Interview: „Wir schnüren ein Sparpaket, betreiben aber keine Austeritätspolitik“
Sie bezeichnen die Zinszahlungen als Gefahr für das zukünftige Budget und wollen stattdessen lieber in Klimaschutz investieren. Dennoch wird am meisten im Umweltbereich gespart. Das Klimaticket wird verteuert, aber der Pendlereuro wird verdreifacht und das Dieselprivileg bleibt. Das ist eine klare Investition in den Kfz-Verkehr, nicht wahr?
Wir investieren und subventionieren weiter umfangreich in den öffentlichen Verkehr. In den Jahren 2025 bis 2030 sind rund 19,7 Milliarden Euro für den Ausbau der Schieneninfrastruktur im ÖBB-Rahmenplan vorgesehen. Das Klimaticket wird zwar teurer, aber bleibt dennoch ein sehr attraktives Angebot und wird umfangreich mit Steuergeld gestützt. Es begeistert die Menschen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Genau diesen Kulturwandel brauchen wir. Ich hätte gerne ein Budget vorgelegt, das umfangreiche Investitionen in Klima- und Naturschutz umfasst. Aber die budgetären Umstände sind, wie sie sind. Wir müssen sparen, um den Staatshaushalt wieder zu sanieren. Und wir sind eine Koalition aus drei verschiedenen Parteien – die sich alle im Budget wiederfinden. Zum Pendlereuro: Das ist auch eine Gerechtigkeitsfrage. Alle Selbstständigen können, wenn sie Arbeitswege mit dem Auto machen, die Nutzung des Autos steuerlich absetzen. Unselbstständige, die ihre PKWs für die An- und Abreise zum Arbeitsplatz brauchen, sollen das auch können. Nicht zuletzt ist beim Pendlereuro auch der öffentliche Verkehr umfasst.
Änderungen können durch Förderungen oder Ordnungspolitik bewirkt werden. Wenn für Förderungen das Geld fehlt, könnte dies ein Revival der Ordnungspolitik bringen? Wie könnte dies in Bezug auf Klima- und Verkehrspolitik aussehen?
Angesichts der budgetären Lage können wir uns ungenaue und überschießende Förderungen nicht mehr leisten. Es ist ganz wichtig, alle Klimamaßnahmen auch danach zu beurteilen: Was sind die effizientesten Maßnahmen in Bezug auf die Zielerreichung? Deshalb stellen wir nun auf einen Mix an Regulierungen und der budgetären Situation angemessenen Ausgaben um. Wir schaffen so die Rahmenbedingungen für den Gasausstieg in der Raumwärme, verbessern den Bodenschutz durch rechtliche Regelungen – etwa durch die Vermeidung von Leerstand – und bringen die Dekarbonisierung im Wohnungsbestand durch Maßnahmen im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, im Wohnungseigentumsgesetz usw. voran.
Wieso ist es seit 2022 überhaupt zu einer solchen Teuerungsdynamik gekommen?
Österreich hat sich seit 2022 – auch im Vergleich mit anderen EU-Ländern – schlecht geschlagen. Das Niveau der Verbraucherpreise ist innerhalb von nur drei Jahren um fast 20 Prozent gestiegen. Die schwache Leistung von Österreichs Wirtschaft und Wirtschaftspolitik in der Teuerungskrise ist auch die wichtigste Ursache für die anhaltende Budgetmisere. Statt gezielt regulatorisch in Preise einzugreifen, hat Österreich versucht, die hohe Inflation für Haushalte und Unternehmen mit immer neuen Transfers und Förderungen auszugleichen. Das war erstens wenig erfolgreich in der Bekämpfung der Teuerung und zweitens außerordentlich kostspielig für den Staatshaushalt. Im Vergleich dazu hat Österreich beim Energiepreisschock der 1970er Jahre eine umfassende Preisregulierung gehabt. Sie hat dazu geführt, dass die Inflation im internationalen Vergleich niedrig war und wir relativ gut durch die Krise gekommen sind.
Müsste jetzt nicht antizyklisch investiert werden? Die Offensivmaßnahmen sind allerdings gering im Vergleich zu den Konsolidierungsmaßnahmen.
Wenn wir es jetzt nicht schaffen, das Budgetdefizit einzudämmen, würden die Staatsschulden bis 2029 auf 97 Prozent des BIP steigen. Damit nehmen wir uns Spielraum für Zukunftsausgaben, weil die Zinszahlungen und die Abhängigkeit von den Kapitalmärkten sehr hoch werden. Mir ist eines wichtig: Wir schnüren zwar jetzt ein großes Sanierungspaket, doch wir betreiben keine Austeritätspolitik. Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse haben wir uns bemüht, Maßnahmen zu setzen, bei denen der dämpfende Effekt auf Nachfrage und Beschäftigung möglichst gering ist. Das gilt für die Stabilitätsabgabe der Banken und den Energiekrisenbeitrag ebenso wie für „Share Deals“, die Umwidmungsabgabe, die Besteuerung von Privatstiftungen, die Verlängerung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer, die Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung auf Photovoltaikanlagen oder die Bekämpfung von Steuerbetrug.
Eine der wichtigsten Zukunftsinvestitionen wäre jene in die „Industrietransformation“, um den Ausstieg aus Öl und Gas zu schaffen. Die sollte bis 2030 gefördert werden, nun fallen hier 2025 und 2026 bis zu 350 Millionen Euro weg. Wie ist das Ziel des ökologischen Umbaus noch zu halten?
Indem wir es als Ziel ernst nehmen und stärker regulatorisch eingreifen: Ziele vorgeben, die Umsetzung an die Unternehmen und die Haushalte delegieren. Wir können uns Förderungen im Umfang der letzten Jahre einfach nicht mehr leisten. Die Bundesregierung bekennt sich zur Klimaneutralität 2040. Die Treibhausgas-Emissionen in Österreich sind in den letzten Jahren markant zurückgegangen, wir brauchen aber noch mehr Anstrengungen, um das Klimaziel 2030 zu erreichen. Mir ist die grüne Reindustrialisierung ein besonderes Anliegen. Für viele tolle österreichische Firmen bringt das auch enorme Marktchancen in Österreich und international. Für entscheidend halte ich auch die Ausweitung der öffentlichen Investitionen in eine gute Infrastruktur: vom Trinkwasser über die Mobilität und leistbares Wohnen bis zu den Energienetzen und zum Schutz vor Extremwetterereignissen in Stadt und Land. FJ