Politik

Widerstandsfähige Wasserversorgung in der Klimakrise

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Für die Menschen der Stadt Barcelona hält dieser Winter eine Überraschung parat. Bereits im Februar wurden sie zum Wassersparen aufgefordert. Maximal 200 Liter Wasser pro Tag und Kopf durften die Einwohner:innen nur mehr verbrauchen. Der Grund: Die Niederschläge, die im Winter zu erwarten waren, blieben für die Region leider aus. Von Wintern mit wenig Niederschlag – der sogenannten Winterdürre –war auch das wasserreiche Österreich in den vergangenen Jahren mehrmals betroffen. Bilder von ausgetrockneten Seen (Zicksee, Anemonensee) oder dem niedrigen Wasserstand des Neusiedlersees füllten bereits viele Reportagen, die über die negativen Auswirkungen für Mensch, Natur und Wirtschaft berichteten. Was also tun gegen den Wasserstress? 

Europäische und nationale Lösungen gegen Wasserstress gefordert

Berechnungen des Umweltbundesamtes zeigen, dass sich Österreichs Grundwasserressourcen bis zum Jahr 2050 um 23 Prozent, von 5,1 Mrd. m³ auf 3,9 Mrd. m³, reduzieren könnten, wobei gleichzeitig mehr Wasser benötigt wird, vor allem für die Landwirtschaft, wenn sie so wirtschaftet wie bisher. Aktuelle Studien der Europäischen Umweltagentur (EEA) belegen zudem, dass bereits ein Drittel der Europäer:innen unter Wasserstress leidet. Wenn Wasser knapp wird, steht die Wasserwirtschaft, wie die gesamte Wirtschaft vor großen Herausforderungen. Gleichzeitig aber auch, wenn es kurzfristig durch Starkregen zu viel davon gibt. Um Wasserkonflikten und Überschwemmungen vorzubeugen, ist eine mittel- bis langfristige Planung notwendig, die klimatische und regionale Besonderheiten berücksichtigt. 

Der europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) fordert deshalb eine europäische Wasserstrategie. Ähnlich dem Europäischen Green Deal soll es einen „EU Blue Deal“ geben, um einen fairen und sorgsamen Umgang mit dem Lebenselixier Wasser in den Mittelpunkt zu stellen. Der EWSA weist darauf hin, dass es auf europäischer Ebene bislang nur vereinzelte Instrumente zur Bewältigung der Wasserherausforderungen gibt. Um die Wasserkrise in den Griff zu bekommen, ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Wasser muss jetzt Priorität haben und die für Wasser zuständigen Stellen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene müssen eine Führungsrolle übernehmen. Dabei sollte die EU mit der gleichen Entschlossenheit vorgehen wie beim Green Deal zur Bekämpfung der Klimakrise. Ein eigener Kommissar für Wasserfragen sollte eingesetzt werden. Ein „Fonds für einen blauen Übergang“ als zentrale europäische Anlaufstelle für wasserbezogene Initiativen ist einzurichten, um wassereffiziente Technologien, Arbeitsplätze und Kompetenzen sowie den Abbau von Ungleichheiten beim Zugang zu Wasser zu finanzieren. Projekte, die den Wasserverbrauch senken und die Wiederverwendung von Wasser fördern, sollten besonders unterstützt werden. 

Wasser gehört in das Eigentum der öffentlichen Hand 

Der Zugang zu bezahlbarer und qualitativ hochwertiger Wasser- und Sanitärversorgung ist seit 2010 ein von der Generalversammlung der Vereinten Nationen anerkanntes Menschenrecht.  Wenn Wasser knapp wird, steigt das Interesse privater Unternehmen und Wasser droht zum Spekulationsobjekt zu werden. In Kalifornien werden seit einigen Jahren Wasserrechte an der Börse gehandelt. Diese Art der Kommerzialisierung ist nicht im Sinne der Menschen, die auf Wasser angewiesen sind. Die Praktiken von zum Teil international agierenden Privatunternehmen, die mit dem „blauen Gold“ Profite erwirtschaften, sind daher abzulehnen. Vielmehr muss der Gemeinwohlgedanke gestärkt werden, indem Wasser in öffentlicher Hand bleibt. Nur so können die zukünftigen Herausforderungen der Wasserwirtschaft gut bewältigt und die Wasserversorgung für die nächste Generation gesichert werden. 

Die Wasserversorgung ist für die Menschen lebensnotwendig und Teil der kritischen Infrastruktur. In Zeiten drohender Wasserliberalisierung haben sich Gewerkschaften und Arbeiterkammer gemeinsam mit einer Koalition sozialer Bewegungen mit ihrer Initiative „Menschenrecht auf Wasser“ erfolgreich dafür eingesetzt, dass Wasser als öffentliches Gut und nicht als Ware anerkannt wird. Die negativen Erfahrungen mit der Privatisierung (höhere Wasserpreise, geringe Investitionen in die Infrastruktur etc.) haben in vielen Städten Frankreichs, Spaniens oder Deutschlands zur Rekommunalisierung der Wasserversorgung geführt. Gerade in Krisenzeiten ist es notwendig, eine klimaresiliente öffentliche Wasserversorgung sicherzustellen, die Gemeinwohlinteressen vor betriebswirtschaftliche Interessen stellt und damit die öffentliche Daseinsvorsorge stärkt. Die Auswirkungen der Klimakrise unterstreichen die Notwendigkeit, Wasserknappheit zu bekämpfen und das anerkannte Menschenrecht auf Wasser in allen Ländern umzusetzen.

Wasserstress und Nutzungskonflikte vermeiden 

Wasserknappheit wird aufgrund der Klimakrise zunehmen. Landwirtschaft und wasserintensive Industrien sind die größten Wasserverbraucher. Hohe Wasserverluste entstehen auch durch Leckagen im Leitungsnetz, die in manchen EU‑Ländern über 20 Prozent betragen. Mit neuen Technologien und wasserschonenden Praktiken (z. B. Tröpfchenbewässerung, Anbau von wassersparenden Kulturen, Stärkung der Kreislaufwirtschaft etc.) kann die Wassernutzung verbessert werden. Dafür sind Investitionen, Forschung und Innovation notwendig.  Vorausschauende Planung, bessere Datenlage, der Austausch mit Wassernutzer:innen in Form von Wasserräten sowie eine gute politische Abstimmung können Nutzungskonflikten um die kostbare Ressource Wasser vorbeugen. Bereits vor einer Wasserkrise sollte klar sein, wer wann wie viel Wasser nutzen darf. In Frankreich und Österreich wurde dazu ein Trinkwassersicherungsplan erarbeitet. Während in Frankreich die Wassersparvorgaben klar formuliert wurden, fehlen diese noch in Österreichs Plan. Auch die Frage der Folgewirkungen wurden bisher ausgespart: Welche Folgen hat es, wenn eine Fabrik aufgrund von Wassermangel schließen muss oder in der Landwirtschaft nicht mehr genug Wasser für die Bewässerung da ist? Hier sind gute Lösungen gefragt, um Wasserstress vorzubeugen. Ein Wandel in der Landwirtschaft hin zu Pflanzen, die weniger Wasser brauchen, hin zu Mischkulturen und weniger Fleischkonsum wird wohl auch notwendig sein. 

Investitionen in die Wasserinfrastruktur und Speicherkapazitäten sowie vorausschauende Planung können hier Abhilfe schaffen. Dazu ist ein breites Maßnahmenspektrum nötig, das von der Regenwassersammlung in Zisternen über den Bau von Speicherbecken und Ringleitungen bis zur Reduktion der Bodenversiegelung zur Erhöhung der Speicherfähigkeit der Böden reicht. Bei Hochwasserereignissen an Fließgewässern muss versucht werden, das überschüssige Wasser in Rückhaltebecken zu lenken und dort zu speichern. 

Sollte es dennoch zu Konflikten um Wasser kommen, muss die Versorgung mit Trinkwasser Vorrang vor allen anderen Nutzungen haben.  Studien zeigen, dass Menschen mit höherem Einkommen durch ihren Lebensstil ein Vielfaches an Wasser verbrauchen und damit die Wasserkrisen verschärfen. Dies wirft die Frage nach Einschränkungen für bestimmte Nutzungsarten auf (Pools, Beschneiungsanlagen, Bewässerung von Golfplätzen). Es ist an der Zeit, sich darüber zu verständigen, wie die Gesellschaft die wichtigste natürliche Ressource des Lebens gemeinsam nutzen soll. Für diese Diskussion sollte ein Rahmen auf regionaler, nationaler wie auch europäischer Ebene geschaffen werden. 

Ökologie stärken 

Nicht nur der Mensch, sondern auch die Natur braucht Wasser. Im Kampf ums Wasser haben Flora und Fauna oft keine Stimme. Dabei sind die komplexen Systeme eng miteinander verknüpft. So hängt die Qualität des Wassers unmittelbar von den verfügbaren Wassermengen ab. Sinkt der Grundwasserspiegel, steigt die Konzentration von Schadstoffen. Daher sollte zum Schutz der Wasserressourcen vor Verunreinigungen jeglicher Art das Verursacherprinzip in der allgemeinen EU-Gesetzgebung stärker angewendet werden. Steigen die Temperaturen von Grundwasser, Flüssen und Seen wirkt sich dies auch auf die Wasserqualität aus. Wasser braucht Platz um bei (Stark-)Regen besser abfließen zu können. Daher ist der Rückbau von Flüssen, die Wiederherstellung von Mooren und allgemein weniger Versiegelung von Böden wichtig, damit sie mehr Wasser aufnehmen und bei Überschwemmungen als Retentionsfläche dienen können. Dabei ist es wichtig, alle Akteur:innen an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam gute Lösungen zu erarbeiten. 

Entschlossen gegen die Klimakrise vorgehen und Wasserversorgung stärken 

Wasser ist die Grundlage unseres Lebens. In Zukunft müssen wir noch sorgsamer mit dieser lebenswichtigen Ressource umgehen. Eine europäische Wasserstrategie, der „EU Blue Deal“, ist notwendig, der das Menschenrecht auf Wasser, die gerechte Verteilung von Wasser, die Verbesserung der Wasserinfrastruktur und die Stärkung von Forschung und Innovation in den Mittelpunkt stellt. Ein „EU Blue Deal“ muss daher eine goldene Regel für Investitionen beinhalten, einen Fokus auf die Bekämpfung von Wasserarmut legen und die Ausnahme aus der Konzessionsrichtlinie (der Vergabe öffentlicher Aufträge) für Wasser respektieren und verteidigen. Angesichts der Klimakrise und der damit verbundenen Verknappung der Wasserressourcen sind alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die zu weniger Wasserverlusten und einer gerechten Verteilung der Wasserressourcen führen.  Dazu sind die rechtlichen und finanziellen Spielräume für Städte und Gemeinden zu erweitern, damit sie die erforderlichen Investitionen in die Infrastruktur tätigen können.  Schließlich ist entschlossenes Handeln beim Klimaschutz entscheidend. Nur so kann die Wasserversorgung geschützt und unsere Lebensgrundlage erhalten werden. Dank des ungewöhnlich vielen Regens der letzten Monate kann Österreich hinsichtlich der verfügbaren Wassermenge derzeit etwas aufatmen: Der Grundwasserspiegel ist wieder angestiegen. Zeit also, um gemeinsam Lösungen zu finden