Kommunikation
Supermarkt mit Anspruch auf Veränderung
Guter Konsum
Lässt sich eine Transformation im Lebensmittelsystem zivilgesellschaftlich anstoßen? Diesen Anspruch stellt die genossenschaftlich organisierte Initiative morgenrot. Am 9. Mai eröffnete sie ihre erste Supermarktfiliale am Dornerplatz in Wien Hernals. Über die Genossenschaft sind sowohl Produzent:innen als auch Konsument:innen organisiert und alle Beteiligten werden in die Entscheidungen eingebunden. Konsument:innen können aktuell etwa 2500 verschiedene Produkte für den täglichen Bedarf erwerben. Im Unterschied zu vielen anderen Initiativen hat morgenrot dezidiert das Ziel, eine komplexe Logistik aufzubauen, weitere Filialen zu eröffnen und somit auch eine Alternative zu den großen Lebensmittel-Einzelhändlern für breite Bevölkerungsschichten zu bieten. Den Anfang macht nun der Supermarkt am Dornerplatz. Max Schwarzenbacher
Infos unter: www.morgenrot.wien
Schlechte Herkunft
Ökonomie
In seinem neuen Buch zeigt der kanadische Historiker Quinn Slobodian, dass zentrale Strömungen der extremen Rechten nicht aus einer Gegenbewegung zum Neoliberalismus entstanden sind, sondern genau in dieser neoliberalen Ideentradition fußen. Nach dem Kalten Krieg begannen Neoliberale, soziale Ungleichheit nicht mehr als Nebeneffekt des Marktes, sondern als Ausdruck natürlicher Unterschiede zu deuten. Statt mit Wachstum argumentierten sie zunehmend biologisch oder kulturell, wie es etwa Charles Murray tut, der Intelligenzunterschiede als Ursache sozialer Hierarchien sieht. Slobodian erkennt darin eine ideologische Verschiebung, die er als „New Fusionism“ bezeichnet und die rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften den Weg ebnete. LW
Hayek’s Bastards: Quinn Slobodian, Princeton University Press (2025)
Vom Wolkenfischen und durstigen Städten
Naturschutz
„Waterpressure“ heißt die umfangreiche Ausstellung im MAK, die sich in fünf Kapiteln mit der Ressource Wasser auseinandersetzt und Gestaltungsstrategien für eine Welt zwischen Wasserknappheit und -überfluss zeigt. Das Kapitel „Ökosysteme“ präsentiert praxisnahe Lösungsansätze, um ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur wiederherzustellen, so etwa den „Cloudfisher“, einen Nebelkollektor, mit dessen Hilfe abgelegene Bergregionen Marokkos mit Trinkwasser versorgt werden können. „Körper und Wasser“ geht der Verteilungsungerechtigkeit von Trink- und Brauchwasser auf den Grund und denkt über nachhaltige Ansätze für die Grundversorgung nach. Antworten auf wasserintensive Produktionsprozesse in der Industrie finden sich im Kapitel „Unsichtbares Wasser“. „Durstige Städte“ untersucht Ansätze zur Bewältigung der Wasserkrise von Großstädten rund um die Welt. Abschließend werden unter „Wassergeschichten“ Exponate gezeigt, die die Beziehung Mensch und Wasser weltweit über die Jahrtausende hinweg dokumentieren und Gestaltungsgrundlage für die Zukunft bieten. Wer sich durch die beeindruckende Vielfalt der umfassend aufbereiteten Recherchebeiträge und Lösungsansätze durchgearbeitet hat, darf sich Expert:in nennen! JS
Water Pressure. Gestaltung für die Zukunft
MAK – Museum für angewandte Kunst – bis 07.09.2025
https://www.mak.at/waterpressure
Gutes Klima
Arbeitszeitverkürzung
Autor:innen aus den unterschiedlichsten Bereichen erklären, warum „kürzer arbeiten“ gut für Gesellschaft und Klima ist. Auf Basis des wachsenden Wertewandels, der sich in den letzten zwei Jahrzehnten vor allem bei jüngeren Beschäftigten vollzogen hat, werden verschiedene Modelle der Arbeitszeitverkürzung und die daraus abgeleiteten positiven Folgen für Mensch und Klima vorgestellt. Die Bandbreite reicht dabei von einer wöchentlichen Arbeitszeit von vier Stunden bis zu 32-Wochenstunden-Modellen, zumeist bei vollem Lohnausgleich und entsprechender Personalaufstockung. Die dahinterliegenden Ideen und Rahmenbedingungen werden nachvollziehbar erörtert und begründet. Interessant sind die unterschiedlichen Zugänge zur Frage der Arbeitszeitverkürzung. Mal liegen die Gründe in mehr Freizeit und Erholung für Lohnabhängige, mal geht es um Klimaschutz, da erst durch mehr arbeitsfreie Zeit ein nachhaltiger ökologischer Lebensstil etabliert und auch tatsächlich gelebt werden kann. Auch Genderaspekte der Erwerbsarbeit werden beleuchtet und der Wert von Haus- und Sorgearbeit sowie unbezahlter Ehrenämter analysiert und mit der Forderung verbunden, diese gesellschaftlich und monetär aufzuwerten. Schlussendlich münden sämtliche Überlegungen in die klare Forderung nach einem Wandel des arbeitsmarktpolitischen Leitbilds. PR
Weniger Arbeiten, mehr Leben! – Die neue Aktualität von Arbeitszeitverkürzung
Margareta Steinrücke, Beate Zimpelmann (Hrsg.)
VSA: Verlag 2024
Gespräche über Gleichheit
Dialog
Der Ökonom Thomas Piketty und der Philosoph Michael J. Sandel treffen sich, um über Gleichheit und Gerechtigkeit zu sprechen. Sie beraten über progressive Steuern, klare Grenzen für Reichtum und Märkte sowie die Würde der arbeitenden Menschen. Daraus ist ein leicht zugängliches Buch und ein gelungener Beitrag zur Ungleichheits-Debatte entstanden. Es wird nicht mit Kritik an linken Parteien gespart, die in der Vergangenheit die Deregulierung des Finanzmarktes kritiklos fortgeführt und damit die neoliberale Wende abgesegnet haben. Die Linke müsse nicht nur die aktuelle Organisation der Wirtschaft infrage stellen, sondern sich auch der Kämpfe um Arbeitsplatzverlust, Wohnen oder Wettbewerb intensiv annehmen. Auf circa 150 Seiten diskutieren die beiden Wissenschaftler die weitreichende Ungleichheit unserer Gesellschaft und die noch zu führenden Kämpfe für eine gerechtere Welt. Die gute Nachricht: Viele politische Kämpfe der Vergangenheit wurden gewonnen. Warum sollte das nicht auch in Zukunft gelingen? Alexander Eigner
Die Kämpfe der Zukunft – Gleichheit und Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert
Thomas Piketty, Michael J. Sandel, Verlag C.H. Beck (2025)
Antimaterie in Bewegung
Vergnügte Produktionskritik
„Lachen statt in Schockstarre zu verfallen“ – das ist die Devise der brasilianisch-israelischen Künstlerin Mika Rottenberg. Ihre breit angelegte Werkschau Antimatter Factory, die noch bis Anfang August im Kunst Haus Wien zu sehen ist, zeigt Arbeiten aus den Jahren 2003 bis heute. Rottenberg setzt sich in ihrer Kunst intensiv mit Produktionsprozessen und Materialnutzung auseinander und ermöglicht ihrem Publikum einen zugespitzten Blick auf die Spielarten globaler Massenfertigung. Mika Rottenbergs außergewöhnliches Kunst-Universum lebt von ihrer humoristischen und lustvollen Beschäftigung mit Materialien aller Art. „In Materie, insbesondere in Plastik, ist viel Energie gefangen. Ich liebe es, über Materialien und Umgebungen als fühlende Wesen nachzudenken, als Dinge, mit denen wir Beziehungen eingehen“, sagt sie. Eben diese Materialbeziehungen ermöglichen den lebendigen Zugang zu ihrem Schaffen. Zu sehen sind neben witzigen Videoarbeiten großzügige, farbintensive Installationen und kinetische Skulpturen aus von der Künstlerin aufbereiteten Altstoffen. Ein kunst- und humorvoller philosophischer Blick auf das Verhalten von Verbraucher:innen im hyperkapitalistischen Konsumsystem. JS
Antimatter Factory – Mika Rottenberg
Kunst Haus Wienbis 10.08.2025
https://www.kunsthauswien.com/de/
Die gute Nachricht zum Schluss
Bessere Luft rettet Leben und steigert das Wohlbefinden – das bestätigen jetzt mehrere Studien in belgischen Großstädten und in London. Belgische Forscher:innen konnten nachweisen, dass in Städten mit Umweltzonen beispielsweise der Bedarf an Diabetes- und Herzmedikamenten sinkt. Aber auch die Psyche profitiert. In der im Juni im Journal of Economic Behavior & Organization veröffentlichten Studie „And Breathe Normally: Impacts of low emission zones on sick leave and mental well-being“ kommt ein Team der Universität Bath zu dem Ergebnis, dass die Bewohner:innen der Londoner Umweltzonen (Low Emission Zones und Ultra-Low Emission Zones) produktiver sind und sich seltener krankmelden. Die Menschen sind glücklicher, zufriedener, entwickeln ein größeres Selbstwertgefühl und haben weniger Angst. FJ
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