Betrieb

Weiz – mit Ideenreichtum zum nachhaltigen Vorbild 

Wenn sich Städte ganz Europas mit einer Kleinstadt in der Oststeiermark messen und den Innovationen dieser knapp 12.000 Einwohner*innen zählenden Kommune nacheifern, dann ist das bemerkenswert. Beim sogenannten „e5 European Energy Award“ erzielte Weiz bereits zum zweiten Mal im vergangenen Jahr die höchste Prämierung „Gold“. Um diesen Preis zu erhalten, bedarf es eines Konzeptes, das die Bereiche Energieeffizienz, Klima- und Umweltpolitik sowie Mobilität umfasst. Erst wenn alle Bereiche herausragende Ergebnisse zeigen, wird nach einem ausführlichen Audit von einer Kommission diese Auszeichnung verliehen. Im Fall von Weiz erreichte man als erste steirische Gemeinde mit 81,8 Prozent der geforderten Auflagen diese Auszeichnung.

Nachhaltigkeit bereits seit 20 Jahren

Der Weg in Richtung Umwelt-, Energie- und Klimaschutz hat in Weiz eine lange Tradition. Seit 20 Jahren arbeitet man bereits Konzepte und Projekte zu diesen Themen aus. „Mit der Einrichtung von eigenen Innovationszentren, Gesellschaften wie der Projektentwicklungs GmbH. und der Heranziehung echter Profis auf den jeweiligen Gebieten, haben wir es geschafft die Visionen meiner Vorgänger umzusetzen“, erklärt Bürgermeister Erwin Eggenreich. Einen Großteil der Projektumsetzung im innerstädtischen Bereich übernimmt die Stadtverwaltung selbst. Hier arbeiten in erster Linie die Umweltabteilung und die eigens gegründeten Unternehmen Hand in Hand.

Als vor 20 Jahren die Idee einer nachhaltigen Stadtpolitik entstand, konnten viele Weizer dies nur schwer nachvollziehen. Damals war Weiz als Industriestadt bekannt – Energieeffizienz, Klimaschutz und Nachhaltigkeit wohl eher weniger üblich im örtlichen Sprachgebrauch. Das Umdenken kam mit dem Wunsch – entgegen dem Trend zum „Gewerbepark auf der grünen Wiese“ – die komplette Infrastruktur des Handels und des täglichen Lebens innerhalb des Stadtgebietes anzusiedeln bzw. zu halten. Während viele Kommunen mit dem Ortskernsterben zu kämpfen haben und das Zupflastern von Grün- und landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Industrie- und Gewerbeparks weitergeht, ging Weiz andere Wege. Die Belebung der Innenstadt zu gewährleisten war nur durch ein durchdachtes Mobiliätskonzept möglich.

Vom Nadelöhr zur Verkehrsdrehscheibe

Eine Stadt mit vielen Arbeitsplätzen hat selbstverständlich auch eine sehr hohe Pendlerfrequenz. Täglich pendeln 2.560 Weizer aus dem Stadtgebiet  hinaus und 10.720 Menschen herein. Österreichweit belegt Weiz mit 169 Prozent Pendlerquote den fünften Platz bei den Städten. Damit der Innenstadt nicht der Verkehrskollaps droht, mussten tragbare Bedingungen geschaffen werden. Weiz ist grundsätzlich gut erreichbar. Die Verkehrsanbindung über die B 72 (Richtung Graz/Krieglach) und die B 64 zur A2-Auffahrt in Gleisdorf (Richtung Graz/Wien) sowie die S31-Bahnverbindung der Landesbahnen nach Gleisdorf und Graz und die guten Busverbindungen ins Umland bieten eine brauchbare Basis. Innerstädtisch gibt es zahlreiche Busse und eigens entwickelte Mobilitätsplattformen. Noch vor einem Jahrzehnt war Weiz bekannt als Nadelöhr. 2017 begann man schließlich mit der „Ortsdurchfahrt Neu“ diesen Umstand zu ändern. In drei Abschnitten wurde und wird das neue Verkehrskonzept umgesetzt. Kostenpunkt ca. 130 Mio. Euro, Fertigstellung 2022. Die ersten beiden Projektabschnitte sind bereits umgesetzt. Eine Straßenerneuerung inklusive Gleisverlegung (Abschnitt 3a) ist bereits fertiggestellt, zwei großzügige Unterflurtrassen inklusive Untertunnelung bis zum LKH (Abschnitt 2) sind in Bau, eine mögliche Untertunnelung bis zum Bundesschulzentrum im Norden (Abschnitt 3) wird vielleicht später einmal errichtet. Die Verlegung der Gleisanlage war wohl eine der größten Herausforderungen. Das Ziel war es, den Norden der Stadt und somit auch die dort befindliche Andritz AG/Siemens, anzuschließen. Die Standortsicherung ist für die Stadt essenziell. Außerdem profitieren davon auch alle Bewohner*innen. Die Schnellbahn S31 fährt im halbstündlichen Takt quer durch die Stadt. Weiz hat sich entschieden, bewusst die Industrie-, Gewerbe- und Handelszonen im Zentrum zu halten. Die Widmung von Flächen für Wohn- und Siedlungsbau findet ebenfalls in der Stadt und nicht außerhalb statt. Mit den Nachbargemeinden hat Weiz ein gutes Einvernehmen. Etwaige Industriegebiete werden gemeinsam geplant. Die Gemeinde St. Ruprecht an der Raab übernimmt z.B. gemeinsam mit Weiz die Aufschließungsgebühren für neue Betriebe und teilt sich das Kommunalsteueraufkommen im Verhältnis 70 Prozent (Standortgemeinde) zu 30 Prozent (Partnergemeinde).

Naherholung für die Stadtbevölkerung

In Zeiten von Corona hat sich stark gezeigt, dass gerade Menschen in urbanen Zentren Rückzugs- und Erholungsflächen brauchen. Für den Zweck der Naherholung hat Weiz deshalb kürzlich 25 Hektar von der Nachbargemeinde Mortantsch erworben. Hier entsteht ein grüner Naturraum, der allen Weizer*innen zur Verfügung stehen wird. Zum umweltfreundlichen Stadtbild selbst tragen auch zahlreiche begrünte Objekte bei. Erstmalig versuchte man sich an einer grünen Fassade – hinter dem historischen Rathaus. Mit der Idee der Begrünung der Gleisanlagen hatte die Landesbahn wenig Freude. „Das war ein harter Kampf. Aber man hat sich hier auf bodendeckende Pflanzen einigen können, die weder den Zugverkehr behindern, noch extra gepflegt oder gemäht werden müssen,“ heißt es seitens der Stadt.

Mobile Bäume und Grünzonen – vor allem am Weizbach – sorgen für bessere Luft und zahlreiche Radwege sollen animieren, das Auto stehen zu lassen. Mit einer Ausdehnung von 17,5 km2 kann man in der Stadt Weiz praktisch jeden Punkt zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen. Dieser Devise folgt übrigens auch der Bürgermeister. Der tägliche Gebrauch seines E-Bikes ist kein PR-Gag, sondern entspricht seiner Haltung gegenüber einer klimaneutralen Mobilität.

WeizBike, E-Carsharing und WASTI

Nachhaltige Fortbewegung wird in Weiz großgeschrieben. Dank eines Entwicklungsprogrammes des Landes Steiermark konnte ein langfristiges, verbindliches und strukturiertes Radverkehrskonzept erstellt werden. Ein umfangreiches Radwegenetz, zahlreiche Möglichkeiten sich ein Rad (E-Bike und Normal-Fahrrad) an signifikanten Stationen auszuleihen (WeizBike), sowie spezielle Zuschüsse für Stadtmitarbeiter bei der Anschaffung eines Fahrrades, beflügeln die Radmobilität gleichermaßen. 

Mit der neuen Aktion „JobRad“ bietet die Personalvertretung in Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde Weiz jedem/r Mitarbeiter*in beim Kauf eines Fahrrades oder E-Bikes eine Förderung von 25 Prozent (maximal € 400) an. Diese Aktion wird sehr gut angenommen. Auch das E-Carsharing findet Anklang. Es wurden geförderte Elektro-Autos angekauft und über einen Verein zur Verfügung gestellt. Dem Trend zum Zweitauto wird so entgegengehalten. Zur Reduktion des Individualverkehrs trägt auch das Projekt WASTI – das Weizer Anruf Sammel Taxi bei. Von 175 Sammeltaxi-Haltestellen kann man sich vergleichsweise günstig (2 Euro für Einfach- und 3 Euro für Hin- und Retourfahrten) abholen lassen. 

Zukunft in Weiz

Die nächsten Jahre sollen in Weiz einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel bringen. Denn auch wenn die Stadt praktisch alles, was man sich an modernen Mobilitätsangeboten vorstellen kann, schon so gut wie umgesetzt hat, so hat sie doch auch mit Problemen zu kämpfen. In erster Linie sind das Parkraumprobleme. Die Schaffung des „Park’s“, eines Einkaufszentrums mit eigenem großen Parkhaus und die blauen Zonen mit moderaten Parkgebühren sind nur ein Anfang. Gratisparken ist kein zukunftsträchtiges Konzept mehr, aber günstig Parken, das soll in Weiz weiter möglich sein.

Das nächste Riesenprojektsteht schon in den Startlöchern. Auf dem Gelände des ehemaligen Bauhofes (2017 in den Süden verlegt und großzügig ausgestaltet), entsteht das Stadtparkquartier. Neben Unterhaltung, Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten wird auch die Natur nicht zu kurz kommen. Denn das Projekt beinhaltet einen 6.000 m2 großen Park mit Grünfläche. Wie wichtig Nachhaltigkeit ist, sollen schon die kleinsten Weizer begreifen. Zum Bildungszweck wurden deshalb 18 Energie SchauPunkte errichtet. Einer davon ist das erste, österreichische Plusenergiegebäude, das Geminihaus. Gelegen im neuen Funergy Park bringt es Kindern und Jugendlichen spielerisch das Thema Energie näher.