Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Brauchen wir mehr verpflichtende Maßnahmen für Biodiversität?

Pro: Die Agrarpolitik trifft die falsche Entscheidung zur Intensivierung der Agrarproduktion für Tank und Trog auf Kosten der Biodiversität.

Österreichs Biodiversität verarmt. Trotz reichlicher Fördergelder. In Österreich ist, wie in ganz Europa, ein starker Rückgang an Biodiversität zu beklagen. Und das trotz Agrarumweltprogramm ÖPUL. Deren Teilnahme ist freiwillig und genügt nicht, um Biodiversitätsverluste zu stoppen. Seit 1998 sind in Österreich Feld- und Wiesenvogelbestände um 40 Prozent zurückgegangen. Diese wichtigen Gegenspieler von Schadinsekten verringern Ernteverluste und können den Einsatz von Insektiziden reduzieren. Essentiell für die Ernährungssicherheit ist auch, dass 75 Prozent der globalen Nahrungsmittelpflanzen von Bienen und anderen Bestäubern abhängig sind, die naturnahe Flächen zum Überleben brauchen.

Wenn jetzt unter dem Motto Versorgungssicherheit die Verpflichtung gestrichen wird, Biodiversitätsflächen anzulegen und darauf Pestizide verwendet werden, ist das der falsche Weg. Nicht eine auf gravierende Biodiversitätsverluste basierende Intensivlandwirtschaft schafft Ernährungssicherheit, sondern die ressourcenschonende Verwendung des Getreides in der Reihenfolge Teller-Trog-Tank. EU-weit wird täglich Getreide in der Menge von 15 Millionen Brotleibe im Tank verbrannt. 9 Prozent der globalen Getreideernte und 15 Prozent des Pflanzenöls werden zu Treibstoffen verarbeitet. Wenn man bedenkt, dass auch in Österreich lediglich 12 Prozent des Getreides direkt auf den Teller kommt, wird deutlich, wie groß der Spielraum ist, um alle Menschen reichlich ernähren zu können ohne die Biodiversität abzuschaffen.

Con: Auch 2022 werden in Österreich auf über 7 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche gezielt biodiversitätsfördernde Maßnahmen gesetzt!

Entgegen vielfach kommunizierter Befürchtungen steht ganz klar fest: Die freiwilligen Biodiversitätsleistungen der heimischen Landwirtschaft bleiben trotz EU-Nutzungsfreigabe für Brachen voll erhalten. EU-weit kann ein wichtiger Beitrag zur Lebensmittelversorgung erreicht werden, daher ist die Entscheidung grundsätzlich richtig. In Österreich sind hiervon weniger als 9.000 ha Brachen umfasst, also weniger als ein Prozent der Ackerfläche. Rund 2/3 davon bleiben als Brachen erhalten. Die über 70.000 ha im Rahmen des Österreichischen Agrarumweltprogramms ÖPUL freiwillig angelegten Biodiversitätsflächen zur Förderung der Artenvielfalt bleiben von der Ausnahmeregelung gänzlich unberührt. Gemeinsam mit anderen Flächen im ÖPUL wie Naturschutzflächen, Gewässerschutzstreifen oder Landschafselementen sind das deutlich über sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche, auf denen gezielt biodiversitätsfördernde Maßnahmen umgesetzt werden. 

Zusammen mit einer ÖPUL-Teilnahme von über 80 Prozent verdeutlichen diese Fakten nicht nur, dass Produktion und Biodiversitätsschutz kombinierbar sind, sondern auch, dass die heimischen Landwirtinnen und Landwirte gewillt sind ihren Beitrag zu leisten, wenn die damit einhergehenden Bewirtschaftungsaufwände entsprechend abgegolten werden. 

Bleibt die Frage an uns Konsumentinnen und Konsumenten: Sind wir bereit, für so erzeugte Produkte an der Kassa mehr zu bezahlen?