Wirtschaft & Umwelt - Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

Kontroverse: Sollten Einnahmen aus dem Straßenverkehr den öffentlichen Verkehr mitfinanzieren?

Pro: Viele Beispiele zeigen, dass die Verlagerung zum öffentlichen Verkehr dann gut funktioniert, wenn verkehrsträger­übergreifend geplant wird. 

Der Verkehr ist als Gesamtsystem zu betrachten. Österreich plant weitgehend in getrennten Kategorien – Straße ist Straße, Schiene ist Schiene. Das ist nicht überall so. In Schweden wurde beispielsweise im Jahr 2010 eine Gesamtverkehrsbehörde etabliert und in der Schweiz gibt es mit dem „Sachplan Verkehr“ ein verbindliches Koordinationsinstrument zwischen den Verkehrsträgern.

Der Verkehr ist Österreichs Sorgenkind beim Energieverbrauch und Klimaschutz. In politischen Strategiepapieren ist das Ziel daher klar: Der Anteil des öffentlichen Verkehrs soll steigen. Damit das gelingt, muss Verkehr als Gesamtsystem gedacht werden.

Die gute Nachricht: Es funktioniert. In der Schweiz finanziert eine flächendeckende Lkw-Abgabe den Bahn-Ausbau mit. Während der Lkw-Verkehr über die Schweizer Alpenpässe seither rückläufig ist, nimmt er am Brenner stark zu. In Oslo gibt es seit 1990 eine City-Maut, deren Einnahmen zu 98 Prozent in den öffentlichen Verkehr fließen. Auto-Nutzung und CO2-Emissionen sind rückläufig, der öffentliche Verkehr gewinnt dazu. So auch in Wien, wo die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung dem öffentlichen Verkehr und Radverkehr zufließen. Lag der Auto-­Anteil Anfang der 1990er Jahre noch deutlich über dem Öffi-Anteil, hat sich das Verhältnis mittlerweile gedreht und Wien gilt als Öffi-Vorzeigestadt.

Das Fazit liegt auf der Hand: Ohne verkehrsträgerübergreifende Planung gibt es keine Verlagerung. Umgekehrt bestätigt die Praxis: Mutige Verkehrspolitik zeigt Wirkung. 

Con: Autofahrerinnen und Autofahrer finanzieren Milliarden ins Budget – sie sollten nicht auch noch zusätzlich für den Öffi-Ausbau herangezogen werden. 

Autofahrer:innen zahlen bereits mehr als genug! Die Antwort auf die gestellte Frage kann somit nur eindeutig ausfallen. Österreichs Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer tragen bereits jetzt eine enorme Steuerlast. Rund 15 Milliarden Euro fließen jedes Jahr von den österreichischen Autofahrerinnen und Autofahrern in das allgemeine Budget. Damit finanzieren sie schon jetzt den Betrieb und Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel zu einem großen Teil mit – wenn auch indirekt.

So wird beispielsweise der U-Bahn-Ausbau zur Hälfte vom Bund finanziert und auch der Betrieb vieler Bahn- und Buslinien wird durch Zuschüsse der öffentlichen Hand unterstützt. Ein nicht geringer Teil dieser Subventionierung stammt bereits jetzt Jahr für Jahr von den Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern.

Unbestritten ist, dass die öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich eine sehr wichtige Rolle einnehmen und die Mobilität von vielen Millionen Menschen sicherstellen. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum das Öffi-Netz von einer Mobilitätsgruppe – nämlich von denjenigen, die Kraftfahrzeuge nutzen – noch mehr finanziert werden soll, obwohl sie selbst Bahn, Bus und Straßenbahn kaum nutzen. 

Vielmehr sollte mit den Steuereinnahmen aus dem Kraftfahrzeugverkehr die Straßeninfrastruktur stärker ausgebaut und an das heutige Mobilitätsverhalten in Österreich angepasst werden. Der Pkw-Bestand beträgt mittlerweile rund 5,2 Millionen Fahrzeuge und es sind jedes Jahr mehr Autos unterwegs. Damit wächst auch der Bedarf an einer modernen, leistungsfähigen Straßeninfrastruktur, die diesem Trend gerecht wird.