Betrieb

Beteiligung schafft Gegenmacht

In den vergangenen Monaten rückten die unzumutbaren Arbeitsbedingungen von Buslenker:innen in privaten Unternehmen verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Diese erhöhte Aufmerksamkeit für die Missstände in der Branche ist dem Einsatz des Bündnisses „Wir fahren gemeinsam“ zu verdanken. Im Jahr 2023 haben sich die Gewerkschaft vida, die Arbeiterkammer und die Klimabewegung zusammengeschlossen, um gemeinsam mit den Buslenker:innen für bessere Arbeitsbedingungen und eine sozial gerechte Mobilitätswende zu kämpfen. Nun, nach über einem Jahr und einem erfolgreichen Abschluss der Kollektivvertragsverhandlungen (KV-Verhandlungen), ist es Zeit, zurückzublicken und die Erkenntnisse aus dieser Zusammenarbeit zu reflektieren. Das Fazit: Mit Beteiligung und starken Bündnissen kann echte Gegenmacht im Betrieb aufgebaut werden. 

Wie alles begann 

Ein Großteil des Busverkehrs in Österreich wird von privaten Unternehmen wie Postbus und Dr. Richard betrieben. Obwohl diese Unternehmen bereits jetzt verzweifelt nach Lenker:innen suchen, bleiben die Arbeitsbedingungen in der Branche mangelhaft. Mit dem notwendigen Ausbau des öffentlichen Busliniennetzes wird der Bedarf an Buslenker:innen weiter steigen. Die Klimafrage und die Frage der Arbeitsbedingungen hängen hier unmittelbar zusammen.

Auf der Akademie für sozialen und ökologischen Umbau 2023 entstanden erste Kontakte zwischen Vertreter:innen der Gewerkschaft vida und Aktivist:innen aus der Klimabewegung. Nachdem „Fridays for Future“ und „System Change not Climate Change“ bereits 2022 ihre Solidarität mit streikenden Eisenbahnbeschäftigten bekundet hatten, gründeten sie gemeinsam mit vida und der Arbeiterkammer Anfang 2024 das Bündnis „Wir fahren gemeinsam“. Die zentrale Botschaft lautet dabei: Die Mobilitätswende kann nur mit guten Arbeitsbedingungen im Verkehrssektor gelingen.

Strukturaufbau durch 
Organizing

Die gewerkschaftliche Organisierung von Buslenker:innen ist aus mehreren Gründen eine Herausforderung. Die Betriebsstruktur in der Busbranche ist stark fragmentiert, mit mehreren Garagen pro Betrieb, in denen die Beschäftigten ihre Dienste beginnen und beenden. Oft fehlen Sozial- und Pausenräume zur Erholung der Fahrer:innen. Selbst bei vorhandenen Räumen erschweren unterschiedliche Dienstpläne den regelmäßigen Kontakt unter den Kolleg:innen. Betriebsrät:innen haben daher oft Schwierigkeiten, ihre Belegschaften zu mobilisieren und regelmäßig zu erreichen. Das Bündnis hat mit den Kollektivvertragsverhandlungen 2024/25 auf Organizing-Methoden gesetzt, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Durch viele persönliche Eins-zu-eins-Gespräche gelang es der Gewerkschaft vida gemeinsam mit den Aktivist:innen, ein bundesweites Netzwerk aktiver Busfahrer:innen in enger Zusammenarbeit mit Betriebsrät:innen aufzubauen. Gewerkschaftliche Kernmethoden wurden hierbei durch das freiwillige Engagement von Klimaaktivist:innen unterstützt. 

Ein zentraler Bestandteil des Beteiligungsansatzes war die Einführung von Garagenverantwortlichen (GVs), die als Bindeglied zwischen dem KV-Team und den Garagen fungierten. Aufgabe der GVs war es, ihre Teams zunächst über den Stand der KV-Verhandlungen zu informieren und sie anschließend zu organisieren. Zudem wurde ein großer WhatsApp-Infokanal eingerichtet, über den Tausende Fahrer:innen schnell und unkompliziert mit wichtigen Informationen versorgt werden konnten. Die GVs, die nach und nach Verantwortung übernahmen, brauchten aber auch einen Raum, um sich austauschen und Mut schöpfen zu können. Dieser Ort waren die digitalen Aktiventreffen der GVs, die meist wöchentlich stattfanden. Neben den Aktiventreffen und den gewählten Gewerkschafts- und Betriebsratsstrukturen etablierten sich die sogenannten Verhandlungs-Rückkopplungen als wichtiges Beteiligungsinstrument. Noch am Abend der Verhandlungsrunden (oder, wenn diese länger dauerten, am darauffolgenden Abend) kam das Verhandlungsteam mit den GVs online zusammen, um direkt aus den Verhandlungen zu berichten. Diese transparente Berichterstattung empfanden die GVs als sehr wichtig, da sie dadurch in der Lage waren, ihre Kolleg:innen in den Garagen ab dem nächsten Tag umfassend zu informieren. 

Mit Warnstreik zum Erfolg

Der Beteiligungsansatz schuf mit dem Netzwerk an GVs echte Durchsetzungskraft in den einzelnen Garagen. Durch die vielen persönlichen Einzelgespräche rund um die Forderungen und den aktuellen Stand der KV-Verhandlungen war es den Lenker:innen möglich, in die Offensive zu gehen. Als sich die WKO als Verhandlungspartei der Arbeitgeber:innenseite auch nach vier Verhandlungsrunden und mehreren kleineren Protestmaßnahmen immer noch nicht substantiell bewegt hatte, gelang es den Kolleg:innen am 20. Februar an über 100 Standorten in ganz Österreich den ersten Warnstreik der privaten Autobusbranche zu organisieren. Über 700 Lenker:innen streikten – viele von ihnen zum ersten Mal – und spürten so ihren direkten Einfluss auf die Verhandlungen. 

Bündnisse als wichtiger Baustein für den Umbau

Angesichts der drohenden Klimakatastrophe und der steigenden Ungleichheit werden wir in den nächsten Jahren zivilgesellschaftliche Bündnisse mit Schlagkraft benötigen. Gemeinsame Bündnisse von Klima- und Arbeitnehmer:innenbewegung zeigen Wege für eine sozial gerechte Klimapolitik auf, die dem neoliberalen Modell des Grünen Kapitalismus eine solidarische Alternative entgegenstellt. Beteiligungsmechanismen wie in der KV-Runde der privaten Buslenker:innen sind dabei der entscheidende Hebel, um betriebliche Gegenmacht zu entwickeln. Reden wir MIT den Beschäftigten statt ÜBER sie!