Allianz Teil ihrer neuen Strategie. Sie suchen vermehrt den Schulterschluss mit der Arbeitnehmer:innenbewegung, um jenen zu helfen, die direkt von den Folgen der Klimakrise betroffen sind. Das Bündnis will die arbeitsrechtlichen Ansprüche mit der Aussicht auf strukturelle Änderungen verknüpfen. Deshalb fordert es den Vorrang einer klimafreundlichen Infrastruktur gegenüber fossilen Bauprojekten, beispielsweise durch Investitionen in den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Schließlich ist klar, dass sich die Hitzebelastung für Beschäftigte am Bau in den nächsten Jahren erheblich verschlechtern wird. Ohne umfassende Klimaschutzmaßnahmen wird sich die Zahl der Hitzetage bis zum Ende des Jahrhunderts verdoppeln. 

Hitzefrei ab 30°C für alle Beschäftigten

Die derzeitige Rechtslage bietet keinen Hitzeschutz für Arbeitnehmer:innen, die im Freien arbeiten. Für Innenräume gibt es lediglich allgemeine Bestimmungen und eine Temperaturuntergrenze. Deshalb hat sich das Bündnis den Winter über zusammengesetzt und die nächsten Schritte geplant. Mit Hilfe der Arbeiterkammer konnten die arbeitsrechtlichen Forderungen detailliert ausformuliert und bei einer Pressekonferenz im Jänner vorgestellt werden. Dabei wurde die Forderung nach Hitzefrei auf alle Berufsgruppen ausgeweitet, die im Freien arbeiten. Für die Arbeit in Innenräumen soll es Temperaturobergrenzen geben. Die Umsetzung einer Hitzefrei-Regelung betrifft insgesamt sieben Gesetze und fünf Verordnungen, die reformiert werden müssen. Mit der präzisen Aufarbeitung der gesetzlich notwendigen Anpassungen hat das Bündnis bereits den Großteil der Arbeit für den Gesetzgeber geleistet. Deshalb soll noch im Frühjahr der Forderungskatalog dem Nationalrat vorgelegt werden. Hier wird sich zeigen, welche politischen Vertreter:innen für den Schutz der Beschäftigten einstehen. Sollte bis zum Sommer nichts passieren, hat das Bündnis bereits Aktionen auf Baustellen angekündigt.

Die Rolle der AK 

Mit „Wir fahren Gemeinsam“ (siehe dazu das Interview mit Markus Petritsch auf Seite 9) ist mittlerweile ein weiteres Bündnis entstanden – diesmal zwischen der Gewerkschaft vida, der AK und Klimaaktiven. Ziel ist es, für bessere Arbeitsbedingungen im Bussektor zu kämpfen und deutlich zu machen, dass nur so die notwendige Mobilitätswende gelingen kann. 

Mit diesen Bündnissen, der Akademie für sozialen und ökologischen Umbau, begleitenden Studien und Tagungen positioniert sich die AK als Raum für sozial-ökologische Bündnis- und Strategiefähigkeit. Durch die Ausarbeitung von Forderungen, die unmittelbar umsetzbar sind (klimafittes Arbeitsrecht, öffentliche Investitionen in thermische und energetische Sanierung und bessere Arbeitsbedingungen für Verkehrsbeschäftigte) soll nicht nur die Politik erreicht werden. Vielmehr geht es auch darum, AK-Mitgliedern konkret zu helfen und klar aufzuzeigen, wie ein sozialer und ökologischer Umbau eingeleitet werden kann.