Schwerpunkt

Weltklimapolitik

Sorgen mit dem Klimawandel

In den knapp 25 Jahren, die seit der Verabschiedung der Konvention vergangen sind, wurden solche Diagnosen in dieser oder ähnlicher Form vielfach wiederholt. Sprach man damals noch von einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass die von Menschen verursachten („anthropogenen“) Emissionen von Treibhausgasen, allen voran Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O), der Grund für die Klimaänderung sind, so gilt dies heute als erwiesen.

Der Treibhauseffekt selbst ist für das Leben auf der Erde unerlässlich. Gäbe es ihn nicht, würde die von der Sonne erwärmte Erdoberfläche die Wärme wieder ungehindert abstrahlen, und die mittlere Temperatur der Erde läge etwa bei -18 Grad Celsius – zu kalt für Leben auf der Erde. Die natürlichen Treibhausgase – in erster Linie gasförmiges Wasser in der Atmosphäre – bewirken, dass die Abstrahlung der Wärme in Form sogenannter Infrarot-Strahlung verringert wird. Sie bilden gewissermaßen eine wärmeisolierende Schicht über der Erdoberfläche. Erst bei einer höheren Temperatur der Erdoberfläche ist die Abstrahlung von Wärme so hoch, dass die einfallende Sonnenenergie und die abgestrahlte Wärmeenergie im Gleichgewicht stehen. Dadurch liegt die tatsächliche mittlere Temperatur der Erde bei etwa 14 Grad Celsius, also etwa 32 Grad Celsius höher, als dies ohne natürliche Treibhausgase der Fall wäre.

Treibhauseffekt

Dieser Effekt wird durch die Treibhausgase, die aus menschlichen Aktivitäten stammen, verstärkt. Durch diese zusätzliche „Wärmeisolierung“ kann nicht so viel Energie abgestrahlt werden wie von der Sonne auf die Erde trifft. Dadurch erwärmt sich die Erde weiter, und zwar so lange, bis die höhere Abstrahlung wieder mit der einfallenden Energie durch das Sonnenlicht im Gleichgewicht steht.

Die Einstellung dieses neuen Gleichgewichts ist ein langsamer, über Jahrzehnte und Jahrhunderte ablaufender Prozess. Viele Details dieses komplexen Vorgangs sind noch unbekannt, sie sind Gegenstand intensiver Forschungstätigkeit. Klar ist aber, dass für das Ausmaß der ausgelösten Veränderung die Menge an anthropogenen Treibhausgasen in der Atmosphäre ausschlaggebend ist: Je höher sie ist, desto weiter entfernt vom bisherigen Zustand wird das Gleichgewicht sein, das sich bei der neuen Konzentration einstellt. 

Zwar hat es auch in vorindustrieller Zeit bereits anthropogene Emissionen von Treibhausgasen gegeben, aber nur in sehr geringem Umfang. Mit der Nutzung fossiler Energieträger ab der Mitte des 18. Jahrhunderts gelangte aber laufend mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre als durch den Zuwachs an Biomasse wieder gebunden werden konnte. Etwa die Hälfte der CO2-Emissionen der Menschen seit dem Beginn des Industriezeitalters wurde dabei in den letzten 40 Jahren ausgestoßen.

Treibhausgase verweilen für lange Zeit, zumeist über Jahre und Jahrzehnte, in der Atmosphäre. Dadurch hält der von ihnen bewirkte „Strahlungsantrieb“ – geläufiger ist der englische Begriff „radiative forcing“ – lange an, auch wenn die Emission der Gase mit einem Mal gestoppt würde. Für das Ausmaß der globalen Erwärmung ist es daher nicht so sehr relevant, wieviel Treibhausgase pro Jahr ausgestoßen werden; ausschlaggebend ist vielmehr, wie hoch die gesamte Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre ist. 

Emissionen wirken kumuliert

Der fünfte Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC – „Intergovernmental Panel on Climate Change“), der in den Jahren 2013 und 2014 veröffentlicht wurde, legt dementsprechend besonderes Gewicht auf die Bedeutung kumulierter Emissionen. So wird im Bericht etwa festgestellt, dass die kumulierten CO2-Emissionen aus allen anthropogenen Quellen 3.650 Milliarden Tonnen CO2 nicht übersteigen dürfen, wenn das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden soll. Der Großteil dieser Menge ist bereits emittiert worden. So schätzt der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltveränderungen der Deutschen Bundesregierung (WBGU), dass bis 2050 weltweit nur mehr 750 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen werden dürfen, wenn das Zwei-Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Drittel erreicht werden soll. Bei den derzeitigen jährlichen Emissionen von etwa 35 Milliarden Tonnen CO2 ist diese Reserve in gut 20 Jahren erschöpft.

Das oberste Ziel der Klimarahmenkonvention ist „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird.“ Als Konkretisierung dieser Zielsetzung wurde bei der Klimakonferenz in Cancún 2010 vereinbart, dass die globale Erwärmung die Schwelle von zwei Grad Celsius nicht überschreiten solle. Freilich ist allgemein akzeptiert, dass dieser Wert ein politisches, nicht ein naturwissenschaftliches Ergebnis ist. Viele Wissenschaftler weisen darauf hin, dass auch bei einer Erwärmung des Klimas um weniger als zwei Grad gefährliche Veränderungen auftreten können.

Doch scheint die Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Zwei-Grad-Ziels eher theoretisch, da die Wahrscheinlichkeit, dass es noch erreicht werden kann, immer geringer wird. Für die Klimakonferenz in Paris haben die Vertragsstaaten Zusagen vorgelegt, in welchem Ausmaß sie beabsichtigen, ihre Emissionen an Treibhausgasen in Zukunft zu verringern. Diese Zusagen werden als „Intended Nationally Determined Contributions“ (INDC) bezeichnet, zu Deutsch also „beabsichtigte, national festgelegte Beiträge“. Nach einer Analyse des Sekretariats der Klimarahmenkonvention werden diese unverbindlichen Zusagen, wenn sie tatsächlich erfüllt werden, bis 2030 eine Verringerung der Emissionen pro Person um neun Prozent bewirken. Die kumulierte Menge an Treibhausgas-Emissionen im Zeitraum 2012 bis 2030 wird nach dieser Analyse bei etwa 750 Milliarden Tonnen CO2 liegen. Das ist genau die Menge, die nach der Berechnung des WBGU noch emittiert werden darf, wenn das Zwei-Grad-Ziel noch erreichbar bleiben soll.

Unterschiedliche Wirkungen

Doch was bedeutet eigentlich eine Erwärmung der Erdoberfläche um durchschnittlich zwei Grad Celsius? Das klingt nicht nach einer dramatischen Änderung. Ob es an einem Tag 17 oder 19 Grad hat, nehmen wir gewöhnlich kaum wahr. Betrifft ein derartiger Anstieg aber die globale Mitteltemperatur, kann das weitreichende Folgen haben. 

Einer der Effekte der Klimaerwärmung ist die Häufung von extremen Wetterereignissen: Starkregen und Überschwemmungen, aber auch Trocken- und Hitzeperioden werden wahrscheinlicher. Neben der Gefahr für Leib und Leben, die sie darstellen können, führen sie unter anderem zu Schäden an der Infrastruktur und zu Verlusten bei der land- und forstwirtschaftlichen Produktion. 

Dabei zeigen die immer genaueren Modelle, dass die Auswirkungen regional recht unterschiedlich sein können. So sind beispielsweise in Österreich deutlich stärkere Anstiege der Temperatur zu verzeichnen als im weltweiten Durchschnitt. Im Vergleich zum Mittel der Jahre 1961 bis 1990 ist bis zum Jahr 2100 mit insgesamt 3,5 Grad Erwärmung zu rechnen.

Noch brisanter ist, wie unterschiedlich der Klimawandel auf Arm und Reich wirkt. Das reicht von unterschiedlichen Zugängen zu sauberem Wasser oder zu Lebensmitteln nach einem Ernteausfall über verschiedene Betroffenheit bei Überschwemmungen bis hin zum Zugang zur Gesundheitsversorgung. Diese Unterschiede bestehen zwischen Staaten, aber innerhalb einzelner Staaten in noch viel höherem Maß zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Damit kann der Klimawandel zur Verschärfung der Spannungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen und zwischen Staaten beitragen. Die Beiträge von Florian Wukovitsch und von Christoph Görg (S. 14 und S. 18) gehen auf Fragen der Gerechtigkeit und der nötigen gesellschaftlichen Transformationen genauer ein.

Große Herausforderung

Angesichts der bisherigen Entwicklungen und der sinkenden Aussicht, das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen, ist ein gewisses Gefühl der Resignation nachvollziehbar. Aber gerade die Diagnose, dass Armut der wesentlichste Risikofaktor für negative Betroffenheit durch den Klimawandel ist, kann auch als Ansporn zu einem Kampf gegen die Armut verstanden werden. Dabei helfen keine apokalyptischen Warnungen, die den Untergang der ganzen Menschheit heraufbeschwören. Die reichsten zehn Prozent werden es sich auch in einer viel wärmeren Welt gemütlich einrichten können. Die große Herausforderung besteht also nicht darin, die „Menschheit“ zu retten – was immer man sich darunter vorstellen mag –, sondern einen Beitrag dazu zu leisten, dass jeder einzelne Mensch ein würdiges und erfülltes Leben führen kann – und dass das auch noch in zwei, drei Generationen der Fall ist. ¨