Schwerpunkt
Klimaresiliente Infrastruktur
Sicherheit geben in unsicheren Zeiten
Kaum jemand wird bestreiten, dass wir in einer krisengebeutelten Zeit leben. Klimakrise, Artensterben, steigende Lebenshaltungskosten, Pandemie und Kriege vor der Haustür. Die Häufung der Krisen erzeugt Abstiegsängste, schafft Verunsicherung und lässt Zweifel an unseren demokratischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen aufkommen.
Um unsere Demokratien gegenüber den autoritären Entwicklungen Orbans oder Trumps zu verteidigen, braucht es effektive Krisenbearbeitung. Dies setzt voraus, dass wir die Krisenzusammenhänge verstehen und politische Verantwortung für eine positive Zukunftsgestaltung übernehmen. Dabei ist die Alltagsökonomie mit der öffentlichen Daseinsvorsorge und der grundlegenden Nahversorgung mit Lebensmitteln, Apotheken, Bankfilialen und weiteren lokalen Dienstleistungen zentral. Denn sie bietet die Basis für soziale Absicherung, indem sie eine gute und stabile Versorgung mit Alltagsgütern für alle gewährleistet. Die Stärkung dieser Wirtschaftsbereiche muss einhergehen mit der Umgestaltung vorhandener fossil geprägter Infrastrukturen zu sozial-ökologischen Infrastrukturen. Dies umfasst etwa den sozial gerechten Ausbau von Energie- und Mobilitätsnetzen oder die Gebäudesanierung.
Vorausschauende Politik statt Notpragmatismus
Kollektive Herausforderungen können nur gemeinsam effizient bewältigt werden. Die Anfänge der modernen Siedlungswasserwirtschaft im Europa des 19. Jahrhunderts verdeutlichen dies. Durch Industrialisierung und Städtewachstum gerieten die alten Insellösungen (Hausbrunnen, öffentliche Fontänen, Wasserverkäufer) und die unzureichende Kanalisation an ihre Grenzen. Vor allem aufgrund von Seuchen übernahmen die europäischen Kommunen die Verantwortung für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung. Zunächst gab es noch vereinzelte Versuche privater Unternehmen, die städtische Siedlungswasserwirtschaft zu entwickeln; diese scheiterten aber an der fehlenden Gesamtsteuerung und Finanzierung.
Angesichts aktueller Krisen braucht es jetzt einen handlungsfähigen Staat, der die Infrastrukturen unseres Alltagslebens sicherstellt. Klar ist: Die Schaffung von künstlichen Marktarrangements im Zuge der neoliberalen Wende hat nicht die erhofften Ergebnisse gebracht. Vielmehr hat der Rückzug des Staates zu prekären Versorgungslagen und unzureichender staatlicher Kapazität bei der Grundversorgung mit zentralen Leistungen beigetragen. Ein resilienter Infrastrukturstaat soll in diesem Zusammenhang zum einen eine gute Grundversorgung mit lebensnotwendigen Alltagsgütern für alle Menschen sicherstellen – unabhängig von ihrem Einkommen, Status oder Wohnort – und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Zum anderen soll der Staat Krisenvorsorge jenseits des aktuell dominierenden „Notpragmatismus“ (Hans-Jürgen Urban) betreiben. Dazu bedarf es eines Perspektivenwechsels weg vom Business as usual hin zu einer vorausschauenden, fachlichen und politischen Vorbereitung auf mögliche zukünftige Krisen.
Die gute Nachricht ist, dass sich in der Infrastrukturplanung Elemente für diesen vorsorgenden Ansatz finden. Die regionalen Ausgleichsleitungen in der Wasserversorgung sind beispielsweise eine technische Lösung, um regional unterschiedliche Bedarfe und Reserven besser abzugleichen. Regelungen zur Rationierung sind in der Wasserwirtschaft zwar nicht neu, angesichts der Erderhitzung jedoch unzureichend, wie zuletzt im jährlichen Bericht 2024 der Europäischen Umweltagentur festgehalten wurde. Das existierende Set an Regulierungen muss nun nicht nur systematischer und politikfeldübergreifend (gegenüber Landwirtschaft, Industrie und Energieerzeugung) durchgesetzt werden, sondern es müssen auch die Grenzen der menschlichen Naturbeherrschung anerkannt werden. Im Hochwasserschutz zeigt sich dies etwa darin, dass man vom technischen Hochwasserschutz zum integrierten Hochwassermanagement übergeht und dabei zunehmend auf naturbasierte Lösungen, wie etwa die Wiederherstellung von Flussufern und die Schaffung von Überschwemmungsgebieten, setzt. Diese Renaturierungsstrategien sind häufig kosteneffektiver und flexibler im Umgang mit Hochwässern.
Vorausschauende Politik zahlt sich langfristig aus. Strenger Wasser- und Quellenschutz als Form des vorsorgenden Gewässerschutzes hat in Österreich große Bedeutung. Zwar verunmöglicht er kurzfristig wirtschaftliche Nutzungen, gleichzeitig erspart er uns enorme Kosten der Nachsorge durch teure Trinkwasseraufbereitungsanlagen und vor allem die volkswirtschaftlichen Kosten für die öffentliche Gesundheit. Diese vorausschauende Herangehensweise wird bei der Siedlungsentwicklung und Bautätigkeit allzu oft ignoriert. Es ist ein Dauerbrenner in der Raumplanung, dass existierende Zonierungen im Zusammenhang des Naturgefahrenmanagements großzügig ausgelegt oder gar gänzlich ignoriert werden. Die Rechnung dafür zahlen die betroffenen Haushalte und die Steuerzahler:innen, wie das Hochwasser im September 2024 deutlich zeigte.
Wie eine verbesserte Daseinsvorsorge finanzieren?
Die verschiedenen Bereiche der Daseinsvorsorge (Energie, öffentlicher Verkehr, Wohnen, Gesundheit und Pflege sowie kommunale Infrastrukturen) werden grundsätzlich unterschiedlich finanziert. Aktuell gibt es drei wesentliche Herausforderungen: 1. Durch die Pensionierung geburtenstarker Jahrgänge wird bis 2030 ein Personalbedarf von rund 260.000 Beschäftigten in der Daseinsvorsorge entstehen. 2. Der Ausbau der Daseinsvorsorge (z. B. mehr und verbesserte Kindergärten, Schulen, Gesundheitsversorgung) erfordert zusätzlich rund 150.000 Beschäftigte. 3. Die Dekarbonisierung des Energie-, Gebäude- und Verkehrssektors ist mit bedeutenden Investitionen verbunden. Insgesamt müssten pro Jahr 1,1 bis 1,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zusätzlich investiert werden. In Österreich und Europa stehen hierfür ausreichend Ressourcen zur Verfügung – es geht daher hauptsächlich um die Mobilisierung der finanziellen Mittel und die Umlenkung bestehender fossiler Investitionen.
Innerhalb des Europäischen Rechtsrahmens wird die Elektrizitätsversorgung in Österreich hauptsächlich durch öffentliche Unternehmen geleistet. Diese sind zumindest mehrheitlich im Staatseigentum (Bundesländer, Städte) und finanzieren sich aus Markterlösen (insb. Verkauf von Elektrizität). Auch die Stromnetze gehören öffentlichen Unternehmen. Sie sind „natürliche Monopole“, da ein Netz ökonomisch sinnvoll nur von einem Unternehmen bereitgestellt werden kann. Dies wird durch eine Regulierungsbehörde kontrolliert. So bezahlt ein durchschnittlicher Wiener Haushalt bei einem Energiepreis von 20 Cent pro Kilowattstunde etwa 5 Cent zusätzlich für die Netze und eben auch für den jetzt notwendigen Netzausbau. Für die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energieträger hat Österreich durch den bedeutenden Anteil der Wasserkraft gute Voraussetzungen. In den kommenden Jahren müssen jedoch hohe Investitionen für einen weiteren großen Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, für die von der Industrie benötigte Wasserstoffproduktion und für die Energiespeicherung getätigt werden.
Kommunale Infrastrukturen spielen eine besondere Rolle in der Daseinsvorsorge. Die technischen und sozialen Infrastrukturen (von Straßen bis Schulen) werden von den Gemeinden bereitgestellt. Ihnen stehen ungünstige räumliche Strukturen – Streusiedlungen, Einfamilienhausbereiche, leerstehende Betriebsgebiete – gegenüber, die den Gemeinden enorme Kosten verursachen. So verbucht eine Gemeinde einen Verlust von rund 850.000 Euro, wenn eine Fläche von einem Hektar mit einer Streusiedlung bebaut wird. Durch Verdichtung des Ortskerns könnte sie hingegen einen Gewinn von durchschnittlich rund 200.000 Euro erwirtschaften, da durch besser genutzte Infrastruktur höhere Einnahmen erzielt werden können. Kurzfristig sind die finanziellen Probleme der Gemeinden kaum lösbar, weil räumliche Strukturen nicht von heute auf morgen verändert werden können. Umso ärgerlicher ist es, wenn die Zersiedlung Österreichs weiter ungebremst voranschreitet. Die Grundlagen für eine zukunftssichere Daseinsvorsorge sind aber vorhanden, es braucht dafür allerdings einen Paradigmenwechsel hin zur vorausschauenden Planung und einer Mobilisierung und Umlenkung vorhandener finanzieller Ressourcen.
Weichenstellungen für eine gute Daseinsvorsorge 2030
Auch private Aktivitäten können wesentliche Beiträge für die Daseinsvorsorge leisten, wenn sie am öffentlichen Interesse ausgerichtet sind. Die Gemeinnützigkeit ist hierbei das zentrale Prinzip zur Gestaltung der Alltagsökonomie. Vielfach wurde nachgewiesen, dass eine gemeinnützige Bereitstellung von Wohnraum oder von Gesundheits- und Pflegeleistungen effizienter und effektiver ist als eine gewinnorientierte Organisation. Bei dieser stehen Gewinnmaximierung und Kosteneinsparungen im Mittelpunkt, nicht aber die Erfüllung der Bedürfnisse von Wohnungssuchenden oder von Menschen, die auf qualitativ hochwertige Gesundheits- und Pflegeleistungen angewiesen sind.
Für eine resiliente und zukunftsorientierte Daseinsvorsorge braucht es somit neue Modelle der staatlichen Planung und auch neue gemeinwohlorientierte Formen von öffentlich-öffentlichen und öffentlich-privaten Partnerschaften. Ebenso müssen Arbeitsplätze in diesen für uns alle kritischen Wirtschaftsbereichen attraktiver werden. Es ist kein Wunder, dass es zunehmend schwierig wird, Kolleg:innen in den einzelnen Bereichen der Daseinsvorsorge zu halten, wenn etwa bei Pflegekräften oder Buslenker:innen derart schlechte Arbeitsverhältnisse herrschen.
All dies setzt einen neuen politischen Gestaltungswillen voraus, sowohl beim Angebot der Daseinsvorsorge als auch bei der Finanzierung. Ein geändertes und ergänztes Steuersystem (mit vermögensbezogenen Steuern und dem Abbau kontraproduktiver Subventionen) hilft, die Ziele des Klima- und Artenschutzes mit wirtschaftlichen Zielsetzungen der Grundversorgung zu verbinden. Die Sicherung der Daseinsvorsorge erhöht nicht nur die Krisenresilienz einer Gesellschaft, sondern eröffnet auch vielfältige wirtschaftliche Chancen durch Bildung und Innovationen, bessere Gesundheit, mehr Betreuungsangebote und effizientere Ver- und Entsorgung.