Politik

Klimaschutzgesetz: Nur ein Ablenkungsmanöver?

Es ist unüblich, einen Artikel über etwas zu schreiben, das gar nicht existiert. Doch gerade beim Klimaschutzgesetz ist die Nicht-Existenz ein Thema, das die Emotionen hochgehen lässt. Die Grünen beklagen, dass ohne Klimaschutzgesetz ein Eckstein der Klimapolitik fehle. Die Volkspartei hingegen sieht ein solches Gesetz als nicht besonders wichtig an und schiebt es auf die lange Bank. 

Genau genommen fehlt nicht das Klimaschutzgesetz selbst – das gibt es seit 2011. Vielmehr fehlen die Ziele für 2030. Also die Festlegung der Mengen an Treibhausgasen, die in den verschiedenen Emissionsbereichen – Verkehr, Raumwärme, Landwirtschaft etc. – in den Jahren 2021 bis 2030 höchstens ausgestoßen werden dürfen. Sie sollten in einem Anhang des Gesetzes geregelt werden.

Das österreichische Klimaschutzgesetz (KSG) datiert aus dem Jahr 2011. Darin wurden für die einzelnen Sektoren Höchstmengen an Treibhausgasen zunächst bis 2012 und dann für die Periode 2013 bis 2020 festgelegt. Jedes Jahr muss die zuständige Ministerin einen Bericht vorlegen, ob diese Ziele eingehalten wurden.

Auch für die Jahre 2021 bis 2030 sollte es solche Zielvorgaben geben. Zumindest hatten sich die Koalitionspartner im Regierungsprogramm darauf geeinigt, dass „ein Klimaschutzgesetz mit klaren Treibhausgasreduktionspfaden, Zuständigkeiten, Zeitplänen und entsprechenden Ressourcen dafür sorgt, dass Österreich sein CO2-Budget nicht übersteigt.“

Vorzeitige Veröffentlichung eines Entwurfs

Das Klimaministerium machte sich ans Werk und arbeitete an einem Entwurf. Er sollte mehr umfassen als bloß die Tabelle mit den Sektorzielen – es sollte ein Gesetz mit Zähnen und Klauen werden. So sollte eine CO2-Steuer eingeführt werden, die im Fall der Zielverfehlung automatisch erhöht werden sollte. Die Kosten für Klimaschutzmaßnahmen sollten zwischen dem Bund und den Ländern klar aufgeteilt werden. Und es sollte eine Pflicht zur Überprüfung aller neuer Gesetzesvorhaben auf ihre Klimaverträglichkeit verankert werden. 

Doch der Entwurf wurde im Mai 2021, bevor er zwischen den Koalitionsparteien abgestimmt war, der Öffentlichkeit zugespielt („geleakt“) und erntete von verschiedensten Seiten scharfe Kritik. Es wurde gemutmaßt, dass die ÖVP selbst den Entwurf veröffentlicht hatte, um dadurch das ambitionierte Vorhaben der Grünen zu torpedieren. Seither erblickte kein weiterer Entwurf eines Klimaschutzgesetzes das Licht der Welt.

Manche NGOs und Fraktionen im Parlament kritisieren, dass es dadurch in Österreich keine Klimaziele gebe. Doch das stimmt nicht. Denn seit 2018 ist eine EU-Verordnung in Kraft, die für alle Mitgliedstaaten Reduktionsziele bis 2030 verbindlich vorschreibt. Diese Verordnung (EU 2018/842) wird auch als Lastenteilungsverordnung bezeichnet. Die Reduktionsverpflichtung gilt für diejenigen Emissionen an Treibhausgasen, die nicht vom europäischen Emissionshandel (EU ETS) erfasst werden, also für den sogenannten Non-ETS-Bereich. Diese Emissionen muss Österreich bis 2030 um 36 Prozent verringern, verglichen mit dem Wert von 2005.

Die Lastenteilungsverordnung enthält zwar keine Aufteilung der Reduktionsverpflichtung auf die einzelnen Sektoren, aber sie ist unmittelbar bindend, also in Österreich geltendes Recht. Das heißt, dass im Fall der Zielverfehlung der Republik ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof droht. Damit sind Strafzahlungen zu erwarten, und die Emissionsreduktion muss auch noch nachgeliefert werden. 

Verbindliche Klimaziele der EU

Bekanntlich hat sich die EU das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden, also in Summe keine Treibhausgase mehr auszustoßen. Zu diesem Zweck sollen auch die Reduktionsverpflichtungen der Mitgliedstaaten nach der Lastenteilungsverordnung strenger werden. Für Österreich bedeutet diese Novelle, dass bis 2030 nicht ein gutes Drittel, sondern fast die Hälfte der Emissionen reduziert werden muss, genau: 48 Prozent, und zwar ebenfalls rechtlich verbindlich. Damit wird deutlich, dass Nichtstun keine Option ist, denn mit jedem Monat, der ohne wirksame Klimaschutzmaßnahmen verstreicht, wird die Zielerreichung schwieriger.

Zumindest als Gesamtmenge über alle Sektoren sind die Reduktionsziele somit verbindlich vorgegeben. Welchen Mehrwert hat also das Klimaschutzgesetz? Das ist tatsächlich eine berechtigte Frage. Für das bisher geltende Klimaschutzgesetz lässt sie sich ziemlich klar beantworten: keinen. Es wurde deshalb mehrfach als „Papiertiger“ verlacht. Das Gesetz enthält Absichtserklärungen, verpflichtet den Bund und die Länder zu Verhandlungen über Maßnahmen, kann aber nichts ausrichten, wenn diese nichts taugen. 

Mühen des Föderalismus

Im günstigen Fall würde das KSG die „Governance“ der Klimapolitik festlegen, also regeln, wie die politischen Entscheidungsträger im Bund und in den Ländern sich auf Maßnahmen einigen, wie sie deren Umsetzung kontrollieren und wie sie gegebenenfalls die Maßnahmen anpassen. 

Dass das mit dem bisherigen Gesetz nicht gelang, liegt daran, dass diese Abstimmung in Österreich schwierig ist. Das liegt an der Aufteilung der Kompetenz zur Gesetzgebung zwischen dem Bund und den Bundesländern – dem sogenannten Föderalismus. Die österreichische Verfassung legt fest, in welchen Bereichen der Bund die Aufgabe hat, Gesetze zu erlassen und diese zu vollziehen. Für alles, was nicht in der Verfassung ausdrücklich dem Bund übertragen ist, sind die Bundesländer zuständig. So erlässt beispielsweise jedes Bundesland seine eigene Bauordnung – der Bund hat hier rechtlich keine direkte Einflussmöglichkeit. Damit kann der Bund die Länder z. B. nicht zu einem einheitlichen Standard bei der Wärmedämmung von Gebäuden verpflichten. 

Ein anderes Beispiel ist die Flächenwidmung. Hier liegt die Kompetenz bei den einzelnen Gemeinden; die Länder haben lediglich eine Aufsichtsfunktion. Der Bund hat nichts mitzureden. Aber die Flächenwidmung spielt eine zentrale Rolle für die Entstehung von Verkehrsnachfrage, denn sie bestimmt, wo Menschen wohnen, arbeiten, ihre Freizeit verbringen oder einkaufen. Anhand dieser zwei Beispiele wird klar, dass der Bund zwar Ziele für die Emissionsreduktion im Bereich des Verkehrs oder der Raumwärme festlegen kann und auch als Gesetz beschließen kann, dass ihm aber wichtige Instrumente fehlen, um diese Ziele auch in die Tat umzusetzen. Deshalb wurde immer wieder ein „Verantwortlichkeitsmechanismus“ diskutiert, mit dem der Bund die Länder verpflichtet, eine Art Pönale zu zahlen, wenn die Klimaziele nicht erreicht werden, die in den Wirkungsbereich der Länder fallen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Länder dem nie zugestimmt haben. 

Klimaschutz als Grundrecht

Ein weiterer Vorschlag entzweit die Koalitionsparteien: die Verankerung eines Grundrechts auf Klimaschutz in der Verfassung. Die Forderung nach einem solchen Grundrecht war ein Element des Klimavolksbegehrens; sie könnte im Klimaschutzgesetz umgesetzt werden. 

Ein solches Grundrecht würde auf der gleichen Stufe wie andere Grundrechte stehen, etwa wie das Recht auf persönliche Freiheit oder das Recht auf freie Meinungsäußerung. Angenommen, es gebe ein solches Grundrecht: Dann könnten Betroffene, wenn der Staat keine ausreichenden Maßnahmen zum Schutz des Klimas setzt, beim Verfassungsgerichtshof Klage erheben und damit Klimaschutzmaßnahmen erzwingen. In einem ähnlich gelagerten Fall kam es in Deutschland zu einem Urteil des Höchstgerichts, das den Staat nun zu strengerem Klimaschutz verpflichtet. 

Wirtschaftsvertreter:innen warnen daher in Österreich vor einer Verankerung von Klimaschutz als Grundrecht, weil sie dann einen Stillstand bei Bau- und Infrastrukturvorhaben fürchten. Diese Befürchtung ist sicherlich überzogen, denn nicht alle Bau- und Infrastrukturvorhaben schädigen das Klima.

Doch auch wenn Klimaschutz als Grundrecht in der Verfassung verankert wird, wäre es ein Fehler, nur darauf zu setzen, dass ohnehin die Höchstgerichte den Staat zum Handeln zwingen – gewissermaßen auf einen „Klimaschutz durch die Gerichte“. In diesem Fall gäbe es nämlich keine Planung und Abstimmung der Maßnahmen.

Sicherheit durch Planung

Eine gemeinsame, koordinierte Planung ist aber dringend notwendig. Denn nur sie macht es möglich, dass Haushalte sich auf die Anforderungen des Klimaschutzes einstellen können. Nur mit klaren Vorgaben wissen Unternehmen, welche Investitionen sie setzen müssen, um der Klimaneutralität näher zu kommen. Nur wenn sie gemeinsam und koordiniert vorgehen, können Bund, Länder und Gemeinden die Steuergelder sparsam und gleichzeitig wirksam einsetzen.

Aus diesen Gründen ist es nicht wünschenswert, dass Gerichte die treibende Kraft hinter dem Klimaschutz sind. Denn sie entscheiden nicht in Hinblick auf ein sinnvolles Ganzes, sondern in Bezug auf den jeweils vorliegenden Einzelfall.

Damit bleibt nichts anderes übrig, als dass Bund und Länder gemeinsam wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen planen und umsetzen. Mit „Maßnahmen“ sind hier ganz konkrete Vorhaben der Gesetzgebung gemeint, nicht Sonntagsreden über Klimaziele. Bis 2030 – also innerhalb der nächsten acht Jahre – müssen die Emission an Treibhausgasen im Verkehr, in der Raumwärme und in der Landwirtschaft halbiert werden. Das geht nur mehr mit radikalen Gesetzesänderungen. Genauer: Mit Änderungen derjenigen Gesetze, die unmittelbar Einfluss auf die Menge der ausgestoßenen Treibhausgase haben: Bauordnungen, Bundesstraßengesetz, Landwirtschaftsgesetze, Kraftfahrgesetz, Straßenverkehrsordnung …, um nur einige wenige zu nennen. Wenn ein Klimaschutzgesetz es leichter macht, dass diese Änderungen umgesetzt werden, umso besser. Aber am Klimaschutzgesetz entscheidet sich nicht, ob Österreich seine Klimaziele erreicht oder nicht. Ob und wann das Klimaschutzgesetz kommt, ist zweitrangig. Viel wichtiger und dringender ist, dass sowohl der Bund als auch die Länder rasch die konkreten Gesetze auf den Weg bringen, die tatsächlich und unmittelbar eine Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen bewirken.