Leben

Dunkle Wolken am Himmel der Gentechnikfreiheit

Vor 25 Jahren, im Jahr 1997, unterzeichneten über 1,2 Millionen Menschen in Österreich das Volksbegehren gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft. Heute gibt es in Österreich eine breite Allianz gegen den Einsatz von Gentechnik. Im Supermarkt werden keine gentechnisch veränderten Lebensmittel angeboten und auf dem Acker keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut. Die Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens wurden erfolgreich umgesetzt. 

Forderung 1: Kein Essen aus dem Genlabor

Der Wunsch der Konsument:innen nach gentechnikfreiem Essen ist in Österreich ungebrochen. Daher gibt es auch keine Lebensmittel, die als gentechnisch veränderter Organismus (GVO) gekennzeichnet werden müssten. Der Anteil der Biolandwirtschaft, die per Definition gentechnikfrei wirtschaftet, steigt seit Jahren. Über 20 Prozent der Bauern und Bäuerinnen bewirtschaften fast 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche biologisch. Bereits im Juni 1997 gründet eine Allianz von NGOs, Supermärkten und Verarbeitern die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Gentechnikfrei. Ihr Ziel ist es, gentechnikfreie Lebensmittel auf den Markt zu bringen. Denn trotz Kennzeichnungspflicht bei GVOs gibt es noch immer eine Lücke: Lebensmittel wie Milch, Eier oder Fleisch, die von Tieren produziert bzw. gewonnen worden sind, welche mit GV-Futtermitteln gefüttert wurden, müssen nicht als GV-Lebensmittel gekennzeichnet werden.

Aber hier ist bereits sehr viel gelungen: Die gesamte österreichische Milch-, Eier, Hühner- und Putenfleischbranche ist auf gentechnikfreies Futter umgestellt.  Einiges zu tun gibt es aber noch bei Schweinefleisch und Rindfleisch. Dort werden in der konventionellen Landwirtschaft noch fast flächendeckend gentechnisch veränderte Futtermittel eingesetzt. 

Forderung 2: Kein Anbau von gentechnisch veränderten Organismen

In Österreich werden keinerlei GV-Pflanzen angebaut, weder zu kommerziellen noch zu Forschungszwecken. Seit 2015 ist es EU-rechtlich möglich, national den Anbau von GV-Pflanzen zu verbieten. Österreich sowie 18 andere EU-Länder nehmen dies Ausnahme in Anspruch. Weltweit wurden nach Angaben des Gentechnik-Interessensverband ISAAA im Jahr 2019 auf rund 190 Millionen Hektar GV-Pflanzen in 27 Ländern angebaut. In Europa ist derzeit eine GV-Maispflanze MON 810 zum Anbau zugelassen. Diese wird in Spanien und in Portugal angebaut. Weiters gibt es viele andere Pflanzen, die als GV-Lebens- und/oder GV-Futtermittel zugelassen sind. In Österreich werden jährlich rund 400.000 Tonnen GV-Soja, Mais und Raps an Rinder und Schweine verfüttert. 

Forderung 3: Kein Patent auf Leben

Patente auf konventionelle Züchtung sind in Österreich verboten. Die Praxis des Europäischen Patentamtes in München Patente auf konventionelle Züchtung zu erteilen (z.B. Tomaten, Broccoli, Braugerste), hat europaweit – auch aus Österreich – zu erheblicher Kritik geführt. Daher forderte das Europäische Parlament die EU-Kommission auf, die EU-Biopatentrichtlinie so auszulegen, dass Patente auf konventionelle Züchtung auszuschließen sind. Die EU-Kommission ist diesem Wunsch gefolgt und hat dies in ihrer Stellungnahme zur Auslegung der EU-Biopatentrichtlinie im Dezember 2016 klargestellt. Leider ist damit noch nicht alles getan. Das Europäische Patentamt in München erteilt laufend Patente auf die Eigenschaften, die durch zufällige Mutationen bei konventioneller Züchtung entstehen. Daher sind alle Schlupflöcher für zufällige Mutationen und Gentechnik-Patente, die dann auch konventionelle Sorten betreffen, zu schließen. 

Gentechnikfreie Lebensmittel – eine Erfolgsstory auch in Europa

In Österreich startete die Arge Gentechnikfrei bereits 1997 mit einer Auslobung gentechnikfreier Produkte auf freiwilliger Basis. Mittlerweile werden über 5.500 Produkte mit dem Qualitätszeichen „Gentechnikfrei“ gekennzeichnet. In Deutschland ist der Verein VLOG seit 2010 erfolgreich. Im Jahr 2020 wurden rund 12,6 Milliarden Euro für „Ohne Gentechnik“-Produkte ausgegeben, bei einem Marktanteil bei Lebensmitteln von 5,4 Prozent. Weiters bieten Bosnien-Herzegowina, Frankreich, Italien, Luxemburg, Polen, Slowenien, Schweiz, Tschechien und Ungarn Qualitätszeichen für die GV-freie Produktion an. Und auch die europäische Produktion gentechnikfreier Sojabohnen, als Donau-Soja und Europe-Soya zertifiziert, boomt. 

Neue Gentechnik – Neue Herausforderungen 

Mit dem Gentechnikvolksbegehren fand zugleich ein Paradigmenwechsel und Schulterschluss in Österreich statt. Heute gilt Österreich europaweit als Vorreiter für gentechnikfreie Lebensmittel und eine gentechnikfreie Landwirtschaft der alle Stakeholder, insbesondere auch die Landwirtschaft, miteinschließt. Aber, wird dies so bleiben?

Trotz des großartigen Erfolgs der letzten 25 Jahre gibt es heute mehr denn je zu tun, um den erfolgreichen Markt der gentechnikfreien Produktion abzusichern. Einerseits führt der verheerende Ukraine­krieg zu enormen Preissteigerungen sowohl bei gentechnikfreien Futtermitteln als auch bei Lebensmitteln. Andererseits versucht die EU-Kommission Gesetze für Produkte aus Verfahren der Neuen Gentechnik aufzuweichen. Damit könnte sowohl die derzeit verpflichtende Risikoabschätzung und Kennzeichnung als GVO fallen. Unter dem Titel „Rechtsvorschriften, die mit Hilfe neuer genomischer Verfahren gewonnen werden“, führt die EU-Kommission derzeit eine Online-Konsultation zu den Verfahren der Neuen Gentechnik durch. Beteiligen auch Sie sich an dieser Umfrage. Verhindern wir gemeinsam, dass die bestehende EU-Gentechnikgesetzgebung aufgeweicht wird. 

25 Jahre Gentechnikvolksbegehren – eine Erfolgsgeschichte. Österreich gilt europaweit als Garant für gentechnikfreie Lebensmittel und eine gentechnikfreie Landwirtschaft der alle Stakeholder, insbesondere auch die Landwirtschaft, miteinschließt. Doch es zeichnen sich dunkle Wolken am Himmel